Startschuss für grünes Methanol aus Leuna
In Leuna, Sachsen-Anhalt, wurde eine innovative Pilotanlage zur Herstellung von grünem Methanol eröffnet, die die chemische Industrie und Sektoren wie Schiffs- und Luftfahrt revolutionieren soll. Dazu im Interview: Christian Vollmann, der das Projekt mit seinem Tech-Start-up C1 Green Chemicals AG maßgeblich vorantreibt.
Herr Vollmann, am 20. November wurde in Leuna eine Forschungseinrichtung auf dem Gelände eines renommierten Chemieparks eröffnet. Das Projekt nennt sich „Leuna100“. Was steckt hinter dem Namen und was passiert in diesem Projekt?
Christian Vollmann: Das Ziel von Leuna100 ist die marktreife und skalierbare Herstellung von grünem Methanol, insbesondere für die Schiffs- und Luftfahrtindustrie. Ein zentrales Vorhaben ist dabei die weltweite Erstrealisierung des Gesamtprozesses aus strombasierter Synthesegas-Erzeugung und einer grundlegend neu entwickelten Methanolsynthese unter realen Bedingungen. Für den Markthochlauf des grünen Methanol-Verfahrens werden einzelne Prozessschritte sowie ihre Integration in einen Gesamtprozess optimiert und skaliert.
Das Projekt wird über drei Jahre laufen und ist Teil des Gesamtkonzepts für erneuerbare Kraftstoffe des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Es wird mit insgesamt 10,4 Mio € gefördert. Unsere Konsortialpartner sind renommierte Institute und Universitäten: Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES, das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht, das DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg (DBI-GTI) und die Technische Universität Berlin.
Wir von C1 liefern dabei den neu entwickelten Katalysator und einen Reaktor zur homogenen Katalyse von Methanol. Dieser Reaktor wird mit zwei unterschiedlichen Technologien zur CO2-basierten Synthesegas-Erzeugung kombiniert: einer neuen Niedertemperatur-Co-Elektrolyse von Fraunhofer Umsicht und einer Reverse-Water-Gas-Shift-Anlage von DBI-GTI. Fraunhofer IWES stellt den Standort und die Infrastruktur im Hydrogen Lab Leuna zur Verfügung und evaluiert die Lastflexibilität, während die TU Berlin ein effizientes Betriebskonzept und mathematische Methoden zur Bewertung und Optimierung entwickelt.
Der Name Leuna100 bezieht sich auf die historische Errichtung der ersten Methanolanlage durch BASF im Chemiepark Leuna im Jahr 1923. 100 Jahre später haben wir heute unsere Pilotanlage am gleichen Standort eingeweiht. Ein wesentlicher Vorteil des Chemieparks in Leuna ist die bestehende Infrastruktur, die es uns ermöglicht, die zuvor im Labor gewonnenen Erkenntnisse in ein mobiles Containersystem zu übertragen.
Aktuell wird viel über grünen Wasserstoff als Energielösung diskutiert. Was macht nun aber grünes Methanol in diesem Kontext besonders?
Grüner Wasserstoff spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr. Ihn herzustellen ist eine Sache, ihn zu speichern und zu transportieren allerdings eine ganz andere. Als hoch flüchtiges Gas muss er entweder mit hohem Druck komprimiert oder auf – 253 °C gekühlt werden, beides sehr aufwendig und energieintensiv.
Hier kommt Methanol ins Spiel: Zusammen mit einer CO2-Quelle lässt sich aus grünem Wasserstoff mit unserer Technologie grünes Methanol herstellen, eine leicht handhabbare Flüssigkeit. Dies bringt zwei große Vorteile mit sich: zum einen ist Methanol ein etablierter Rohstoff in der Chemieindustrie, die daraus bereits heute eine große Bandbreite kohlenstoffbasierter Produkte wie Klebstoffe, Kunststoffe usw. herstellt. Zum anderen kann man Methanol als Schiffstreibstoff verwenden. Heutige Schiffsmotoren können sowohl Methanol als auch Diesel verbrennen, was den Übergang für die Schifffahrt deutlich erleichtert. Auch bestehende Hafen- und Transportinfrastruktur lässt sich für Methanol viel besser nutzen als für Gase wie Wasserstoff oder Ammoniak.
Warum braucht die Industrie grünes Methanol?
Die Bedeutung von grünem Methanol für die Energiewende ist enorm. Es ermöglicht die Defossilisierung mehrerer Industriezweige, insbesondere der Schifffahrtsbranche und der kohlenstoffbasierten Chemieproduktion, perspektivisch auch der Luftfahrtindustrie. Indem die Schifffahrt auf grünes Methanol umstellt, könnte jährlich über 1 Gt CO2 eingespart werden, was einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung der globalen CO2-Emissionen leistet. Gerade für Containerschiffe wird grünes Methanol zunehmend als klimaneutrale Kraftstoffalternative eingesetzt, was ich als einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft betrachte.
Wie wird das grüne Methanol in Ihrer Anlage hergestellt? Wie unterscheidet sich Ihr Verfahren zur Herstellung von grünem Methanol von anderen Verfahren?
Wir bei C1 haben uns auf die Herstellung von grünem Methanol spezialisiert. Bisher haben wir unser Verfahren in unserem Labor in Berlin-Adlershof erprobt und verfeinert. Im Rahmen des Projekts Leuna100 bringen wir diese Erkenntnisse nun mit der Expertise unserer renommierten Forschungspartner zusammen auf das nächste Technologielevel.
Unser Ansatz basiert auf einem Synthesegas, das aus Kohlenmonoxid und grünem Wasserstoff besteht. Dieser grüne Wasserstoff wird mittels erneuerbarem Strom erzeugt. Das Synthesegas gewinnen wir durch die Kombination von grünem Wasserstoff und Kohlendioxid, das zum Beispiel aus Industrieabgasen stammt.
Unser Forschungskonsortium verfolgt zwei verschiedene Herstellungswege für grünes Methanol, beide basierend auf CO2 und H2. Das DBI-GTI konzentriert sich auf die umgekehrte Wassergasverschiebung (reverse water gas shift, rWGS), während das Fraunhofer Umsicht auf das Co-Elektrolyse-Verfahren setzt. In beiden Prozessen werden die Eingangsstoffe in CO umgewandelt, das dann zusammen mit H2 als Synthesegas in unsere C1-Methanolanlage geleitet wird, um grünes Methanol zu produzieren.
Einen Durchbruch stellt unsere Entwicklung eines neuen, hocheffizienten Katalysators, der die Produktion von grünem Methanol revolutioniert, dar. Erstmals setzen wir nicht auf eine herkömmliche Oberflächenreaktion mit Festkörperkatalysatoren, sondern auf eine dreidimensional skalierbare Reaktion in der flüssigen Phase. Diese Methode ist hochselektiv, besser skalierbar, für einen lastflexiblen Betrieb geeignet und bietet Kostenvorteile unabhängig von der Anlagengröße.
Lässt sich das Prinzip auch auf andere Bereiche ausweiten, wenn Sie Erfolg haben? Sind andere Anwendungsfälle möglich?
Stellen Sie sich vor, wir würden Methanol nicht länger aus fossilen Rohstoffen herstellen, sondern CO2 als Ausgangsstoff dafür verwenden. Dann könnten wir Kohlenstoff permanent in einem geschlossenen Kreislauf führen. Auf diese Weise hergestelltes, grünes Methanol könnte zum Eckpfeiler einer Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft werden. Zum einen als Ausgangsstoff für eine zirkuläre Chemieproduktion. Zum anderen als Kraftstoff in Sektoren, in denen wir mit Batterien zu schwer werden, wo deren Energiedichte für eine Elektrifizierung nicht ausreicht. Mit einem weiteren Verarbeitungsschritt lässt sich aus grünem Methanol zum Beispiel auch grünes Kerosin herstellen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Mit grünem Methanol können wir uns aus der Abhängigkeit von Kohle, Gas und Öl befreien.
Herr Vollmann, vielen Dank für das Gespräch.
Christian Vollmann , Gründer und Vorstand der C1 Green Chemicals AG.