Es funktioniert auch mit „blauem Wasserstoff“
Erdgas lässt sich mit der Methanpyrolyse in Wasserstoff und festen Kohlenstoff zerlegen. Damit wird bei der Nutzung des fossilen Energieträgers kein Kohlendioxid mehr frei.
Wasserstoff, den vor allem die chemische Industrie in großen Mengen verbraucht, wird heute meist in einem Zwei-Stufen-Prozess aus Erdgas hergestellt. Kleinere, aber wachsende Mengen auch durch Spaltung von Wasser in einem Elektrolyseur. Beides sind die falschen Wege, heißt es aus dem britischen Unternehmen Hiiroc in Hull, Großbritannien. Bei der ersten Produktionsmethode würden große Mengen an Kohlendioxid freigesetzt, die zweite sei bei weitem zu teuer und zu ineffektiv. Die Briten wollen Wasserstoff zwar auch aus Erdgas herstellen. Doch ihre Methode der Methanpyrolyse sei kostengünstig und umweltneutral. Der Energiebedarf ist beispielsweise um 87 % geringer als bei der Elektrolyse.
Auch Deutschland entwickelt ein Pyrolyseverfahren
Davon sind auch die deutschen Energieunternehmen VNG Innovation in Leipzig und Wintershall Dea Technology Ventures in Kassel überzeugt. Sie haben Anteile an Hiiroc erworben, um die Technik der Briten im großen Stil zu nutzen. „Gas kann grün“, heißt es aus Kassel. Damit widerspricht das Unternehmen der Bundesregierung, die in ihrem Entwurf der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ nur Wasserstoff zulässt, der mithilfe erneuerbarer Energien gewonnen wird. Immerhin unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine deutsche Entwicklung der Methanpyrolyse jetzt mit 8,7 Mio. €.
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Versuchsanlage wird in Ludwigshafen gebaut
Ziel ist der Bau einer Versuchsanlage in Ludwigshafen. Beteiligt sind unter anderem BASF, und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Spaltung der Methanmoleküle findet in einem beheizten Reaktor statt, durch den kleine Kohlenstoffpartikel geleitet werden. Sie wandern hindurch und begegnen Methanmolekülen. Die primär vorhandenen Teilchen binden den Kohlenstoff an sich, der im Methan steckt. Der feste Kohlenstoff wird ausgetragen, der übrig bleibende Wasserstoff eingefangen. Er wird als „blau“ bezeichnet, im Gegensatz zum „echten“ grünen Wasserstoff aus der Elektrolyse mit Ökostrom.
Wasserstoff soll konkurrenzfähig werden
„Für unsere ambitionierten Klimaziele und den Erfolg der Wasserstoffstrategie ist nicht entscheidend, ob der Wasserstoff aus Erdgas oder aus Erneuerbaren stammt. Entscheidend ist, dass er klimaneutral produziert wird“, sagte Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea, auf einem SPD-Wirtschaftsforum. Wasserstoff, per Elektrolyse unter Verwendung von Wind- und Solarstrom hergestellt, sei bei weitem nicht konkurrenzfähig. Das Hiiroc-Verfahren könne für die Herstellungskosten von Wasserstoff ein echter „Gamechanger“ sein, so Matthias Tischner und Andreas Päts, Geschäftsführer der VNG Innovation GmbH.
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Methanspaltung im Plasma
Die Briten nutzen eine andere Technik als die, die in Ludwigshafen eingesetzt wird. In Hull wird das Methan durch den Eintrag von elektrischer Energie in ein Plasma umgewandelt, das eine relativ hohe Temperatur hat. Ein Plasma ist ein Gemisch aus positiv und negativ geladenen Atomteilchen. Durch eine geschickte Prozessführung gelingt es so, den Wasserstoff vom Kohlenstoff zu trennen.
Der Wasserstoff kann vielfältig genutzt werden, etwa zum Betrieb stationärer oder mobiler Brennstoffzellen, oder als Beimischung zum Erdgas, das dadurch ein wenig „grüner“ wird. Letztlich ist sogar vorstellbar, das gesamte Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff umzuwandeln, sodass letzterer dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt oder zumindest wiederverwertet wird, etwa in Form von Ruß in der Reifenherstellung.
Erdgas reicht noch für 260 Jahre
Im Gegensatz zu anderen Pyrolyse-Technologien könne das Hiiroc-Verfahren auch im kleineren Maßstab und somit dezentral, etwa direkt im Haus eingesetzt werden, heißt es bei VNG. Bisher funktioniert es nur im Labormaßstab. Die Partnerschaft mit den deutschen Unternehmen ermöglicht jetzt den Bau einer großen Versuchsanlage.
Die Methanpyrolyse könnte die Zeit überbrücken, bis die Energieversorgung der Welt komplett auf Strom aus erneuerbaren Quellen umgestellt ist. Erdgas gibt es noch für lange Zeit. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie in Hannover gibt die Reichweite mit 260 Jahren an.