Kraftstoff vom Dach
Ein deutsch-kanadisches Team hat Fotoreaktoren entwickelt, die im ersten Schritt Solarenergie direkt in Wasserstoff verwandeln. Später soll dieser auch mit CO2 zu Benzin und Diesel verschmolzen werden.
Wasserstoff und in einem zweiten Schritt auch Kraftstoffe sollen künftig mit Solarenergie auf Dächern und in Solarparks produziert werden. Auf dem Weg dorthin haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der University of Toronto in Kanada jetzt einen großen Schritt getan. Sie haben ein Konzept für hocheffiziente Fotoreaktorpaneele vorgelegt, die in kostengünstige Module integriert werden können. Der Wasserstoff könnte gespeichert und zum Heizen, Kochen sowie zur Warmwasserbereitung und anstelle von Solar-Pufferbatterien in Verbindung mit einer Brennstoffzelle zur zeitversetzten Stromproduktion genutzt werden.
Den großflächigen Einsatz solcher Module hält Paul Kant vom Institut für Mikroverfahrenstechnik IMVT des KIT für eine der großen technologischen Chancen der Menschheit im Kampf gegen die Klimakrise. „Das könnte den Einsatz fossiler Energieträger schlichtweg überflüssig machen“, glaubt er. Kant leitete die Forschungsarbeiten federführend während seiner Promotion bei Institutsleiter Professor Roland Dittmeyer am IMVT. Sie sind Teil des Helmholtz-Programms „Materials and Technologies for the Energy Transition“.
Kosten für die praktische Nutzung bisher zu hoch
Bei der künstlichen Fotosynthese werden chemische Reaktionen mithilfe von Sonnenlicht durchgeführt. Wie beim natürlichen Vorbild werden Photonen dabei von einem fotokatalytisch aktiven Material so absorbiert, dass ihre Energie direkt eine chemische Reaktion antreibt. „Inzwischen sind unterschiedliche Fotokatalysatoren bekannt. Mit ihnen lässt sich zum Beispiel Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, es lassen sich aber auch klimaneutrale Kraftstoffe aus Wasser und Kohlendioxid herstellen“, sagt Kant. Bislang war die Technologie allerdings vor allem im Labor zu finden, weil die Kosten der Produktion von Wasserstoff mit Solarstrom zu hoch waren.
Einfang von Licht, egal wo die Sonne steht
Ein effizientes Fotoreaktormodul für die praktische Anwendung muss im Wesentlichen zwei Komponenten aufweisen: Zum einen muss ein geeigneter Fotokatalysator zur Verfügung stehen, der die eigentliche chemische Reaktion antreibt. Zum anderen muss ein Fotoreaktor vorhanden sein, also ein „Behältnis“ für den Fotokatalysator sowie die Ausgangsstoffe der chemischen Reaktion, etwa Wasser. „Der Fotoreaktor sollte einfallendes Sonnenlicht idealerweise verlustarm zum Fotokatalysator leiten, egal aus welcher Richtung es einfällt, beziehungsweise egal wo am Himmel die Sonne steht“, so Kant. „Wichtig ist außerdem, dass der Fotoreaktor durch seine Struktur und das verwendete Material optimale Betriebsbedingungen für den Fotokatalysator gewährleistet, etwa die richtige Temperatur oder die passende Intensität bei der Absorption von Licht am Fotokatalysator.“
Im Labor funktioniert das System schon
Das von dem Forschungsteam vorgestellte Fotoreaktorkonzept wird genau dieser doppelten Herausforderung gerecht. Es besteht aus mikrostrukturierten Polymerpaneelen, die für eine hohe Reflektivität mit Aluminium beschichtet werden und ermöglicht sowohl optimale Betriebsbedingungen als auch einen effizienten Transport von Licht zum Fotokatalysator über den gesamten Tagesverlauf. Die Forschenden haben das System mithilfe computergestützter Geometrieoptimierung sowie einem fotokatalytischen Modellsystem entwickelt und konnten es bereits im Labormaßstab demonstrieren.
22 US-Dollar pro Quadratmeter
Auf der Grundlage einer allgemeingültigen Richtlinie, die von den Forschenden auf Basis einer detaillierten Analyse ihres Reaktorkonzepts erarbeitet wurden, können zukünftige Fotoreaktormodule nun für unterschiedliche Einsatzzwecke verhältnismäßig einfach auf maximale Effizienz ausgelegt werden. Ein hoher Wirkungsgrad der chemischen Reaktion ist allerdings nur ein Teil der Lösung, um die künstliche Fotosynthese als eine wirtschaftliche Technologie zu etablieren. Für relevante Produktmengen müssen extrem große Flächen mit Fotoreaktorpaneelen bedeckt werden. „Um die Kosten zu senken verwenden wir kostengünstige Materialien sowie Geometrien, die in etablierten Massenfertigungsverfahren hergestellt werden können“, sagt Kant. Nach ersten Berechnungen schätzen die Forschenden den Preis auf ungefähr 22 US-$/m2 Fotoreaktormodul.
Was für die Spritproduktion noch fehlt
In weiterführenden Arbeiten unter der Federführung von Anselm Dreher wird nun am IMVT in Karlsruhe und in der Arbeitsgruppe um Professor Geoffrey Ozin in Toronto ein geeigneter Fotokatalysator entwickelt, der Wasser effizient in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Der Fotokatalysator wird anschließend in die vorgestellten Fotoreaktoren integriert.
Um Kraftstoff vom Dach fließen zu lassen ist allerdings noch weit mehr nötig. Die Module müssten durch Anlagen ergänzt werden, die CO2 aus der Luft filtern, neben Wasserstoff die zweite Zutat für die Kraftstoffherstellung. Und schließlich müsste es eine Anlage geben, die diese miteinander vereinigt, etwa ein Elektrolyseur, der mit Solarstrom betrieben wird.