Wasserstoff wird zur Pufferbatterie
Neben dem Projekt „Westküste 100“ sollen in Norddeutschland noch zwei weitere Großanlagen realisiert werden. Ein Teil des Wasserstoffs soll per Pipeline zu Industriekunden fließen.
Neben „Westküste 100“ sollen in Deutschlands Norden noch zwei weitere Großprojekte realisiert werden, deren Ziel es ist, den Einsatz von Wasserstoff als Ersatz für fossile Brennstoffe voranzutreiben. Im Endausbau werden sie mit einer Leistung von jeweils 100 MW Wasser in Wasser- und Sauerstoff zerlegen. Das „Element 1“ genannte Projekt bringt ein Konsortium aus dem Stromnetzbetreiber TenneT, dem Erdgasversorger Thyssengas und der niederländische Pipelinebetreiber Gasunie auf den Weg. Der Stromnetzbetreiber Amprion und der Gasversorger Open Grid Europe (OGE) verfolgen mit „hybridge“ ein ähnliches Projekt.
„Die deutschen Klimaziele, der Ausstieg aus der Kernkraft und der sich abzeichnende Kohleausstieg bedeuten eine enorme Herausforderung für unser Energiesystem“, so Klaus Kleinekorte, technischer Geschäftsführer von Amprion. „Wir müssen daher jetzt die Voraussetzungen schaffen, damit uns Power-to-Gas nach 2030 im Gigawatt-Maßstab zur Verfügung steht und Sektorenkopplung auf Systemebene möglich wird.“
Gas für das Ruhrgebiet aus dem Emsland
Standort von hybridge wird der Industriepark Lingen im Emsland sein, wo sich das Stromnetz von Amprion und eine OGE-Pipeline treffen. Die Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 100 MW werden pro Stunde 20 000 Normkubikmeter Wasserstoff produzieren. Dieser wird teilweise per Pipeline weitertransportiert. OGE rüstet eine Leitung, durch die bisher Erdgas fließt, entsprechend um. Das Gas könnte beispielsweise ins Ruhrgebiet transportiert werden. Die Chemieindustrie hat einen großen Bedarf an Wasserstoff, der heute noch aus Erdgas hergestellt wird. Dabei wird das Klimagas Kohlendioxid frei. Mittelfristig wird auch die Stahlindustrie zum Abnehmer. In Hochöfen soll Wasserstoff im Laufe der Zeit Koks ersetzen. Statt Kohlendioxid wird dann nur noch umweltneutrales Wasser freigesetzt.
An einer Wasserstofftankstelle können Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle versorgt werden. Auch die Stromnetze sollen profitieren. Dafür wird Wasserstoff ins Erdgasnetz eingespeist, das so zu einer Art riesiger Batterie wird. Bei Bedarf wird dann das Erdgas-Wasserstoff-Gemisch wieder verstromt. So wird elektrische Energie, die im Überfluss produziert wird, für schlechte Zeiten, wenn es im Netz an Strom fehlt, gepuffert.
Wasserstoff im Erdgasnetz
Derzeit darf der Wasserstoffanteil im Erdgas nur zwei Prozent betragen. „Technisch machbar sind 30 Prozent“, sagt Thomas Gößmann, Vorsitzender der Geschäftsführung von Thyssengas. Da jedoch nicht abzusehen ist, dass die Begrenzung gelockert wird, soll in Lingen auch synthetisches Methan aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden. Da Methan ein Hauptbestandteil von Erdgas ist, kann es bedenkenlos und legal in beliebigen Mengen eingespeist werden kann. Das Projekt ist so weit fortgeschritten, dass der Bau beginnen kann, sobald es Klarheit über Investitionszuschüsse für das 150-Millionen-Euro-Projekt gibt. Ob der erste Bauabschnitt wie geplant bis zum Jahr 2022 fertiggestellt wird ist derzeit offen, zumal die Bundesnetzagentur hybridge wohl skeptisch gegenübersteht.
Für das Projekt Element eins sind ebenfalls Investitionskosten von bis zu 150 Millionen Euro veranschlagt. Der Standort wird in Diele in Ostfriesland liegen, wo sehr große Mengen an Windstrom aus den Offshore-Anlagen in der Nordsee anlandet, der oft wegen mangelnder Nachfrage bzw. fehlender Kapazitäten auf den Hochspannungsleitungen nicht verbraucht werden kann. Diese Überschüsse sollen genutzt werden, um Wasserstoff zu erzeugen, der durch umgewidmete Erdgasleitungen zum Verbraucher transportiert werden soll. Auch die Lagerung in Kavernen, die bisher Erdgas aufnehmen, soll getestet werden.
Erst in Phase drei ist die Verschmelzung von Wasserstoff mit Kohlendioxid zu synthetischem Methan geplant. Das CO2 sollen nahe gelegene Biogasanlagen liefern. Diese trennen aus dem in ihnen erzeugten Gasgemisch Kohlendioxid ab, das bisher in die Atmosphäre entlassen wird und das Klima belastet. Ob im Rahmen von Element eins auch synthetische Treibstoffe wie Diesel, Benzin und Kerosin hergestellt werden, die Flugzeuge und Fahrzeuge klimaneutral machen sollen, ist noch nicht entschieden.
In der nächsten Woche stellen wir ein Großprojekt zur Wasserstofferzeugung vor, das in der Nordsee realisiert werden soll.