Reich durch Offshore-Windparks
Von der einzigen deutschen Hochseeinsel aus werden vier Windparks gewartet. Die kleine Gemeinde profitiert von hohen Gewerbesteuereinnahmen. Dabei war Windenergie für die Inselbewohner und -bewohnerinnen einst ein rotes Tuch.
Windenergie war für die sturmumtoste Insel Helgoland einst ein rotes Tuch. 1990 ging am Hafen ein 1,2-MW-Windgenerator in Betrieb, der Dieselgeneratoren ablösen sollte. Doch weil sich die Stromausfälle wegen der damals noch unzureichenden Technik häuften und dreimal der Blitz in ein Rotorblatt eingeschlagen war, wurde die Anlage stillgelegt und abgebaut.
Jetzt kommt der Strom vom Festland
Heute lieben die Helgoländer und Helgoländerinnen die Windenergie. Zum einen, weil sie zuverlässig meist windgemachten Strom beziehen, allerdings über ein gut 50 km langes Kabel vom Festland. Zum anderen, weil Offshore-Parks die Insel reich gemacht haben. Helgoland ist gewissermaßen der Nabel der deutschen Windparks in der Nordsee. Die vier, die von der einzigen deutschen Hochseeinsel betreut werden, haben eine Nennleistung von mittlerweile 1,35 GW ebenso viel wie eins der drei letzten deutschen Kernkraftwerke.
Windiger Befreiungsschlag
Nach einem steten Rückgang der Besuche von Touristinnen und Touristen auf der Insel und einem Tiefstand im Jahr der Finanzkrise 2008 war der Bau der vier Offshore-Windparks 25 bis 29 km vor der Küste der Insel ein Befreiungsschlag für die angeschlagenen Finanzen der Gemeinde. Über die gesteigerten Gewerbesteuereinnahmen konnte die Schuldenlast der 1 300-Einwohner*innen-Gemeinde Jahr für Jahr verringert werden. 2014 lag sie noch bei ungefähr 35 Mio. €, mittlerweile sind es nur noch 6 Mio. €.
„Seewind 1“ verbiligt die Wartung
Entscheidend aber ist die Funktion der Insel als Standort für Wartungsarbeiten. 2015 entdeckten RWE und der Windpark-Betreiber WindMW im brandenburgischen Zossen, dass sich Helgoland bestens als Basis für Wartung und Reparatur der umliegenden Windparks eignet. Stationiert ist hier die „Seewind 1“, die bis zu 90 hochqualifizierte Facharbeiterinnen und -arbeiter gleichzeitig zu den Windparks transportiert. Das Wartungsschiff ist eine kostengünstige Alternative zu kleinen Booten, die jeweils dutzende Kilometer fahren müssen, ehe sie an den Offshore-Generatoren ankommen. Von der „Seewind 1“ aus können mehrere Anlagen gleichzeitig gewartet oder repariert werden. Rund 200 Service-Technikerinnen und -Techniker sowie Logistiker und Logistikerinnen sorgen für den Unterhalt der Windparks, einige sind fest auf die Insel gezogen.
Wartung nur bei ruhigem Wetter
Die Service-Technikerinnen und -Techniker müssen umfangreiche Schulungen durchlaufen, bevor sie ihre Zertifikate für die Arbeit auf den Offshore-Windturbinen und Umspannwerken bekommen. Sicherheit ist oberstes Gebot bei den Windparkbetreibern. Zugleich aber sind die Zeitfenster für die jährliche Revision, die jeweils eine Woche dauern, klein. Jede ruhige Wetterlage muss genutzt werden, um die Gefahr für die Techniker und Technikerinnen beim Übergang zwischen Schiff und Windgenerator so gering wie möglich zu halten. Während der Sommerkampagne wird durchgearbeitet, auch an Wochenenden und Feiertagen.
Zwei Wochen Dienst am Stück
„Es ist schon ein Unterschied, ob das Fachpersonal während der Wartungsarbeiten auf einer Wohnplattform oder einem Schiff wohnt, oder ob sie abends wie auf Helgoland noch mal essen oder spazieren gehen können“, so Stefan Klett von der Veja Mate Offshore Project GmbH, die den Windpark Veja Mate betreibt. In der Regel haben die Mechaniker und Mechanikerinnen zwei Wochen Dienst am Stück. Dann haben sie eine Weile frei.
Windparks sind von der Insel aus zu sehen
Die hohen Gewerbesteuereinnahmen flossen nicht nur in die Schuldentilgung von Helgoland. Das Gewerbegebiet der Insel wurde modernisiert, die Nutzfahrzeuge auf der ansonsten autofreien Insel werden elektrisch betrieben und die Laternen sind mit energieeffizienten Leuchtdioden bestückt. Anders als befürchtet stiegen die Besuchendenzahlen seit der Etablierung der Offshore-Windparks an, die bei klarem Wetter von der Insel aus deutlich zu sehen sind. Die 67 6-MW-Generatoren von Siemens Gamesa, die in Veja Mate laufen, sind, wenn ein Flügel senkrecht nach oben weist, fast 200 m hoch. Auf gut besuchten Tagestouren können Interessierte sich die Windparks im Sommer sogar aus der Nähe anschauen.
Das ehrgeizigste Helgoländer Projekt ist AquaVentus, ein Windpark, der auf hoher See Wasserstoff erzeugt, der Helgoland versorgt und teilweise an Land transportiert wird.