Marokkanischer Strom für Großbritannien
Per Hochspannungs-Gleichstromübertragung werden die beiden Länder per Seekabel miteinander verbunden. So decken die Briten künftig acht Prozent ihres Strombedarfs.
In wenigen Jahren wird Großbritannien rund 8 % seines Stroms aus Marokko beziehen. In der Provinz Guelmim Oued Noun im Süden des nordafrikanischen Landes werden auf einer Fläche von 1 500 km2 Photovoltaik-Anlagen und Windgeneratoren installiert, die eine Spitzenleistung von 10,5 GW haben. Die Solaranlagen allein beanspruchen eine Fläche von 200 km2. Die Ausbeute an Solarstrom ist wegen der hohen Sonneneinstrahlung dort pro Flächeneinheit etwa doppelt so groß wie in Mitteleuropa und liegt noch um 20 % höher als in sonnenverwöhnten Regionen Spaniens.
Batterien speichern 20 Gigawattstunden
Ein Teil des Stroms wird in einer gewaltigen Batterieanlage gespeichert. Sie kann 20 GWh aufnehmen und dient dazu, Stromausfälle durch Flauten, die an der Westküste Nordafrikas allerdings selten sind, und Dunkelheit zu überbrücken. Vorgesehen ist eine Stromlieferung von 3,5 GW an mehr als 20 Stunden pro Tag. In den verbrauchsarmen Nachtstunden soll außer in Ausnahmefällen kein Strom aus Marokko geliefert werden.
Platz genug für Wind- und Solarkraftwerke in Deutschland
Neues Kernkraftwerk liefert weniger
Diese Leistung liegt leicht über der von zwei neuen Kernkraftwerksblöcken, die im britischen Hinkley Point gebaut werden. Sie kommen auf zusammen 3,26 GW. Die Inbetriebnahme soll nach derzeitiger Schätzung 2026 beginnen. Die Baukosten in Höhe von 26 Mrd. € entsprechen denen für das Morocco-UK Power Project, wie das ehrgeizige Vorhaben genannt wird.
Das Seekabel ist 3 800 Kilometer lang
Der grüne Strom aus Marokko wird mit einem Unterwasserkabel nach Großbritannien transportiert. Dazu wird der erzeugte Strom zunächst in Gleichstrom mit hoher Spannung umgewandelt. Denkbar sind 600 000 bis 1 000 000 V – die endgültige Entscheidung steht noch aus. Bei Entfernungen von mehr als 750 km sind die Verluste bei der Hochspannungs-Gleichstromübertragung geringer als bei der Übertragung von Drehstrom. Mit einer Länge von 3 800 km erfüllt das Kabel zwischen Marokko und Großbritannien diese Anforderung bei weitem. Am Ziel in der Grafschaft Devon im Südwesten Englands wird der Strom zurückverwandelt, sodass er in das Hochspannungsnetz eingespeist werden kann.
Schon mehr als 50 Prozent Ökostrom
Seit 2019 erzeugt Großbritannien seinen Strom zu mehr als 50 % ohne Emissionen von Kohlenstoffdioxid. Allerdings kämpft das Land mit zwei Problemen. Die Zeiten, in denen die Solarkraftwerke des Landes Strom produzieren, werden immer kürzer, je näher der Winter kommt. Und es gibt Flauten, was die Briten viel härter trifft. Denn Windstrom ist nach Kernkraft der wichtigste Einspeiser ins Netz. Ähnlich wie in Deutschland reichen die Speicher, in denen Überschussstrom abgepuffert werden kann, bei weitem nicht aus. Marokkos Sonne scheint dagegen auch im Winter noch länger als zehn Stunden pro Tag.
Nachbarn profitieren von deutschem Ökostrom
Weltgrößtes Solarwärmekraftwerk
Marokko hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem international führenden Nutzer erneuerbarer Energien entwickelt. Das Land war einer der Vorreiter bei großen innovativen Projekten wie dem Noor Ouarzazate Complex, der das mit einer Leistung von derzeit 510 MW weltweit größte Solarwärmekraftwerk beherbergt. Es wurde teilweise über die KfW-Bankengruppe in Frankfurt von Deutschland finanziert. Darüber hinaus hat das Land einen soliden Rechtsrahmen geschaffen, um Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu fördern.
Großbritanniens Stromkontakte zum Festland
Großbritannien ist bereits durch ein 1,4-GW-Unterseekabel mit Norwegen verbunden, das zu 100 % Strom aus Wasserkraft liefert. Ein ebenso leistungsfähiges Kabel soll künftig die Umspannwerke Isle of Grain im Südosten Großbritanniens und Fedderwarden in Wilhelmshaven verbinden, das überschüssigen Windstrom nach Großbritannien liefern könnte. Das Vereinigte Königreich kann zudem Strom mit Frankreich, Belgien und den Niederlanden austauschen.
Wie der dichtbesiedelte Stadtstaat Singapur künftig gut 20 % seines Strombedarfs mit Wind- und Solarkraft decken wird, lesen Sie in der kommenden Woche.