Schwimmende Offshore-Windparks präzise simuliert
Wie sich schwimmende Offshore-Windparks in der Praxis verhalten, war bislang schlecht zu prognostizieren. Ein neues Simulationstool könnte hier künftig mehr Klarheit schaffen.
Offshore-Windenergieanlagen sind von hohem Interesse, da sie praktisch dort betrieben werden, wo Wind häufig und gleichzeitig stetig vorhanden ist und es keine Interessenskonflikte mit bestehender Besiedelung gibt. Allerdings sind feste Windparks auf Wassertiefen von maximal 50 bis 60 m begrenzt. Schwimmende Windparks sollen zukünftig für mehr Flexibilität beim Standort und weniger Belastung der Umwelt sorgen. Doch bisher fehlte es an geeigneten Simulationsumgebungen, um vor dem Bau die erforderlichen Parameter zu bestimmen.
Obwohl es viele Vorteile gibt, haben bisher nur wenige Projekte im Rahmen schwimmender Windparks den Pilotstatus überschritten. Der größte schwimmende Windpark derzeit befindet sich vor der Küste Norwegens (Hywind Tampen) und besteht aus elf Windrädern mit einer installierten Leistung von 88 MW. Das vor Portugals Küste in Betrieb gegangene Projekt „Windfloat Atlantic“ ist kleiner: Drei Windturbinen von 8,5 MW wurden dabei nach Informationen vom Bundesverband Windenergie Offshore e. V. (BWO) im Atlantik in 100 m Tiefe an ein 20 km langes Kabel angeschlossen, das den Park mit der nächsten Umspannplattform verbindet. Damit wird in der Praxis zumindest schon gezeigt, dass größere Wassertiefen keine Barriere für eine einwandfreie Funktionalität darstellen.
Praktische Erfahrungen mit schwimmenden Offshore-Windparks selten
Die Hauptgründe für den Pilotstatus vieler Projekte liegen in den Konzepten der schwimmenden Tragstrukturen und dem damit verbundenen Mangel an Praxiserfahrungen. Um die riesigen Windräder mit einem angestrebten Rotordurchmesser von 240 bis 260 m zu bauen und mit einem Schlepper an den vorgesehenen Standort zu bringen, sind darüber hinaus massive Investitionen in die Hafeninfrastruktur weltweit, insbesondere in Europa, erforderlich. Zusätzlich steigen die Anforderungen an die Windturbinen selbst, da sie nun ständig in Bewegung sind und durch Wellen und Windanregung einer größeren Beanspruchung ausgesetzt sind. Dies führt wiederum zu höheren Kosten. Das Spannungsfeld Windradparameter – Schwimmkörperabmessungen – Kosten/Ertrag gilt es im Vorfeld eines Projekts möglichst genau zu berechnen, um die zu erwartende Rentabilität abschätzen zu können.
Um möglichst viele Parameter bei der Entwicklung schon vorab in einer Simulationsumgebung bestimmen zu können, hat die TU Berlin unter der Leitung von Dr.-Ing. Navid Nayeri von 2020 bis 2023 im Horizon2020-Programm der EU das Projekt „Floatech“ vorangetrieben.
Schwimmende Offshore-Windparks: Software berechnet wichtige Parameter
Kern dieses Projekts ist eine Software, die alle relevanten Aspekte von schwimmenden Windenergieanlagen berechnen kann: die Simulationssoftware QBlade. Im Rahmen des Projekts Floatech stand die Weiterentwicklung von QBlade durch das Fachgebiet Experimentelle Strömungsmechanik im Mittelpunkt. QBlade wurde dahingehend weiterentwickelt, dass damit alle komplexen physikalischen Phänomene und deren Interaktionen rund um schwimmende Windenergieanlagen abgedeckt werden. Diese spezialisierte Software ist ein Hilfsmittel, um beispielsweise maßgeschneiderte Regelungsstrategien für schwimmende Turbinen zu erforschen.
Mit dem hydrodynamischen Modul namens QBlade-Ocean sollen verschiedene Wellenzustände simuliert werden. Die Berechnung der hydrodynamischen Kräfte, also die Interaktion zwischen schwimmenden Windenergieanlagen und ihrer Umgebung (Wellen, Meeresgrund, Wind) ist ein wichtiger Punkt zur Bestimmung der Ansprüche an Windenergieanlagen auf bewegten Schwimmkörpern sowie die Berechnung der erforderlichen Festigkeiten der Schwimmkörper. Durch die bereits vorhandenen Fähigkeiten von QBlade zur Simulation von Onshore-Windenergieanlagen entsteht durch die Integration dieses neuen Moduls eine Simulationssoftware, die sowohl für wissenschaftliche als auch industrielle Anwendungen im Bereich schwimmender Windenergieanlagen geeignet ist.
Durchbruch für schwimmende Offshore-Windparks?
„Für schwimmende Windenergieanlagen könnte diese Technologie ein Durchbruch sein, da anhand dieser Informationen die Bewegung der Anlage und damit Lasten oder Leistungsfluktuationen reduziert werden könnten”, erklärt Robert Behrens de Luna, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Experimentelle Strömungsmechanik der TU Berlin und Projektmanager von Floatech.
Im weiteren Verlauf des Floatech-Projekts wurde QBlade von Forschenden an der TU Delft verwendet, um innovative Regelungsstrategien speziell für schwimmende Windenergieanlagen zu entwickeln und zu optimieren. Diese Strategien, wie beispielsweise das „Active Wake Mixing“, zielen darauf ab, die Bewegung der schwimmenden Anlagen so zu nutzen, dass sie bei unterschiedlichen Windrichtungen nur geringe Einbußen bei der Windgeschwindigkeit hinnehmen müssen. Dadurch kann die jährliche Energieproduktion von Windparks erhöht werden. Nach Schätzungen der norwegischen Klassifizierungsgesellschaft für Energie, DNV, wird der weltweite Anteil an der Energieproduktion durch schwimmende Windparks im Jahre 2050 bei 270 GW liegen. Im Rahmen dessen erwartet DNV eine Gesamtzahl von 18 000 Turbinen, die auf schwimmenden Plattformen betrieben werden.