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Netzstabilität 14.03.2025, 16:00 Uhr

Viel Sonne befeuert keinen Blackout

Die Debatte um die Stabilität des Stromnetzes in Zeiten eines wachsenden Anteils erneuerbarer Energien erhitzt immer wieder die Gemüter. Dabei im Fokus: Photovoltaikanlagen, die an sonnigen Tagen immense Mengen Strom ins Netz einspeisen. Medienberichte warnten zuletzt vor einer möglichen Netzüberlastung an Feiertagen im Frühling und Sommer. Doch ist dieses Szenario realistisch? Fachverbände und Wissenschaftler geben Entwarnung und verweisen auf eine Reihe regulatorischer und technischer Maßnahmen, die potenzielle Risiken abwenden.

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Erhöhen Photovoltaikanlagen, die an sonnigen Tagen hohe Mengen Strom ins Netz einspeisen, die Blackout-Gefahr?

Foto: PantherMedia / GraffiTimi

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) sieht keine erhöhte Gefahr eines Blackouts durch hohe Solarstromproduktion. Die bestehenden Mechanismen zur Netzstabilisierung, die in den letzten Jahren weiterentwickelt wurden, sorgen für eine zuverlässige Anpassung des Stromangebots an die Nachfrage. Auch das jüngst verabschiedete Solarspitzen-Gesetz trägt dazu bei, potenzielle Ungleichgewichte im Stromnetz zu minimieren. Es handelt sich hierbei nicht um eine neue Herausforderung: Bereits 2012 wurden mit der Systemstabilitätsverordnung erste regulatorische Maßnahmen ergriffen, um eine Überlastung der Stromnetze durch Photovoltaik-Anlagen zu verhindern. Ein besonders häufig genannter Kritikpunkt ist die vermeintliche Gefahr einer Frequenzsteigerung über 50,2 Hz, die zu einer massiven Notabschaltung von Photovoltaikanlagen führen könnte. Das hätte zur Folge, dass eine große Menge an Strom abrupt nicht mehr im Netz verfügbar ist und die Netzfrequenz drastisch absinkt. Doch diese Bedenken beruhen auf überholten Annahmen. Seit 2012 werden Photovoltaikanlagen in Deutschland bei Frequenzüberschreitungen nicht mehr einfach abgeschaltet, sondern ihre Einspeiseleistung wird durch moderne Wechselrichter stufenlos reduziert. Der Netzintegrations-Experte Prof. Bernd Engel von der TU Braunschweig betont, dass diese Regelung erfolgreich etabliert wurde und in der Praxis bereits mehrfach zur Stabilisierung des Netzes beigetragen hat.

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Regeln für mehr Sicherheit

Die Anwendungsregeln wurden vom Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) klar definiert und gelten für sämtliche Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher in Deutschland. Ein Blick auf die technische Umsetzung zeigt, dass Wechselrichter so programmiert sind, dass sie ihre Leistung in Abhängigkeit von der Netzfrequenz automatisch regulieren. Je stärker die Frequenz steigt, desto mehr drosseln sie ihre Einspeisung. Dadurch wird ein abrupter Leistungseinbruch vermieden, der andernfalls tatsächlich zu einer Destabilisierung führen könnte. Ein weiteres Argument, das häufig in der Debatte auftaucht, ist der sogenannte Rebound-Effekt. Kritiker befürchten, dass nach einer temporären Abschaltung von Photovoltaikanlagen durch Frequenzanstieg beim Wiederhochfahren erneute Schwankungen auftreten könnten. Doch auch hier zeigen sich die Vorteile der bestehenden Regulierungen: Wechselrichter erhöhen ihre Einspeiseleistung erst, wenn das Netz für mindestens 1 min stabil bleibt. Zudem geschieht die Leistungssteigerung in einer kontrollierten Weise, indem pro Minute nur 10 % der Nennleistung wieder zugeschaltet werden. Dadurch werden plötzliche Frequenzschwankungen zuverlässig vermieden.

Batteriespeicher tragen ebenfalls zur Netzstabilität bei

Ein wichtiger Aspekt der Netzstabilität sind auch Batteriespeicher, die eine zunehmend bedeutende Rolle spielen. Systeme, die nach Mai 2019 installiert wurden, sind darauf ausgelegt, sowohl bei Überfrequenzen als auch bei Unterfrequenzen stabilisierend zu wirken. In Summe stehen in Deutschland mehr als 10 GW Speicherkapazität zur Verfügung, die flexibel einsetzbar sind und Schwankungen im Netz abfangen können. Damit sind sowohl dezentrale Heimspeicher als auch große Netzspeicher in der Lage, das Stromnetz aktiv zu unterstützen.

Blackout-Gefahr? Solarspitzen-Gesetz für Optimierung der Systemintegration erneuerbarer Energien

Mit den neuen Regelungen im Solarspitzen-Gesetz wurden die Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Steuerung von Photovoltaikanlagen weiter präzisiert. Ein zentrales Element ist die Optimierung der Systemintegration erneuerbarer Energien. Ziel ist es, die Solarstromerzeugung noch besser an die Netzanforderungen anzupassen. Die Betreiber von Verteilernetzen sind nun verpflichtet, die Steuerbarkeit von Photovoltaikanlagen regelmäßig zu überprüfen, um frühzeitig auf mögliche Ungleichgewichte reagieren zu können. Die Gesetzesänderung wurde im Januar vom Bundestag verabschiedet und kürzlich vom Bundesrat bestätigt.

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Auf europäischer Ebene existieren ebenfalls umfassende Regelungen zur Netzstabilität, die verhindern, dass einzelne nationale Stromnetze durch lokale Schwankungen gefährdet werden. Bereits seit 2018 sind systemdienliche Regelungen für Photovoltaik-Wechselrichter in ganz Europa verpflichtend vorgeschrieben. Diese Normen mussten bis April 2019 in allen EU-Staaten umgesetzt werden, was zu einer einheitlichen technischen Ausgestaltung geführt hat. Damit sind europaweit Photovoltaikanlagen in der Lage, sich dynamisch an die Netzfrequenz anzupassen und stabilisierend zu wirken. Die umfangreichen regulatorischen Maßnahmen, die über Jahre hinweg entwickelt und optimiert wurden, sorgen für eine stabile Einspeisung verschiedener erneuerbarer Energien. Analysen und der aktuelle Stand praktischer Erfahrungen bestätigen, dass die vorhandenen Mechanismen zuverlässig funktionieren. Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung erfordert eine fortlaufende Weiterentwicklung der Netzstrukturen, doch die bisherigen Maßnahmen zeigen bereits, dass eine sichere Integration von Solarenergie ins Stromnetz gewährleistet ist.

Elke von Rekowski