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Readiness Index Energy Transition 11.12.2023, 16:30 Uhr

Nadelöhr Flexibilisierung

Um die Stromnetze künftig stabil zu halten, muss die volatile Erzeugung aus Windkraft- und PV-Anlagen verstärkt mit dem aktuellen Energiebedarf ausbalanciert werden. Hierzu braucht es deutlich mehr Investitionen in Flexibilitätsressourcen wie Stromspeicher. Nicht nur Deutschland hinkt hier hinterher.

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Die Energiewende stellt das bisherige zentrale Versorgungssystem durch wenige zentrale fossile und nukleare Kraftwerke auf den Kopf und erfordert mehr Investitionen in nachfrageseitige Flexibilität. Grafik: PantherMedia/ricochet69

Eine aktuelle Studie zeigt mit der „Flexibilitätslücke“ eine der wichtigsten Herausforderungen auf, vor denen große europäische Volkswirtschaften stehen, um die Nachhaltigkeitsziele für 2030 zu erreichen. Regierungen müssen darauf mit politischen Maßnahmen reagieren, die faire, transparente und leicht zugängliche Märkte schaffen, um private Investitionen in nachfrageseitige Flexibilität zu fördern.

Bedingt durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle- und Gaserzeugung müssen Netzbetreiber die volatile erneuerbare Erzeugung aus Windkraft- und Solaranlagen stets mit dem aktuellen Bedarf eines Landes in Einklang bringen. Flexibilität ist daher für die Stabilität von Netzen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien unerlässlich. Der einzige Weg, um ein ausreichend hohes Maß an Flexibilität zu erreichen, ist die gezielte Förderung von Flexibilitätsressourcen wie Stromspeichern auf der Nachfrageseite. Frei zugängliche Märkte für Flexibilität sind eine entscheidende Voraussetzung für die Förderung solcher Investitionen.

Index misst die Flexibilitätslücke

Die Flexibilitätslücke wird im Readiness Index Energy Transition 2023 (ETRI) untersucht, der von der Association for Renewable Energy and Clean Technology (REA) herausgegeben wird. Co-Sponsoren sind in diesem Jahr das Energiemanagementunternehmen Eaton und die Foresight Group, ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Infrastruktur- und Private-Equity-Investmentmanager.

Die Studie, auf der der Index basiert, vergleicht die Bereitschaft von 14 europäischen Elektrizitätsmärkten, die Wende weg von fossilen Brennstoffen zu vollziehen. Unter anderem wird die Lücke zwischen der für 2030 angepeilten erneuerbaren Erzeugung und den entsprechenden Flexibilitätsressourcen, die dann nötig wären, untersucht.

Norwegen, Finnland und Schweden vorne

Demnach stehen Deutschland und das Vereinigte Königreich bis 2030 vor der größten Flexibilitätslücke, aber auch Dänemark, Griechenland, Irland, die Niederlande und Spanien sind betroffen. Nur Norwegen, Finnland und Schweden dürften die Lücke problemlos schließen können. In diesen Ländern ist die Flexibilitätslücke kleiner, da sie über Zugang zu großen Wasserkraftressourcen und bereits etablierten Flexibilitätsmärkten verfügen.

Frankreich und Italien weisen zwar eine geringere Lücke auf als einige Nachbarländer, müssen aber dennoch mehr tun, um die bis 2030 erforderlichen Investitionen in Flexibilität anzuziehen. In der Schweiz ist die Lücke dank des hohen Anteils an flexibler Wasserkraft relativ gering, aber die regionale Governance-Struktur führt zu einer schlechten Koordination der politischen Maßnahmen, um die gesamte benötigte Flexibilität zu erreichen. Polen befindet sich erst in der Anfangsphase der Energiewende und hat ehrgeizige Ziele, steht aber vor der Herausforderung, die notwendigen Investitionen zu finanzieren, um den Netzzugang für Flexibilitätsanbieter zu verbessern.

Deutschland mit verbesserter Investorenattraktivität

Die detaillierte Studie enthält auch gute Nachrichten für Europa: Der Index umfasst Teilrankings für die sozioökonomischen und technologischen Faktoren, die Investitionen in die Energiewende fördern oder behindern. Eine stärkere Förderung von Grundlagentechnologien wie der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und der Einführung intelligenter Stromzähler sind Möglichkeiten, wie Länder die Flexibilität steigern und damit zur Schließung der Flexibilitätslücke beitragen können. Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Länder diese Chancen ergreifen.

Deutschland und das Vereinigte Königreich haben, seitdem die Studie zum ETRI 2019 erstmalig durchgeführt wurde, die größten Fortschritte im Bereich „Investorenattraktivität“ erzielt. Dies zeigt, dass beide Länder das Potenzial haben, um Investitionen in die Energiewende anzuziehen, die Flexibilitätslücke zu schließen und grüne Stromnetze zu realisieren.

Häufig lange Amortisationszeiten

Dirk Kaisers, Segment Leader Distributed Energy Management EMEA bei Eaton, kommentiert: „Der Enthusiasmus der Unternehmen für die Energiewende wächst, angetrieben von der Sorge um Kohlendioxidemissionen, Energiesicherheit und Preisvolatilität. Die Regierungen müssen darauf mit einer Politik reagieren, die faire, transparente und leicht zugängliche Märkte schafft, um private Investitionen in nachfrageseitige Flexibilität anzuziehen und die Energiewende für alle zugänglich und bezahlbar zu machen. Stabilität und Vorhersehbarkeit werden das Vertrauen der Investoren auch in solche Projekte stärken, die oft recht lange Amortisationszeiten haben können“.

Ermutigende Fortschritte

Chris Tanner, Partner bei der Foresight Group und Vorsitzender des REA-Finanzforums, sagt: „Es ist ermutigend, die Fortschritte zu sehen, die in verschiedenen europäischen Ländern sowohl beim Ausbau der erneuerbaren Energien als auch bei den damit verbundenen Flexibilitätsanforderungen zu beobachten sind. Diese Verbesserungen unterstreichen, dass das Vereinigte Königreich und Europa insgesamt mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen das Potenzial haben, erhebliche Investitionen in die Energiewende anzuziehen. Dies wiederum versetzt sie in die Lage, die Flexibilitätslücke zu schließen und bis 2030 erfolgreich Netze mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien aufzubauen, was einen vielversprechenden Weg in die Zukunft der nachhaltigen Energie aufzeigt.“

Weitere Maßnahmen erforderlich

Frank Gordon, Director of Policy bei REA, ergänzt: „Es ist erfreulich, dass alle im ETRI 2023 bewerteten Länder ehrgeizige Ziele zur CO2-Reduktion verfolgen. Wir brauchen jetzt deutliche Maßnahmen, um die Hindernisse zu beseitigen, mit denen unsere Branche im Vereinigten Königreich und in Europa konfrontiert ist: eine angemessene langfristige Planung, die Priorisierung und Beschleunigung von Marktreformen und die umgehende Beseitigung derzeitiger Investitionshindernisse – all dies ist dringend erforderlich, um uns auf den richtigen Weg zu bringen.“

 

Von Hans-Christoph Neidlein