Energie aus Gezeiten und Wellen
Derzeit wird Energie aus den Weltmeeren vor allem durch Nutzung der Gezeitenkraft gewonnen. Weitere Nutzungsoptionen sind weltweit in der Erforschung.
3 Meeresenergie
In den Weltmeeren ist regenerative Energie in sehr unterschiedlichen Formen verfügbar; sie kann durch sehr verschiedenartige technische Ansätze in Nutzenergie (vorwiegend Strom) umgewandelt werden. Eine großtechnische kommerzielle Anwendung findet bisher aber ausschließlich die Nutzung der Gezeitenkraft. Andere potenzielle Nutzungsoptionen (unter anderem Wellen, Meeresströmung, Temperaturgradienten, Salzkonzentrationsunterschiede) befinden sich oft noch in einem (frühen) F&E-Stadium.
Welt. Zum Ende des Jahres 2019 waren weltweit insgesamt etwa 531 MW in Anlagen zur Nutzung der Meeresenergie installiert, mit denen schätzungsweise rund 1,2 TWh (2019) Strom erzeugt wurden [1; 7]. Die weltweit leistungsstärkste Anlage war bis vor wenigen Jahren das 1967 in La Rance (Frankreich) in Betrieb gegangene Gezeitenkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 240 MW. 2011 ging das Sihwa-Kraftwerk an der Küste Südkoreas mit 254 MW ans Netz. Verglichen mit diesen beiden Anlagen sind die weiteren betriebenen Gezeitenkraftwerke deutlich leistungsschwächer. Neben dem Kraftwerk in Annapolis (Kanada) mit 20 MW werden in China noch mindestens vier (insgesamt 5,6 MW) und in Russland noch zwei (insgesamt 1,7 MW) kleinere derartige Anlagen betrieben [1; 7].
Des Weiteren werden derzeit weltweit weitere Versuchs- und Demonstrationsanlagen zur Weiterentwicklung technischer Optionen zur Meeresenergienutzung im Rahmen geförderter F,E&D-Projekte betrieben. Die installierten elektrischen Leistungen der jeweiligen Anlagen bewegen sich bislang jedoch maximal im unteren MW-Bereich; das heißt ihr Beitrag zur globalen Stromerzeugung ist vernachlässigbar [9; 10].
Ob in den nächsten Jahren ein merklicher Leistungsausbau bei der Meeresenergie erfolgt, wird primär vor der Realisierung der derzeit geplanten Gezeitenkraftwerke bestimmt; beispielsweise ist in Korea der Bau einer Anlage mit 1 320 MW in der Incheon Bay in der Diskussion [9]. Trotzdem ist bis 2025 kein signifikanter Zubau zu erwarten. Bis 2030 hingegen könnten einige der derzeit an verschiedenen Standorten diskutierten Großprojekte (zum Beispiel in Schottland) realisiert werden. Im optimistischen Maximalfall könnten maximal 2,5 GW installiert werden, mit denen eine potenzielle Stromerzeugung von knapp 5 TWh (2030) möglich wäre.
EU. Die insgesamt installierte Leistung von Meeresenergieanlagen in der EU belief sich Ende 2019 auf rund 248 MW. Der bei weitem größte Anteil davon liegt beim Gezeitenkraftwerk La Rance in Frankreich. Weitere kleinere Meeresenergieprojekte mit insgesamt rund 12 MW mit einer geschätzten Stromerzeugung von etwa 0,6 TWh (2019) gibt es in britischen, französischen und schwedischen Küstengebieten [9]. Diese Anlagen sind meist Ergebnisse von F,E&D-Projekten, die häufig mit finanzieller Unterstützung der EU realisiert wurden. Ob diese Ansätze später am Markt umgesetzt werden, hängt außer von den jeweiligen technischen Fortschritten, den damit verbundenen Umwelteffekten, der lokalen Akzeptanz, den realisierbaren Stromgestehungskosten sowie von der energiewirtschaftlichen Rahmensetzung und der politischen Bedeutung des Klimaschutzes ab.
Das mit derzeit 6 MW bislang größte Meeresströmungskraftwerk wurde 2017 im schottischen Pentland Firth in Betrieb genommen. Die Anlage soll auf eine Gesamtleistung von 398 MW ausgebaut werden [10]. Neben weiteren Projekten in Großbritannien werden derartige Versuchsanlagen auch in Frankreich betrieben [9]. Anlagen zur Wellenenergienutzung waren 2019 unter anderem im Rahmen des Sotenäs-Projektes in Schweden sowie als Prototyp auf den britischen Orkney-Inseln in Betrieb [9].
Ausgehend von dem bisherigen Ausbaustand und dem begrenzten Stand der Technik wird die Meeresenergie in der EU auch in den kommenden Jahren weiterhin ein Nischendasein führen. Aufgrund der bisher verhaltenen Umsetzungen von Meeresenergieanlagen ist bis 2025 näherungsweise von einer stagnierenden kommerziellen Nutzung auszugehen. Sollte jedoch – entgegen der bisherigen Erfahrungen – bis 2025 das Meeresströmungskraftwerk in Pentland Firth seinen vollen Ausbaustatus erreichen, könnten rund 700 MW an Leistung bereitstehen, mit denen rund 1,7 TWh (2025) an Strom bereitgestellt werden könnte. Wird bis zum Jahr 2030 das im Vereinigten Königreich geplante Gezeitenkraftwerk Swansea Bay Tidal Lagoon ans Netz gehen und auch andere Technologien moderat ausgebaut, könnten dann mit bis zu 1 GW rund 2,4 TWh (2030) Strom bereitgestellt werden.
M. Sc. Daniel Christ, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH)
Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH)
Dr.-Ing. Annika Magdowski, Stromnetz Hamburg GmbH
M. Sc. Niels Kirstein, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig
Gabriel Costa de Paiva, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig
M. Sc. Christopher Schmid, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig
Dr.-Ing. Volker Lenz, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig
Bisher erschienen:
Aktueller Ausbaustand der erneuerbaren Energien weltweit
Wasserkraft als Stromquelle und -speicher
Das Online-Special wird mit den folgenden Beiträgen fortgesetzt:
Windenergie
Solarenergie
Geothermie
Biomasse
Zusammenfassung und Einordnung Energiesystem