Verborgener Champion der Energiewende
Durch Repowering und erneute Nutzung von Standorten, an denen früher Wasserkraftwerke standen, könnten sechs Prozent des deutschen Stromverbrauchs gedeckt werden.
Pro Jahr könnten Wasserkraftwerke in Deutschland 28 TWh zusätzlichen Strom produzieren. Das entspräche 6 % des deutschen Stromverbrauchs im Jahr 2023. Dazu müssten Altanlagen, die einen niedrigen Wirkungsgrad haben, durch moderne Turbinen ersetzt werden, die weit effektiver sind, so die Energy Watch Group, ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Parlamentarierinnen und Parlamentariern zur Untersuchung der Verfügbarkeit und Verknappung fossiler und atomarer Energieressourcen sowie der Ausbaumöglichkeiten erneuerbarer Energien. Deren Präsident ist Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen. Außerdem, so heißt es in der Studie „Wasserstrom – der neue Gamechanger für Klimavorsorge, Heimatenergien und Gewässernatur“, die die Gruppe jetzt vorgelegt hat, müssten an ehemaligen Standorten von Wasserkraftwerken wieder Turbogeneratoren installiert werden.
Netzdienliche Sekunden-Reserve
Die Leistung der deutschen Wasserkraftwerke könne so um 7,1 GW erhöht werden. Zudem regen die Autoren an, die Wärmeenergie, die in den Gewässern steckt, mit Wärmepumpen auf ein höheres Niveau zu bringen, sodass Fernwärmenetze bedient werden könnten. Mit mehreren Großwärmepumpen, von denen eine in Mannheim bereits in Betrieb ist, wird diese Idee umgesetzt. „Als netzdienliche Sekunden-Reserve trägt die Wasserkraft zur Stabilität des Netzausbaus bei und ist rund um die Uhr verfügbar“, heißt es in der Studie. Damit sind Pumpspeicherkraftwerke gemeint, die das Netz stabilisieren, wenn zu viel Strom ins Netz eingespeist oder aus dem Netz entnommen wird. Hier ist der Nutzen eines Repowering, wie der Ersatz von wenig effektiven Altanlagen durch moderne Turbinen heißt, allerdings begrenzt. Die Speicherkraftwerke in Deutschland arbeiten weitgehend auf einem Niveau.
Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt
„Wir laden mit dieser Studie ein, sich auf ein Update in den Köpfen einzulassen“, so Fell und Heinrich Strößenreuther, ein deutscher Manager und Wirtschaftsinformatiker, der vor allem als Umweltaktivist bekannt geworden ist. Strößenreuther ist seit 2021 Mitglied der CDU und Mitbegründer der im März 2021 gegründeten KlimaUnion. „Wir würden uns eine Neubewertung der Haltung zur Wasserkraft wünschen“, heißt es weiter. Inzwischen sei die Technik so weit, dass sich durch Repowering- und Modernisierungsmaßnahmen mit modernen fischdurchlässigen Anlagen nicht nur alte Vorurteile beseitigen ließen. Gleichzeitig werde die Gewässerökologie verbessert, die Grundwasserbildung und Klimavorsorge in den Auen- und Flusslandschaften gefördert und so die Artenvielfalt erhalten.
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Wasserkraft gleicht Schwächen aus
Wasserkraft helfe, „gewisse Schwächen“ von Sonne und Wind auszugleichen, solange Batteriespeicher noch nicht ausreichend installiert sind, schreiben die Autoren. Tatsächlich liefern Solarkraftwerke im Winter nur wenig Strom, und das auch nur wenige Stunden am Tag. Wasserkraft ist in dieser Zeit ein gewisser Ersatz, zumal aufgrund des Klimawandels Ausfälle durch Vereisungen immer seltener werden.
5 000 Stunden pro Jahr mit Nennlast
„Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien kann die Wasserkraft mit Leistungen aufwarten, die andere Energiearten gerne hätten.“, heißt es in der Studie. „Mit einer Volllaststundenzahl von über 5 000 h/a ist sie erheblich stetiger als volatile Energiequellen wie Sonne und Wind.“ Liefert die Sonne in unseren Breiten pro Jahr etwa 1 000 h und der Wind an die 2 000 h Strom mit Nennleistung, schafft die Wasserkraft mehr als 5 000 h mit Nennleistung.
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Zehntausende Kraftwerke wurden stillgelegt
Von den 80 000 Wasserkraftwerken, die im Jahr 1945 in Deutschland in Betrieb waren, produzieren nur noch rund 7 500 Strom. Zehntausende Kleinanlagen sind stillgelegt, nur wenige neue hinzugekommen beziehungsweise modernisiert worden. Obwohl deutschlandweit lediglich 4,1 GW Wasserkraft installiert sind, das sind weniger als 4 % der Gesamtleistung aller Erneuerbaren, hat sie einen Anteil von etwa 12 % an der Erzeugung von grünem Strom.