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Flächenpooling im Windenergieausbau 28.02.2025, 12:30 Uhr

Mehr Akzeptanz und Geschwindigkeit beim Windanlagenausbau

Der Windenergieausbau nimmt Fahrt auf. Damit die ambitionierten Klimaziele erreicht werden, muss der Ausbau jedoch noch deutlich schneller erfolgen, wie sich zum Beispiel in Baden-Württemberg zeigt. Kann Flächenpooling zu einer solchen Beschleunigung beitragen?

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Beim Ausbau von Windenergie spielt auch die Akzeptanz in der Bevölkerung eine wichtige Rolle.

Foto: PantherMedia / broker

Im vergangenen Jahr wurden in Baden-Württemberg 22 neue Windenergieanlagen errichtet, während drei alte Anlagen stillgelegt wurden. Insgesamt stehen im Land nun 778 Windräder mit einer Leistung von rund 1.800 MW. Um jedoch die angestrebten 3.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 12.000 MWh bis zum Jahr 2040 zu erreichen, bedarf es nach Einschätzung der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) einer erheblichen Beschleunigung des Ausbaus. Jährlich müssten mehr als 100 moderne Windkraftanlagen entstehen, um die erforderliche Zusatzleistung von über 600 MW sicherzustellen.

Hindernis Eigentümerstruktur

Ein zentrales Hindernis für den zügigen Ausbau ist die fragmentierte Eigentumsstruktur in den Windenergievorranggebieten des Landes. In vielen dieser Gebiete gibt es bis zu 200 unterschiedliche Flächeneigentümer, die sich oft in ihrer Haltung zur Nutzung ihres Grundstücks für Windenergieanlagen unterscheiden. Für Projektentwickler bedeutet dies einen hohen Aufwand, da sie sich mit einer Vielzahl von Eigentümern einigen müssen, um die nötige Fläche zu sichern. In der Praxis konzentrieren sich viele Unternehmen daher auf wenige große Grundstücke, um die Verhandlungen zu vereinfachen. Dieses Vorgehen führt jedoch oft dazu, dass nicht alle erforderlichen Unterschriften für ein Windenergieprojekt gesammelt werden können. Das kann zur Folge haben, dass Vorranggebiete entweder gar nicht, verspätet oder nur teilweise bebaut werden. Zudem entsteht dabei ein Verteilungsproblem, denn nur die Eigentümer der genutzten Flächen profitieren finanziell von den Pachterlösen, während andere, die sich ebenfalls im direkten Umfeld der Anlagen befinden, leer ausgehen. Dieses Ungleichgewicht kann soziale Spannungen hervorrufen und die Akzeptanz von Windenergieprojekten in der Bevölkerung verringern.

Flächenpooling vereinfacht Planung

Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, bietet das Konzept des kommunalen Flächenpoolings. Hierbei werden Grundstücke verschiedener Eigentümer zu einer gemeinsamen Nutzungsfläche zusammengelegt. Das ermöglicht eine effizientere Planung und stellt sicher, dass alle beteiligten Eigentümer gerecht an den Pachterlösen beteiligt werden, unabhängig davon, ob sich eine Windenergieanlage direkt auf ihrem Grundstück befindet oder nicht. Die Verwaltung des Flächenpoolings übernimmt in der Regel die Kommune, die mit den beteiligten Eigentümern wichtige Kriterien wie Pachtzahlungen und Mindestabstände zu Wohngebieten festlegt. Durch diese koordinierte Herangehensweise erhöht sich die Akzeptanz für Windenergieprojekte erheblich, da niemand befürchten muss, leer auszugehen.

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Neben der fairen Verteilung der Pachterlöse ermöglicht das Flächenpooling den Kommunen, eine aktivere Rolle in der Steuerung der Projekte zu übernehmen. Sie können so Einfluss auf die Ausgestaltung der Vorhaben nehmen und beispielsweise Vorgaben zu Mindestabständen und weiteren Schutzmaßnahmen machen. In Fällen, in denen Projektentwickler direkt mit einzelnen Flächeneigentümern Pachtverträge abschließen, bleibt die Kommune hingegen weitgehend außen vor. Dies kann dazu führen, dass lokale Interessen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Mit dem Flächenpooling erhalten Kommunen dagegen ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass der Windenergieausbau im Einklang mit den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gestaltet wird.

Um Kommunen bei der Umsetzung dieses Modells zu unterstützen, hat die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) drei praxisnahe Publikationen veröffentlicht. Der „Leitfaden Kommunales Flächenpooling“ enthält detaillierte Informationen zu den Vorteilen und beschreibt Schritt für Schritt, wie ein solcher Poolingprozess erfolgreich durchgeführt werden kann. Ergänzend dazu bietet das „Factsheet Kommunales Flächenpooling“ eine kompakte Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte und Abläufe. In der dritten Publikation, den „FAQ Flächenpooling“, werden zentrale organisatorische, rechtliche und wirtschaftliche Fragen beantwortet. Alle diese Materialien stehen kostenlos zum Download bereit und sollen Kommunen dabei helfen, die Chancen des Flächenpoolings bestmöglich zu nutzen.

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Widerstände gegen Windanlagen abbauen

Nicht nur auf Landesebene, sondern auch bundesweit rückt das Thema Flächenpooling immer stärker in den Fokus. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft widmet sich diesem Ansatz intensiv und veranstaltet regelmäßig Fachkonferenzen, um den Austausch über bewährte Modelle und Strategien zu fördern. Bei einer Tagung im Oktober 2024 stand unter anderem die Frage im Mittelpunkt, wie Flächenpooling dazu beitragen kann, den Ausbau erneuerbarer Energien effizienter und fairer zu gestalten. Experten betonten dabei, dass dieses Modell nicht nur die Projektrealisierung beschleunigt, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz erhöht. Transparente und gerechte Beteiligungsmodelle gelten als entscheidender Faktor, um mögliche Widerstände in der Bevölkerung abzubauen.

Das kommunale Flächenpooling stellt somit ein wirkungsvolles Instrument dar, um den Windenergieausbau in Baden-Württemberg voranzutreiben und zugleich die Interessen aller Beteiligten in Einklang zu bringen. Durch eine gerechte Verteilung der Pachterlöse und eine koordinierte Steuerung der Projekte können Kommunen dafür sorgen, dass die Energiewende nicht nur effizient, sondern auch sozialverträglich umgesetzt wird. Die Unterstützung durch Institutionen wie die KEA-BW sowie die Anerkennung auf Bundesebene zeigen, dass diesem Modell eine zentrale Rolle bei der künftigen Gestaltung der Energiewende zukommt. Eine enge Zusammenarbeit von Kommunen, Flächeneigentümern und Projektentwicklern kann hier zu einer erfolgreichen Umsetzung beitragen.

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Elke von Rekowski