Platz genug für Wind- und Solarkraftwerke in Deutschland
Agora Energiewende hat eine interaktive Karte entwickeln lassen, auf der geeignete Standorte für die Realisierung von Erneuerbare-Energien-Projekte ausgewiesen sind. Insgesamt müssten mehr als 10 000 km2 dafür genutzt werden.
Die Stiftung Klimaneutralität in Berlin empfiehlt, 2 % der Flächen in Deutschland für die Produktion von Windstrom zu nutzen. Das sind rund 7 150 km2 oder die Hälfte der Fläche von Schleswig-Holstein. Bisher sind es lediglich 0,9 %. Also muss mehr als eine Verdoppelung her, um die Energiewende zu schaffen. Schwer nachzuvollziehen, weil fast überall auf dem freien Land irgendwo ein Windgenerator zu sehen ist. Agora Energiewende, eine Denkfabrik in Berlin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach mehrheitsfähigen Kompromiss-Lösungen beim Umbau des Stromsektors innerhalb der Energiewende zu suchen, sagt, es geht, zudem ohne Probleme. Dazu könne noch ein zweites Ziel erreicht werden: auf knapp 1 % der Fläche Deutschlands Freiflächen-Solaranlagen zu installieren. Und das ohne Beeinträchtigung der Tierwelt und ohne unzumutbare Belastungen für Menschen.
Vor allem im Norden soll Windenergie boomen
Der Flächenplan stammt vom Reiner Lemoine Institut, einem gemeinnützigen, unabhängigen Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin, das wissenschaftliche Fragestellungen rund um das Thema erneuerbare Energien bearbeitet. Niedergelegt ist er in einer für alle zugänglichen interaktiven Karte. Vor allem die traditionellen Windländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben danach noch genügend Platz für neue Windgeneratoren, aber auch Sachsen-Anhalt, Thüringen und der Norden von Nordrhein-Westfalen. Thüringen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern könnten noch massiv zur Solarstrom-Produktion beitragen.
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Viele Interessen müssen berücksichtigt werden
„Vielerorts behindern pauschale Abstandskriterien zu Siedlungen sowie der grundsätzliche Ausschluss von Wald- oder Landschaftsschutzgebieten den Ausbau“, klagt Agora. „Für einen zügigen Ausbau erneuerbarer Energien müssen die Klimaschutzziele mit den Interessen von Anwohnenden sowie mit dem Natur-, Landschafts- und Artenschutz in Einklang gebracht werden“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Dieser Ausgleich kann gelingen, wenn die Bundesländer mit Entscheiderinnen und Entscheidern vor Ort geeignete Standorte ermitteln statt mit pauschalen Ausschlusskriterien den Ausbau zu blockieren. Unser neues Online-Tool soll hierfür als Diskussionsgrundlage dienen.“
Windenergieanlagen in Wäldern?
Die Karte visualisiert auf Basis öffentlich zugänglicher Geodaten auf der Deutschlandkarte Flächen, die potenziell für Photovoltaik (PV)-Freiflächen- und Windenergie geeignet sind. Beispielsweise lassen sich die Abstände von Windkraftanlagen zu Siedlungen variieren. So werde sichtbar, welche Potenzialflächen durch die Aufhebung pauschaler Mindestabstände verfügbar werden. Ebenso können die teilweise Nutzung von Waldflächen sowie von Landschaftsschutzgebieten ausgewählt werden – diese Gebiete bergen überall dort ungenutztes Standortpotenzial, wo keine ökologischen Kriterien berührt werden. Die Einstellungen können separat für jedes Bundesland vorgenommen und die ausgewiesenen Flächen bis auf Gemeindeebene dargestellt werden. Ob ein Gebiet tatsächlich geeignet ist, erfordere allerdings weiterer Prüfung mit Beteiligten vor Ort.
„Wir haben mehr als genug Platz für erneuerbare Energien“, so Graichen. „Die Verdreifachung des Erneuerbaren-Ausbaus für ein klimaneutrales Deutschland ist daher keine Flächenfrage, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens. Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung geeigneter Standorte.“
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Scheinkonflikt beim Artenschutz?
Der Artenschutz sei eine der wichtigsten Herausforderungen für den Ausbau der Windkraft an Land. Tatsächlich verzögern immer wieder Klagen gegen Windenergieprojekte deren Bau oder Inbetriebnahme. Eines der häufigsten Klagemotive ist die Sorge um durch Windenergieanlagen in ihrem Bestand gefährdete Vogelarten. „Der Zielkonflikt zwischen Windenergie und Artenschutz ist in Wirklichkeit ein Scheinkonflikt“, sagt Graichen. „Denn alle Beteiligten wissen, dass die Klimakrise der größte denkbare Angriff auf den Artenschutz in Deutschland ist. Deshalb müssen wir schnelle, konstruktive und dauerhafte Lösungen finden, um den Ausbau der Windkraft und den Schutz der Vogelpopulationen gemeinsam erreicht zu können.“
Mehr als 500 Gigawatt sind nötig
Nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung sollen bis 2030 offshore 20 GW und onshore 71 GW installiert sein – jetzt sind es gut 50 GW. Die installierte Leistung von Solaranlagen soll sich auf 100 GW fast verdoppeln. Es ist davon auszugehen, dass die neue Bundesregierung die Pläne verschärft. Im Agora-Szenario „Klimaneutrales Deutschland 2045“ müssen im Zieljahr 2045 etwa 145 GW elektrische Leistung aus landbasierten Windenergieanlagen und 385 GW aus PV-Anlagen bereitgestellt werden.