In Dormagen entsteht ein Wasserstoffzentrum
Mit einer neuen Technik wird das energiereiche Gas in einer Flüssigkeit gespeichert, die wie Benzin drucklos und bei Umgebungstemperatur gelagert werden kann. Die Jahresmenge entspricht 2,4 Millionen Litern Benzin.
Wasserstoff, der als möglicher Energieträger der Zukunft gilt, weil er ohne Schadstoffemissionen verbrennt und keine Klimagase verursacht, lässt sich in sperrigen Tanks lagern, in denen ein Druck von mehr als 600 bar herrscht. Oder in flüssiger Form bei – 256 °C in nicht minder sperrigen Kryotanks, oder in Form von Metallhydrid, dessen Energieinhalt pro Volumeneinheit jedoch sehr klein ist. Das Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC Technologies jedoch hat eine vierte Technik entwickelt und in seinen Firmennamen integriert. Es bindet den Wasserstoff an eine organische Flüssigkeit namens Benzyltoluol. Pro Kubikmeter speichert es 57 kg. Das mit Wasserstoff angereicherte Öl ist schwer entzündbar und nicht explosiv, bei jeglicher Umgebungstemperatur flüssig und lässt sich wie Benzin oder Diesel in drucklosen Tanks transportieren. LOHC (liquid organic hydrogen carrier, zu deutsch: flüssiger organischer Wasserstoffspeicher) heißt diese Technik.
Wasserstoff aus dem Salzsäure-Recycling
Auf dem Dormagener Gelände des Chemieriesen Covestro, der aus dem Bayer-Konzern hervorgegangen ist und Gesellschafter von Hydrogenious ist, wird bis 2023 ein mächtiger Tank installiert, in dem jährlich mit LOHC-Technik bis zu 1 800 t Wasserstoff gespeichert werden können. Das entspricht 7 Mio. l Benzin. Den Wasserstoff liefert Covestro. Er wird beim Recycling von Chlor aus Salzsäure frei und derzeit zur Dampferzeugung verbrannt. Wenn die Speicheranlage fertig ist soll der gelieferte Wasserstoff das Attribut „grün“ haben. Das will Covestro durch den Einsatz von zertifiziertem Ökostrom beim Salzsäure-Recycling erreichen.
Die Anlage, in der das organische Öl mit dem Wasserstoff angereichert wird, baut das Erlanger Unternehmen ebenfalls auf. Bei der Speicherung des Wasserstoffs wird Wärmeenergie auf einem Niveau von 250 °C frei. Diese Energie nutzt Covestro zur Dampferzeugung.
„In unserer Begleitforschung konzentrieren wir uns auf drei Aspekte: Das Katalysatorverhalten im Realbetrieb, mögliche Einflüsse der LOHC- beziehungsweise Wasserstoffqualität auf den Einspeicherprozess und auf die Weiterentwicklung industriell nutzbarer Qualitätssicherungsverfahren für unser LOHC-System“, sagt Professor Peter Wasserscheid, Direktor am Institut für Energie und Klimaforschung des Forschungszentrums Jülich und Direktor des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien. Er war maßgeblich an der Entwicklung der Technik beteiligt.
Rückgewinnung des Wasserstoffs in Rotterdam
Um ihn nutzen zu können muss der Wasserstoff wieder vom Öl getrennt werden. Dazu ist wiederum Wärmeenergie auf einem Niveau von 300 °C nötig. Die Regasifizierungsanlage entsteht nicht in Dormagen, sondern in Rotterdam. Dort ist Royal Vopak ansässig, eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Infrastrukturbereitstellung für die Chemie- und Energiewirtschaft und Investor bei Hydrogenious. Das Unternehmen wird Chemieunternehmen, möglicherweise auch Tankstellen für Landfahrzeuge und Schiffe mit grünem – oder fast grünem – Wasserstoff beliefern.
Projektleitung und Betrieb der Dormagener Anlage übernimmt die in Krefeld ansässige Tochter von Hydrogenious, die LOHC Industrial Solutions NRW. Das Land steuert 9 Mio. € zu dem Projekt bei.
Der Donauraum wird zum Wasserstoffparadies
Noch ein paar Nummern größer ist das Projekt „Green Hydrogen @ Blue Danube“, das Österreichs führender Produzent von Ökostrom, die Verbund AG, auf den Weg bringen will. Vorgesehen ist der Aufbau von Elektrolyseuren mit einer Leistung von insgesamt 1,5 GW im gesamten Donauraum, die mit Ökostrom betrieben werden. Der Wasserstoff, der hier produziert wird, soll per Binnenschiff mit LOHC-Technik nach Österreich und Deutschland transportiert werden.
In Phase eins sind Elektrolyseure in Österreich und Deutschland geplant, die pro Jahr 27 000 t grünen Wasserstoff produzieren. In Phase zwei kommen Anlagen in Südosteuropa dazu, sodass die Jahresproduktion auf 80 000 t steigt. Ein Zeitplan steht noch nicht fest.