Photovoltaik nachhaltiger gestalten
Bei der Photovoltaik ist die Suche nach ressourcenschonenden und kostengünstigen Materialien für Solarzellen wichtig und somit ein zentrales Thema moderner Materialforschung. Perowskit-Solarzellen stehen hierbei bereits seit einigen Jahren im Fokus, eine Entdeckung könnte ihren Einsatz nun beschleunigen.

Am Einsatz von ressourcenschonenden und kostengünstigen Materialien für die Photovoltaik wird intensiv geforscht.
Foto: PantherMedia/Rupert Trischberger
Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) am Energiecampus Nürnberg hat nun neue Kriterien für defekttolerante Halbleitermaterialien entwickelt, die helfen könnten, umweltfreundlichere Alternativen zu bestehenden Perowskiten zu identifizieren und deren Einsatz in der Photovoltaik (PV) zu beschleunigen.
Perowskit-Solarzellen basieren auf einer besonderen Kristallstruktur, die typischerweise durch die chemische Formel ABX3 beschrieben wird. Dabei steht „A“ für ein organisches oder anorganisches Kation (wie Methylammonium oder Cäsium), „B“ für ein Metallkation (wie Blei oder Zinn) und „X“ für ein Halogenid (zum Beispiel Iodid oder Bromid). Diese Struktur ermöglicht es, Sonnenlicht effizient in elektrische Energie umzuwandeln, indem Lichtquanten Elektronen anregen, die dann über sogenannte Ladungsträger zur Stromgewinnung genutzt werden.
Gegenüber klassischen Silizium-Solarzellen besitzen Perowskite deutliche Vorteile bei der Herstellung: Während Siliziumzellen aus hochreinen Einkristallen bestehen, die unter hohem Energieaufwand gezüchtet und anschließend in dünne Wafer zerschnitten werden müssen, lassen sich Perowskit-Materialien bei Raumtemperatur verarbeiten. Sie können aus einer Lösung direkt auf Substrate aufgetragen und so mittels Druck- oder Beschichtungsverfahren in dünne Schichten überführt werden. Dies reduziert den Energieeinsatz bei der Herstellung erheblich und erlaubt darüber hinaus eine leichtere Integration in flexible oder tragbare Anwendungen.
Defekttoleranz: Ein Schlüsselmerkmal für künftige Halbleiter
Ein zentrales Merkmal der bleihaltigen Perowskite, das wesentlich zu ihrem hohen Wirkungsgrad beiträgt, ist ihre sogenannte Defekttoleranz. Darunter versteht man die Fähigkeit eines Halbleitermaterials, trotz struktureller Unvollkommenheiten wie Leerstellen oder Substitutionsfehlern, seine optoelektronischen Eigenschaften weitgehend zu bewahren. In klassischen Halbleitern können Defekte die Bewegung von Elektronen und Löchern stark behindern und zu einer deutlichen Reduktion des Wirkungsgrades führen. Bei Perowskiten hingegen bleiben wichtige Prozesse wie die Lichtabsorption und der Ladungstransport auch bei hoher Defektdichte stabil. Diese Eigenschaft wird als glücklicher Zufall beschrieben – nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht gezielt entwickelt, sondern bei der Untersuchung von Bleihalogenid-Perowskiten entdeckt wurde. Ziel der aktuellen Forschung ist es daher, gezielt Materialien zu identifizieren, die eine vergleichbare Defekttoleranz aufweisen, dabei jedoch auf umweltkritische Elemente wie Blei verzichten.
Viel Sonne befeuert keinen Blackout
Am Energiecampus Nürnberg verfolgt das Team um Prof. Dr. Wolfgang Heiß (Werkstoffwissenschaften) und Prof. Dr. Bernd Meyer (Computational Chemistry) einen kombinierten Ansatz aus Theorie und Experiment. Ziel ist es, auf Basis quantenchemischer Modellierung sowie experimenteller Defektcharakterisierung verlässliche Kriterien zu entwickeln, mit denen sich die Defekttoleranz neuer Materialien vorhersagen lässt.
„Die Entdeckung von Blei-Halogenid-Perowskit kann man nur als Glücksfall bezeichnen“, unterstreicht Heiß. „Denn das Material ist von sich aus defekttolerant.“
Klassische theoretische Modelle sind oft stark vereinfachend und liefern nur begrenzte Aussagen über reale, experimentell hergestellte Halbleiter. Deshalb kombinieren die FAU-Forschenden Simulationen auf atomarer Ebene mit konkreten Messungen. Beispielsweise werden rekombinationsaktive Defekte identifiziert, also solche, die zur schnellen Wiedervereinigung von Elektronen und Löchern führen und damit die Effizienz senken. Diese werden mithilfe spezieller spektroskopischer Verfahren sichtbar gemacht und anschließend mit den Berechnungsergebnissen abgeglichen.
Neue Kandidaten für bleifreie Perowskite
In der Materialforschung existieren bereits verschiedene Vorschläge für bleifreie Perowskite oder verwandte Verbindungen. Einige davon basieren auf Elementen wie Bismut, Antimon oder Kupfer. Sie imitieren die elektronische Struktur der Bleihalogenide, zeigen aber unterschiedliche Kristallisationsverhalten und Bandstrukturen. Die Herausforderung liegt dabei häufig in der Balance zwischen Stabilität, Defekttoleranz und geeigneter Bandlücke zur effizienten Lichtabsorption.
Das Smartphone befiehlt: Jetzt wird gewaschen
Im Rahmen der FAU-Studie werden systematisch Materialkombinationen untersucht, die theoretisch das Potenzial zur Defekttoleranz bieten. Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte elektronische Zustände – insbesondere flache Defektniveaus nahe der Bandkanten – ein entscheidender Faktor sind. Solche Zustände fangen freie Ladungsträger nicht dauerhaft ein und erlauben daher eine verlustarme Stromgewinnung. Materialien mit tief liegenden, energetisch isolierten Defektniveaus hingegen wirken als sogenannte „Shockley-Read-Hall“-Zentren und verringern die Leistung erheblich. Die langfristige Perspektive der Forschung geht über die reine Materialentwicklung hinaus.
Neue Anwendungen im Bereich Photovoltaik
Da die neuen Halbleiterstrukturen auch auf flexiblen Substraten aufgebracht werden können, eröffnen sich Anwendungsfelder jenseits der klassischen Dach- oder Freiflächen-PV. Leichtgewichtige, druckbare Solarzellen lassen sich potenziell in mobile Endgeräte, Fassadenstrukturen oder sogar Textilien integrieren. Die Herausforderung liegt dabei nicht nur in der Materialstabilität gegenüber Feuchtigkeit und Sauerstoff, sondern auch in der Langzeitstabilität unter realen Umgebungsbedingungen wie UV-Strahlung oder Temperaturschwankungen.
Ein weiterer Vorteil ist die potenziellen Reduktion von Produktionskosten: Da weder aufwendig gereinigte Kristalle noch Hochtemperaturprozesse notwendig sind, lassen sich die Herstellungskosten perspektivisch senken. Gleichzeitig könnten solche Zellen durch ihre einfache Verarbeitbarkeit in Ländern mit gering entwickelter Infrastruktur leichter lokal produziert werden.