Faultürme liefern bald reines Methan
Das heute produzierte Biogas in Kläranlagen enthält hohe Anteile Kohlenstoffdioxid, das meist in die Umwelt entlassen wird. Mit mikrobiellen Elektrolysezellen soll auch dieses Klimagas in reines Methan verwandelt werden. Das kann dann beispielsweise zur Verstromung genutzt werden.
Der Gasemix, der sich in den Faultürmen von Klär- und in Biogasanlagen bildet, enthält 50 bis 65 % Methan, das chemisch weitgehend dem Erdgas ähnelt. Der Rest besteht vor allem aus Kohlenstoffdioxid (CO2), das abgetrennt und meist in die Atmosphäre entlassen wird, was die Umwelt nicht erfreut. Immerhin kann der wertvolle Rest ins Erdgasnetz eingespeist werden und einen kleinen Teil der möglicherweise ausbleibenden Lieferungen aus Russland ersetzen. Das derart umweltneutral gewonnene Ersatz-Erdgas kann unter anderem zum Verstromen eingesetzt werden.
Renaissance für das Heizen mit Strom
Reines Methan aus Klärschlamm
Forschende an der Westschweizer Fachhochschule (HES-SO Valais-Wallis) in Sitten wollen sich mit der relativ geringen Ausbeute nicht zufriedengeben. Fabian Fischer, Professor für Chemische Biotechnologie, und sein Team wollen das Gärprodukt mithilfe von mikrobiellen Elektrolysezellen (engl. microbial electrolysis cell/MEC) veredeln, sodass es kein CO2 enthält. Mit der MEC-Technologie könnte die Gewinnung von reinem Methan aus Klärschlamm Realität werden.
In zwei Schritten klappt es schon
Eine Anlage des Limmattaler Regiowerks Limeco, die im Frühjahr 2022 in Dietikon nahe Zürich eröffnet wurde, ist gewissermaßen die Vorstufe zum Projekt „100 Prozent Methan aus Klärschlamm in einem Schritt“. Hier wird das CO2 gemeinsam mit Wasserstoff, der in einem mit Ökostrom versorgten Elektrolyseur hergestellt wird, in einem Reaktor in weiteres Methan umgewandelt. Hier ist das 100-Prozent-Ziel schon erreicht, allerdings ist der Wirkungsgrad relativ gering.
Ein Zwischenziel auf dem Weg zur einstufigen Methanherstellung aus Klärschlamm hat das Walliser Forschungsteam jetzt erreicht. Es erzeugte mit zwei MEC-Pilotreaktoren aus Klärschlamm Rohbiogas mit einem hohen Methan-Anteil. Er liegt um 10 bis 30 % über dem, der bei der klassischen Vergärung erreicht wird, also bei bis zu 90 %. „Das ist ein Zwischenerfolg, an dem wir nun weiterarbeiten mit dem Ziel, den Methan-Ertrag auf 100 % zu steigern“, sagt Fischer.
Strom aktiviert Mikroorganismen
Das Funktionsprinzip der mikrobiellen Elektrolysezelle erscheint einfach. Während der Vergärung wird dem Klärschlamm im Faulturm Niedervoltstrom zugeführt. Das genügt, um den Methananteil entscheidend zu erhöhen. Wie der molekulare Mechanismus genau abläuft, ist laut Fischer bisher nicht endgültig geklärt. Wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass die im Fermenter aktiven Mikroorganismen (Archaeen) CO2-Moleküle, Elektronen und Protonen direkt aufnehmen und daraus CH4 (Methan) produzieren. Der Stoffwechselprozess der Mikroorganismen findet auf der Kathode statt. Diese ist entweder mit Nickel oder hochporösem Kohlenstoff beschichtet.
Da die Vergärung bei Raumtemperatur abläuft muss dem Prozess keine Wärme zugeführt werden, was die Umweltverträglichkeit weiter verbessert. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings der Eintrag von elektrischer Energie, die allerdings aus erneuerbaren Quellen stammt. Der Wirkungsgrad liegt bei erfreulichen 80 bis 96 %, und die Strommengen halten sich in Grenzen. Gemäß den Messungen der HES-SO Valais-Wallis verbraucht der MEC-Prozess elektrische Energie im Umfang von 3 J pro Milliliter Methan. Das ist 13 Mal weniger als die Energie, die bei der Verbrennung der gleichen Methanmenge entsteht, um wieder Strom zu erzeugen.
2 000-Liter-MEC-Reaktor in der Planung
Die Walliser Forschungsgruppe arbeitet seit 2004 an der mikrobiellen Elektrolysezelle. Sie hatte deren Funktionstüchtigkeit zunächst an einem MEC-Reaktor mit einem Volumen von 30 l demonstriert und jetzt an zwei Reaktortypen mit je 50 l Volumen. Als nächstes wird ein 2 000-l-MEC-Forschungsreaktor gebaut und betrieben. Das Upscaling der Anlage soll die Marktfähigkeit der MEC-Technologie nachweisen. Laut Fischer ist die Gründung eines Start-ups geplant, das die Technologie industrialisieren und dafür Investoren finden will: „Wir arbeiten an einer Technologie für Pioniergeister“, sagt Fischer. „Sie könnte insbesondere für Kläranlagenbetreiber interessant sein, die bisher noch kein Biogas produzieren und diesen zukunftsträchtigen Energieträger mit einer innovativen Technologie produzieren möchten.“