Leistungsschau der Windbranche
Aufbruchsstimmung prägte die diesjährige Husum Wind. Deutlich wurden die Innovationskraft und breite Wertschöpfungskette der Branche. Doch gibt es auch noch Hemmnisse.
Im Vergleich zu anderen, meist großstädtischen Messen sticht die Husum Wind als Branchenleitmesse für den deutschen Markt schon heraus. Seit mittlerweile über 30 Jahren treffen sich Branchenvertreterinnen und -vertreter aus der ganzen Welt in der beschaulichen Hafenstadt an der Nordsee. Bis heute präsentieren sich die meisten Unternehmen in modernen Messezelten; in Sichtweite des Messevorplatzes ein Bauernhof, am Horizont Windräder.
Der „Spirit“ von Husum lockte dieses Jahr gut 12 000 Fachbesucherinnen und -besucher aus 51 Ländern zur viertägigen Messe, die am vergangenen Freitag ihre Tore schloss. Rund 600 Aussteller zeigten ihre neuesten Produkte und Services rund um das Messeleitthema „Transforming Energy“. Denn längst geht es nicht mehr nur um Windrotoren und -getriebe, sondern auch um Sektorenkopplung, Künstliche Intelligenz, IT-Sicherheit, Blockchain, grünen Wasserstoff und Fachkräftegewinnung.
Hochrangige Politikpräsenz – Heimspiel für Robert Habeck
Die Relevanz der Windkraft als tragende Säule der Energiewende und als Jobmotor spiegelt auch die hochrangige Politikpräsenz auf der Messe. Neben dem Schirmherren Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kamen unter anderem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther und Energiewendeminister Tobias Goldschmidt, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sowie Reinhard Meyer, der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern.
Nicht nur für Habeck war es ein Heimspiel, das er sichtlich genoss. Die Bundesregierung habe einen „hervorragenden Trainingsplan“ für die Energiewende vorgelegt, nun gehe es los, unterstrich Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie e. V. (BWE). Die Branche packe mit „großem Optimismus“ an und wolle die „klaren politischen Ziele“ erreichen. Auch Lies und Goldschmidt lobten den energiepolitischen Kurs der Bundesregierung, brachen eine Lanze für die Chancen der Windkraft und unterstrichen die bundesweite Bedeutung der Küstenländer für die Energiewende.
Regionen profitieren von Windkraft – verstärkte Investitionen nötig
Die Region profitiert von der Windkraft und erneuerbarem Strom, nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch in punkto Industrieansiedlungen, so die Botschaft. Verwiesen wurde unter anderem auf die geplante Ansiedlung der Batteriefertigung des schwedischen Konzerns Northvolt in Heide (Schleswig-Holstein). Nötig sei jedoch auch eine Reform der Netzentgelte, um erneuerbaren Strom in Regionen mit hoher Erzeugung günstiger zu machen.
Gleichzeitig seien verstärkte Investitionen in die Hafeninfrastruktur und die deutschen Werften nötig, so zum Bau von Konverterplattformen für Windkraft auf See, betonte Lies. Diese sammeln die Energie von Offshore-Windparks und schicken sie als Gleichstrom gebündelt ans Festland. Doch in Deutschland werden sie seit Jahren nicht mehr gebaut. Cádiz (Spanien) ist der einzige verbliebene Standort in Europa für Anlagen der neuesten Generation.
Künftig Konverterplattformen aus Rostock und Bremerhaven?
Maßnahmen zur Absicherung und Stärkung von Investitionen in der Lieferkette und benötigte Infrastrukturen, forderte auch Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Power Systems. Zudem verwies er auf die steigenden Preise für Windturbinen, Inflation und hohen Zinsen, von denen vor allem die Offshore-Windkraft betroffen sei. Es gelte der Branche nun die Schultern zu stärken, um die industrielle Wertschöpfung in Europa zu halten und der internationalen Konkurrenz, vor allem aus China, gewachsen zu sein. Zudem gehe es auch um die Sicherung einer resilienten europäischen Energieversorgung.
Habeck griff den Ball auf: Als deutsche Standorte für die Produktion von Konverterplattformen für Offshore-Windparks sieht er künftig Rostock und Bremerhaven. Zudem versprach er der Branche Überbrückungshilfen. Er verwies darauf, dass ein europäischer Rechtsrahmen für Beihilfepakete auf den Weg gebracht worden ist, davon profitiere auch die Windindustrie. Mit der „Bundesregelung Transformationstechnologien“ können Bund und Länder künftig bis zum 31. Dezember 2025 Förderprogramme erlassen sowie einzelne Projekte fördern, ohne eine gesonderte beihilferechtliche Genehmigung bei der EU einholen zu müssen.
Nadelöhr Genehmigungen für Schwertransporte
Projektierer wie Statkraft, BayWa r.e. und EnBW verwiesen auf der Messe vor allem auf das Nadelöhr der langen Genehmigungszeiten für Schwertransporte, eine überforderte und nicht digitalisierte Autobahn GmbH des Bundes, den Föderalismus-Wirrwarr und auf den häufig maroden Zustand von Brücken und Straßen. Marie-Luise Pörtner, Geschäftsführerin Wind bei BayWa r.e., sieht darin mit einen wesentlichen Grund, warum die jüngste EEG-Ausschreibungsrunde für Windkraft an Land stark unterzeichnet war. Denn Unternehmen könnten häufig beaufschlagte Projekte nicht innerhalb der geforderten Fristen umsetzen. Michael Class von EnBW verwies darauf, dass derzeit bundesweit bis zu 20 000 Anträge für den Transport von Windkraft-Komponenten bei der Autobahn GmbH auf Genehmigung warten.
Auch der Windkraftanlagenbauer Nordex sieht das Nadelöhr für ein Hochskalieren der Produktion stärker bei Transportproblemen und im Fachkräftemangel und weniger bei Knappheiten bei Komponenten, so Pressesprecher Felix Losada. Das Unternehmen zeigte in Husum unter anderem seine neueste Generation von Windturbinen mit einer Leistung von 6,8 MW.
Modulare Windkraftgetriebe
Deutlich wurde in Husum, wie breit und vielfältig die Wertschöpfungskette der Windkraft ist, sei es im Maschinenbau, im IT- oder Servicebereich und wie viel Innovationskraft in der Branche steckt. So zeigte ZF modulare Lösungen für Windkraftgetriebe. Die neue Windgetriebegeneration kann bei gleichbleibenden Dimensionen des Maschinenhauses deutlich gesteigerte Drehmomentanforderungen erfüllen. Mithilfe einer integrierten intelligenten Performance-Lösung können die Getriebe zudem automatisch Möglichkeiten erfassen, wie die Stromerzeugung optimiert werden kann. So wird die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht. KS Gleitlager, ein Tochterunternehmen von Rheinmetall und Zulieferer von ZF, präsentierte sich ebenfalls in Husum.
Skalierbare Steuerungslösungen
Welchen Beitrag hoch skalierbare Steuerungslösungen für Hersteller und Betreiber von Windenergie-, Solar- und Wasserstoffanlagen leisten können, zeigte der Automatisierungsspezialist Beckhoff. Präsentiert wurden die Highlights der PC- und EtherCAT-basierten Steuerungstechnik. Im Mittelpunkt stehen das MX-System für die schaltschranklose Automatisierung, das TwinCAT Wind Framework sowie das systemintegrierte Condition Monitoring: Betriebsführung, Windparkvernetzung und Big-Data-Handling, alles ist auf einer Plattform integriert. Vorgestellt wurden auch systemintegrierten Lösungen für den Explosionsschutz von Wasserstoff-Applikationen.
Vielfältige Servicedienstleistungen
Service und Wartung, Großkomponententausch und -instandsetzung, Rotorblatt- und Turmservices, elektrische und mechanische Montage, Elektrotechnik, Qualifizierung und Training sowie Hinderniskennzeichnung für Onshore und Offshore bietet Robur Wind an. Das Tochterunternehmen der Robur-Industry-Gruppe präsentierte sich ebenfalls auf der Messe.
Auch in Husum mit dabei war DNV als Experte für Risikomanagement und Sicherheit. Das international aufgestellte Unternehmen mit Hauptsitz in Norwegen, bietet im Windkraft- und Energiebereich Beratungs-, Überwachungs-, Verifizierungs- und Zertifizierungsdienstleistungen an. Auf robotische Inspektionen und Wartungen von Windkraftanlagen ist das lettische Unternehmen Aerones spezialisiert, das ebenfalls auf der Messe ausstellte.
Hybridprojekte und Repowering im Kommen
Stark auf Hybridanlagen, also die Kombination von Wind- und Solarparks sowie Batterie- und Wasserstoffprojekte, setzt Abo Wind. Im kanadischen Neufundland sicherte sich das Wiesbadener Unternehmen jüngst Flächen für ein Wind- und Wasserstoffprojekt mit 5 GW. Stark im Wind-, Solar, Batterie- und Wasserstoffbereich ist auch Statkraft. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Norwegen möchte in Emden eine 10-MW-Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff realisieren. Ein hohes Potenzial beim Windkraftausbau in Deutschland sieht Statkraft beim Repowering von Anlagen, wie Claus Urbanke, Vice President Wind, Solar & Storage Development bei Statkraft, unterstrich.