Perowskit-Solarzellen: Endlich Wirkungsgrad-Hürde genommen
Schweizer Forscher haben mit Tandemzellen auf der Basis von Materialien mit Perowskit-Struktur und Silizium die leistungsfähigsten Fotovoltaik-Module der Welt entwickelt. Letztes Problem, das es zu lösen gilt, ist die Lebensdauer.
Aus den Forschungslabors, in denen reine Perowskit- sowie Perowskit-Silizium-Tandemzellen entwickelt werden, dringen immer mehr Erfolgsmeldungen in die Öffentlichkeit. CSEM, einem Schweizer Forschungs- und Entwicklungszentrum in Neuenburg (Neuchâtel), das in den Bereichen Mikrofertigung, Digitalisierung und erneuerbare Energien tätig ist, und dem Photovoltaik-Labor der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne am gleichen Standort ist erstmals der Sprung über die Wirkungsgradgrenze von 30 Prozent gelungen. „Wir haben eine psychologische Hürde genommen“, freut sich Christophe Ballif, Direktor des Photovoltaik-Labors und des CSEM-Zentrums für nachhaltige Energie. Das eröffne neue Potenziale für die Energiewende. Bisheriger Rekordhalter war das Berliner Helmholtz-Zentrum, das 28,7 Prozent schaffte.
Hochleistungszellen für die Raumfahrt
Die Marke 30 Prozent wurde zwar schon erreicht, allerdings mit so teuren Materialien (III-IV-Halbleitern), dass sie für die irdische Stromerzeugung nicht taugen, außer für Konzentrator-Solarzellen, sodass sie fast ausschließlich bei Weltraummissionen eingesetzt werden. Sie sind 1000 Mal so teuer wie Silizium-Solarzellen, die wiederum erheblich teurer sind als die auf Perowskit-Basis.
Perowskit-Doppel aus Karlsruhe
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es einem Team um Ulrich W. Paetzold, Professor am Institut für Mikrostrukturtechnik und am Lichttechnischen Institut gelungen, ein anderes Problem zu lösen. Die Forscher bauen Tandemzellen aus zwei verschiedenen Materialien mit Perowskit-Struktur, die unterschiedliche Frequenzen des Lichts absorbieren und in Strom umwandeln.
Der Wirkungsgrad ist zwar mit 23,5 Prozent bei weitem geringer als der der Schweizer Konkurrenz. Doch den KIT-Forschern ist ein anderer entscheidender Schritt gelungen. Sie konnten die nutzbare Fläche, die bei den ersten Prototypen bei 0,1 Quadratzentimetern lag, auf 12,25 Quadratzentimeter vergrößern, ohne dass der Wirkungsgrad entscheidend einbrach, was bei diesem Schritt in vielen Fällen die praktische Anwendung entscheidend behindert. Auch die Schweizer müssen noch den Beweis erbringen, dass ihre Verfahrenstechnik skalierbar ist.
Im Tandem wirkungsvoller
Im Wettstreit um immer höhere Wirkungsgrade haben Wissenschaftler der Siliziumzelle eine (oder mehrere) Solarzelle(n) hinzugefügt. Das Ergebnis sind Tandem- oder gar Dreifach-Solarzellen entwickelt. Das energieintensivere sichtbare Licht der Sonne wird von der transparenten oberen Zelle aufgenommen, während das energieärmere Infrarotlicht von der Siliziumzelle auf der darunter absorbiert wird. Halogenidperowskite haben sich als ideale Ergänzung für Silizium herausgestellt, weil sie sichtbares Licht effizienter in elektrische Energie umwandeln können als Silizium alleine, und dies ohne übermäßige Steigerung der Produktionskosten.
Rekorde von unabhängigem Labor zertifiziert
Den Wissenschaftlern in Neuchâtel ist es gelungen, den Wirkungsgrad von zwei verschiedenen Perowskit-Silizium-Tandems zu steigern. Im ersten Verfahren passten sie die Materialien und Herstellungstechniken so an, dass sich Perowskit-Schichten in hoher Qualität aus einer Lösung auf einer planarisierten Siliziumoberfläche anlagern können. So erreichten sie bei einer Zelle mit einer Fläche von einem Quadratzentimeter einen Wirkungsgrad von 30,93 Prozent. Im zweiten Verfahren arbeiteten sie an einer neuen Version einer so genannten hybriden Technik, die Verdampfungs- und Lösungsmittelverfahren kombiniert und auch auf strukturierten Siliziumoberflächen funktioniert. Mit diesem Verfahren gelang bei gleicher Zellengröße ein Wirkungsgrad von 31,25 Prozent. Die neuen Rekorde hat das unabhängige National Renewable Energy Laboratory (Nrel) in den USA zertifiziert.
Perowskit-Zellen müssten wenigsten zehn Jahre halten
Das entscheidende Problem, die – im Verhältnis zu Siliziumzellen – Kurzlebigkeit der Perowskit-Zellen ist damit noch längst nicht gelöst. Tonio Buonassisi, Professor für Maschinenbau am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/USA und Direktor des dort angesiedelten Photovoltaics Research Laboratory, hat mit seinem Team eine Studie erstellt, in der untersucht wird, auf wie viel die Lebensdauer der Perowskit-Zellen gesteigert werden muss, um die 25 Jahre und mehr gut funktionierenden Siliziumzellen wirtschaftlich zu übertrumpfen. Das Team kam auf zehn Jahre, die bei weitem noch nicht erreicht sind.