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Klimaschutzverträge 28.03.2024, 10:00 Uhr

Milliarden für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft

Es wird ernst: Die Ausschreibung für das Förderprogramm „Klimaschutzverträge“ hat begonnen. Die Bundesregierung unterstützt so den klimafreundlichen Umbau energieintensiver Unternehmen. Der VDI hält dies für sinnvoll, denn die Klimaschutzverträge stärken die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen und schonen gleichzeitig das Klima. Mittelfristig wird dies die Produktionskosten der Unternehmen senken und ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Und: dann müssen sie das Fördergeld zurückzahlen.

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Klimaschutzverträge können dazu beitragen, dass chemische Anlagen klimafreundlicher betrieben werden.

Foto: PantherMedia/06photo

Keine Frage: Wollen Unternehmen klimaneutral produzieren, müssen sie meist viel Geld in die Hand nehmen. Investitionen in klimafreundliche Verfahren rechnen sich aber selten sofort. Das weiß auch Bundeswirtschafts- und -klimaschutzminister Robert Habeck. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bietet daher „CO2-Differenzverträge“ an. Die Idee dieser „Carbon Contracts for Difference“, kurz Klimaschutzverträge, lautet, Investitionslücken zwischen sauberen und klimaschädlichen Verfahren zu schließen. „Mit den Klimaschutzverträgen läuten wir die Transformation des Industriestandorts Deutschland auch in der Breite ein“, betonte Habeck bei der Vorstellung des Programms im Juni 2023 in Berlin.

Bewerben können sich Unternehmen für diese Verträge seit dem 12. März 2024. In der Zwischenzeit hatte die EU-Kommission geprüft, ob das Förderprogramm Klimaschutzverträge mit dem Beihilferecht der EU kompatibel ist. Deren Antworte lautete am 16. Februar 2024: ja. Deutschland ist hiermit der erste Mitgliedsstaat der EU, der dieses neue und innovative Instrument in umfassender Form für energieintensive Unternehmen an den Start bringt.

Ein Investitionsdilemma

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hält diese Klimaschutz-Differenzverträge für sinnvoll. Sie geben Unternehmen einen Anreiz, in klimafreundliche Verfahren zu investieren – auch wenn es sich jetzt betriebswirtschaftlich nicht lohnt. „In alten, abgeschriebenen Anlagen auf Basis fossiler Energieträger zu produzieren, ist natürlich preiswerter, als in neue klimaverträglichere Produktionsverfahren zu investieren“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke. Der Vorsitzende des Interdisziplinären Gremiums Klimaschutz und Energiewende (IGKE) des VDI nennt hierfür Gründe: Durch fossile Energieträger verursachte Umweltschäden werden nicht eingepreist, neue Anlagen müssten ihre Investitionskosten erwirtschaften und die für ihren Betrieb benötigten klimaneutralen Energieträger – insbesondere umweltverträglich hergestellter Wasserstoff – sowie die dafür benötigten Infrastrukturen seien zumindest anfänglich zu kostspielig. Doch mit den Klimaschutzverträgen kann die Bundesregierung die Mehrkosten für die umweltfreundlichen Technologien sowie die Mehrkosten der für den Betrieb erforderlichen Energieträger gegenüber den fossilen Energieträgern durch den Bund ausgleichen.

Auch Stahlträger wie hier für ein Geschäftshaus können dank Klimaschutzverträgen künftig klimafreundlicher als bisher hergestellt werden.

Foto: PantherMedia/photojimdp

Klimaschutzverträge im Detail

Klimaschutzverträge sollen moderne, klimafreundliche Produktionsverfahren in energieintensiven Unternehmen wie der Papier-, Glas-, Stahl- und Chemieindustrie anstoßen. Ihr Charme sei, so Minister Habeck, dass sie sehr kosteneffizient seien. Mit ihnen ist für ihn sogar ein Dreisprung möglich: Sie können die Klimaneutralität voranbringen, die Produktion energieintensiver Industrien in Deutschland halten und Technologiesprünge möglich machen.

Dazu sollen die Differenzverträge die Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Verfahren bis zu 15 Jahren ausgleichen. Für das Förderprogramm will die Bundesregierung einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag zur Verfügung stellen. Das Fördervolumen in dem aktuellen Gebotsverfahren beträgt bis zu 4 Mrd. €. Allerdings können hier nur jene Unternehmen teilnehmen, die bereits im Sommer 2023 eine vorbereitendes Verfahren erfolgreich durchlaufen haben. Nach dieser ersten Gebotsrunde folgen weitere. Im Herbst 2024 folgt eine zweite, 2025 soll es zwei weitere Auktionsrunden geben.

Unternehmen, die sich um einen Klimaschutzvertrag bewerben, müssen einen „fiktiven“ CO2-Preis nennen. Das ist jener CO2-Preis, der es ihnen ermöglichen würde, so klimafreundlich zu produzieren, dass sie gegenüber Wettbewerbern, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, bestehen zu können. Ein mögliches Beispiel: Ein Stahlhersteller, der auf grünen Wasserstoff umstellt, könnte dies wirtschaftlich tun, würde der CO2-Preis 300 €/t betragen. Das bedeutet, dass bei einem aktuellen CO2-Preis von 50 €/t für jede so vermiedene Tonne CO2-Emission 250 € an staatlicher Förderung erforderlich wären. Steigt der CO2-Preis, passt sich die Fördersumme entsprechend an.

Der Mittelstand ist mit dabei

Das BMWK betont, es geht in der ersten Runde nicht nur um industrielle Schwergewichte in Deutschland, sondern auch um eine breite Beteiligung des Mittelstands. Im ersten Gebotsverfahren sind Projekte mit einer Fördersumme von mehr als 1 Mrd. € ausgeschlossen, um auch kleineren Anlagen mit mindestens 10 kt CO2-Emissionen pro Jahr eine Chance zu geben. Der industrielle Mittelstand kann durch diese Klimaschutzverträge also nicht nur mittelbar etwa durch Aufträge im Anlagenbau profitieren, sondern auch dadurch, dass die Kosten für ihre eigenen klimafreundlichen Anlagen sinken.

Die Unternehmen haben vier Monate Zeit Gebote abzugeben. Der Zuschlag wird voraussichtlich zwei Monate später an jene Unternehmen erteilt, die die geringsten Gebote abgegeben haben.

Klimaschutzverträge können in Unternehmen den Umstieg auf den Energieträger Wasserstoff unterstützen.

Foto: PantherMedia/aa-w

Blick auf die zweite Runde der Klimaschutzverträge

Das BMWK ermutigt jetzt bereits alle Unternehmen, die große, klimafreundliche Industrieanlagen betreiben wollen, sich für die im Sommer startende zweite Runde zu bewerben. Unternehmen werden vier Monate Zeit haben, um ein Gebot abzugeben. Nach Ablauf der Gebotsphase wird der Zuschlag innerhalb von etwa zwei Monaten erteilt.

Das Ministerium hofft, auf diese Weise bis 2045 rund 350 Mio. t an CO2-Äquivalenten vermeiden zu können. Dies würde bis zu 20 Mio. t eingesparten Treibhausgas-Emissionen pro Jahr entsprechen – etwa ein Sechstel des Sektorziels von 118 Mio. t für die Industrie für das Jahr 2030.

Transformation der Wirtschaft beschleunigen

Das Förderprogramm Klimaschutzverträge kostet den Steuerzahlenden erst einmal viel Geld. Doch das werde sich ändern, meint VDI-Fachmann Bradke. Er erwartet, dass die Kosten für fossile Energieträger und auch die für Emissionszertifikate künftig steigen und dass die Kosten für klimafreundliche Energieträger durch technischen Fortschritt und größere Stückzahlen günstiger werden. In beiden Fällen sinken die Differenzkosten der klimaneutralen gegenüber den konventionellen Verfahren.

„Und werden die Differenzkosten negativ, zahlen die Unternehmen die erhaltene Unterstützung an den Staat zurück“, so Bradke. Gegenüber den Unternehmen, die weiterhin alte Techniken und fossile Energieträger einsetzen, sieht er dann einen Wettbewerbsvorteil, da sie dann auch preiswerter produzieren können.

Offshore-Windparks wie hier in der Ostsee helfen, erneuerbare Energie für die Transformation der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.

Foto: PantherMedia/esuslo

Die Klimaschutzverträge können daher aus Sicht des VDI gemeinsam mit dem Emissionszertifikatehandel und den vorgesehenen Grenzausgleichsabgaben der EU helfen, den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz zu beschleunigen und gleichzeitig hochmoderne und effiziente Technologien zu installieren, die die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der deutschen Wirtschaft erhöhen und so hierzulande Arbeitsplätze und Wohlstand sichern bei gleichzeitigem Klimaschutz.

Von Jochen Theloke

Dr.-Ing.Jochen Thelokeist Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt (VDI-GEU)
theloke@vdi.de