„Kein Ersatz der klassischen Solarparks durch Agri-PV“
Die Agri-PV gilt als Königsweg für die Verknüpfung von Solarstromgewinnung und landwirtschaftlicher Nutzung. Carsten Bovenschen, CEO von Juwi, nimmt im Interview Stellung.
Herr Bovenschen, was verstehen Sie genau unter Agri-PV?
Carsten Bovenschen: Als „Agri-Photovoltaik“ bezeichnet man die Kombination aus Energiegewinnung und Landwirtschaft auf einer gemeinsamen Fläche. Bei der landwirtschaftlichen Nutzung kann es sich dabei sowohl um Nutzpflanzen als auch um die Tierhaltung handeln. Die PV-Module werden dann entweder wesentlich höher über dem Boden montiert, so dass darunter Landwirtschaft betrieben werden kann. Oder die Reihenabstände werden vergrößert und die landwirtschaftlichen Aktivitäten finden vorranging zwischen den Modulreihen statt. Alternativ können die Module auch senkrecht errichtet werden, und die Landwirtschaft findet ebenfalls zwischen den Modulreihen statt. Diese Variante wird derzeit allerdings nicht extra gefördert.
Unser Wunsch wäre, dass künftig auch die sogenannte „externe Agri-PV“ in dieses Segment integriert wird und damit als besonders förderwürdig berücksichtigt werden kann. Darunter verstehen wir Freiflächen-Photovoltaikanlagen mit weiten Reihenabständen in Verbindung mit einer Grünlandbewirtschaftung. Die Grünlandbewirtschaftung ist ja bereits eine anerkannte Landwirtschaft, beispielsweise zur Produktion von Futter. Der Grünlandstatus ist wichtig für die Biodiversität, denn Grünland bietet einen hochwertigen Lebensraum für eine Vielzahl unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten. Das sollte daher auch als „Agri-PV“ anerkannt werden.
Welche Möglichkeiten bietet die Agri-PV aus ihrer Sicht – national und international?
Die Agri-PV bietet Freiflächenpotenziale vor allem in dichtbesiedelten Ländern mit wenigen landwirtschaftlichen Flächen (z. B. Japan), aber auch in einzelnen Regionen mit starker landwirtschaftlicher Prägung (z. B. im Norden Italiens, in vielen Regionen der Niederlande oder auch in Nordrhein-Westfalen). Insbesondere Italien ist hier sicher ein Vorreiter. Dort hat man beispielsweise 1,7 Milliarden Euro zur Förderung von mehr als 1 GW Agri-PV mit Inbetriebnahme bis Ende 2026 bereitgestellt. Auch wir sind dort bereits sehr aktiv.
Generell bietet neben der Kombination mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen insbesondere eine Doppelnutzung mit Tierhaltung ein sehr großes Potenzial. Sehr gute Erfahrungen gibt es ja bereits vielerorts mit der Schafhaltung unter, bzw. zwischen den Modulreihen. Interessanterweise wird gerade an einer neuen DIN-Spezifikation für Agri-PV mit Tierhaltung gearbeitet. Ergebnisse erwarten wir im kommenden Jahr, entscheidend werden die Festlegungen mit Blick auf Tierartengruppen, Besatzdichte, Tierbedürfnisse etc. sein.
Dennoch muss man betonen: Agri-PV Anwendungen sind eine sinnvolle Ergänzung in verschiedenen Nischen. Für die breite Stromerzeugung stehen aber in Deutschland genügend Freiflächen zur Verfügung, um kostengünstigen Strom herzustellen. Der Vorteil der „Agri-PV“ wäre eine Öffnung der Flächenkulisse, z. B. von Vorranggebieten für die Landwirtschaft sowie eine recht hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.
Kann sie die „klassischen“ Solarparks ersetzen?
Aktuell ist kein Ersatz der klassischen Solarparks durch Agri-PV zu erwarten. Auf Grund der vorhandenen Flächenkulisse sind PV-Anlagen auf Freiflächen vor allem für den Klima- und Naturschutz absolut sinnvoll. Biodiversitäts-PV Anlagen – und das sind ja die meisten PV-Freiflächen auch – leisten einen großen Beitrag für den Naturschutz. Und aktuell stellen sie gleichzeitig auch die günstige Form der Stromerzeugung da. Und das wollen wir auch nicht aus den Augen verlieren: eine günstige Stromversorgung in Deutschland.
Wir müssen auch feststellen, dass unsere Kunden bislang Projekte mit „Agri-PV“ aufgrund der geringen Wirtschaftlichkeit nicht gezielt nachfragen. Nur in wenigen Ausnahmefällen sehen wir, dass „Agri-PV“ schon heute wirtschaftlich möglich ist, zum Beispiel in Verbindung mit einem Windprojekt bei hoher Bodenqualität und nahegelegenem Netzeinspeisepunkt.
Generell geht es aber ja eigentlich darum, mit der Vielzahl der Möglichkeiten der erneuerbaren Energien mittelfristig die konventionellen Stromquellen zu ersetzen, und zwar wo immer das möglich und sinnvoll ist. Dazu gehören dann sicher sowohl „klassische“ Solarparks als auch Agri-PV-Anlagen.
Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit von Agri-PV? Braucht es – zumindest auf absehbare Zeit – eine zusätzliche Förderung?
Die „Agri-PV“ in Form von Nutzpflanzen ist aktuell weitgehend unwirtschaftlich. Die Extra-Vergütung über den Technologiebonus im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes reicht da nicht aus.
Hoch aufgeständert (in lichter Höhe ab 2,1 m) sind die Anlagen aufgrund der Mehrkosten für die aufwändigen Gestelle unwirtschaftlich. Senkrecht aufgeständert sind die Projekte aufgrund der geringeren Stromerzeugung meist unwirtschaftlich. Um Agri-PV zum Marktdurchbruch zu verhelfen, Vertrauen auf Banken und Investorenseite zu schaffen, wären höhere Förderungen und verlässliche Rahmenbedingungen wie beispielsweise in Italien hilfreich.
Wie wirkt sich der aktuelle Preisverfall bei PV-Modulen im Bereich der Agri-PV aus?
Das Überangebot von PV-Modulen aus Asien ist natürlich auch in diesem Segment spürbar. Gleichzeitig gibt es jedoch auch markante Kostensteigerungen in anderen Bereichen, z.B. bei Dienstleistungen (Gutachten, Bauleistungen etc.), bei den Gestellen (ein Kostentreiber für Agri-PV), bei elektrotechnischen Komponenten (z. B. Wechselrichter, Steuerungstechnik) und ganz erheblich bei Umspannwerken aber auch das allgemein höhere Zinsniveau. Unterm Strich müssen wir feststellen: Der Preisverfall bei den Modulen gleicht die Mehrkosten insbesondere für Gestelle nicht aus.
Wo sehen Sie noch Entwicklungsbedarf bei der Agri-PV?
Es ist eine klare Definition von Agri-PV notwendig, denn eine klare Definition reduziert Unsicherheit im Geschäftsmodell und hilft allen Beteiligten (Genehmigungsbehörden, Investoren, Eigentümer, Entwickler…).
Eine Anpassung der EEG-Förderhöhe für Nutzpflanzen-Agri-PV könnte diese Anlagen wirtschaftlicher und damit auch attraktiver für Investoren machen.
Wenn es einen größeren Markt für „Agri-PV“ gibt, wird es auch mehr Wettbewerb für spezielle Agri-PV-Komponenten geben und damit zu Kostensenkungen kommen können.
Wie stark ist Juwi im Bereich Agri-PV engagiert – und in welchen Projekten?
Wir sind aktuell stark involviert in die Entwicklung von Projekten in Italien in Form eines nachgeführten Systems (wirtschaftlich durch hohe Einstrahlungswerte). Zudem planen wir erste Pilotanlagen im Rahmen von Forschungsprojekten in Deutschland.
Danke für das Gespräch.
Carsten Bovenschen, CEO von Juwi. Foto: Juwi