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Photovoltaik 19.08.2024, 12:00 Uhr

Welche Herausforderungen der Photovoltaik-Boom mit sich bringt

Der Ausbau von Photovoltaik (PV)-Anlagen nimmt hierzulande Fahrt auf und liegt aktuell über den Zielen der Bundesregierung. Daraus entstehen einige Herausforderungen. Eine davon ist die effiziente Integration in das Stromsystem, die immer wichtiger wird.

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Vor allem in Bayern nimmt der Photovoltaik-Ausbau kräftig Fahrt auf.

Foto: PantherMedia/Ann Bastarache

Die Energiewende, eines der ehrgeizigsten Projekte Deutschlands, setzt auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Photovoltaik, deren Wachstum sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat. Im Jahr 2024 wurde das Ziel von 91 GW installierter PV-Leistung vorzeitig erreicht, was das Ziel der Bundesregierung von rund 88 GW für das gesamte Jahr bereits deutlich überschritten hat. Trotz dieser positiven Entwicklungen gibt es nach Einschätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jedoch zahlreiche Herausforderungen, die auf technischer, politischer und wirtschaftlicher Ebene gelöst werden müssen, um eine stabile und nachhaltige Energiewende zu gewährleisten.

Großes Wachstum im Süden der Republik

Ein besonders auffälliges Merkmal des deutschen PV-Booms ist die geografische Konzentration der Anlagen. Bayern, mit seinen vielen Sonnenstunden und großzügigen Förderbedingungen, hat sich zum führenden Standort für PV-Anlagen entwickelt. Dachinstallationen stellen dabei den größten Anteil des Wachstums. In städtischen Gebieten, vor allem in den Großstädten, sind diese ebenfalls auf dem Vormarsch, da immer mehr Haushalte und Unternehmen die Vorteile der Solarenergie für sich entdecken.

Allerdings ist die Verteilung der PV-Kapazitäten geografisch unausgewogen. Während in Bayern mit rund 25 % Gesamtanteil und auch in anderen südlichen Bundesländern die Solaranlagen boomen, sind die nord- und ostdeutschen Regionen noch nicht im gleichen Maße erschlossen. Das stellt das Stromnetz vor besondere Herausforderungen, da der Strom aus sonnenreichen Gebieten in Regionen mit hoher Nachfrage transportiert werden muss. Dieser Transport erfordert teure Investitionen in die Netzinfrastruktur, insbesondere in den Bau neuer Leitungen und Umspannwerke, um die Effizienz des Systems zu steigern und Engpässe zu verhindern.

Freiflächenanlagen, insbesondere in ländlichen Gebieten, werden nach Auffassung des DIW zwar zunehmend genutzt, sind aber immer noch deutlich weniger verbreitet als Dachanlagen. Dabei bieten sie nicht nur eine kostengünstige Möglichkeit, große Mengen an Solarstrom zu erzeugen, sondern haben auch den Vorteil, dass sie in der Regel weniger komplex zu installieren sind und größere Flächen abdecken können. Die Bundesregierung fördert daher verstärkt den Ausbau solcher Anlagen durch Ausschreibungen und Zuschüsse. Dennoch bleibt die Nachfrage hinter den Erwartungen zurück, was auf bürokratische Hürden und lokale Widerstände gegen den Bau großer Solarfelder zurückzuführen ist. „Die Bundesregierung sollte erwägen, die Ausschreibungsmengen im Freiflächensegment nochmals zu erhöhen. Dies könnte auch dazu beitragen, die Ausbaukosten geringer zu halten, da Freiflächen- im Vergleich zu Aufdachanlagen günstiger sind“, sagt Felix Schmidt, Studienautor des DIW-Ampel-Monitors Energiewende.

Technologische Herausforderungen und Marktintegration

Der zunehmende Anteil an Solarenergie im deutschen Energiemix bringt auch technologische Herausforderungen mit sich. Besonders kritisch ist die schwankende Einspeisung von Solarstrom ins Netz. An sonnigen Tagen wird oft mehr Strom produziert, als verbraucht werden kann, was zu einer Absenkung der Strompreise und einem wirtschaftlichen Verlust für die Betreiber führt. Diese Schwankungen stellen das bestehende Stromnetz vor Probleme, da es nicht darauf ausgelegt ist, große Mengen erneuerbarer Energie effizient zu verarbeiten.

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Eine vielversprechende Lösung für dieses Problem ist die Flexibilisierung des Strommarkts. Das könnte durch den Einsatz von Speichersystemen erreicht werden, die überschüssigen Solarstrom zwischenspeichern und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen. Solche Systeme, sei es in Form von Batterien oder anderen Speichertechnologien, könnten dazu beitragen, den Wert des erzeugten Stroms zu maximieren und die Stabilität des Netzes zu gewährleisten.

„Genauso wichtig wie der Erneuerbaren-Ausbau sind die entsprechenden Infrastrukturen,“ erläutert Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW). „Der Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Entwicklung von Speichern und innovativen Konzepten müssen mit dem Erneuerbaren-Ausbau Hand in Hand gehen. Denn grüner Strom bringt uns nichts, wenn er nicht genutzt werden kann. Hier muss die Bundesregierung die noch verbliebenen Hemmnisse aus dem Weg räumen.“

Eine weitere Herausforderung durch den zunehmenden Anteil von Solareinspeisungen sieht das DIW in den Großhandelspreisen für Solarstrom. In den Mittagsstunden, wenn die Sonneneinstrahlung am höchsten ist und die Produktion entsprechend ansteigt, fallen die Strompreise oft dramatisch ab. Das führt zu Einnahmeverlusten für Betreiber von PV-Anlagen, die auf eine kontinuierliche Einspeisung angewiesen sind. Um diesen Effekt abzumildern, sind innovative Marktmechanismen erforderlich, die eine höhere Flexibilität in der Stromnutzung ermöglichen. Denkbar wäre hier eine stärkere Kopplung von Solarstrom an andere Energieträger oder eine verbesserte Vernetzung mit industriellen Verbrauchern, die in Spitzenzeiten zusätzlichen Strom abnehmen könnten.

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Photovoltaik: Strategische Abhängigkeit und geopolitische Risiken

Neben den technologischen Herausforderungen steht Deutschland auch vor geopolitischen Risiken im Zusammenhang mit der Photovoltaik. Ein erheblicher Teil der in Deutschland installierten Solarmodule stammt aus China, dem weltweit größten Produzenten von Solartechnologien. Diese Abhängigkeit birgt Risiken, insbesondere angesichts zunehmender Handelskonflikte und politischer Spannungen zwischen China und westlichen Staaten. Sollte es zu Störungen in der Lieferkette kommen, könnten die Preise für Solarmodule drastisch steigen und den weiteren PV-Ausbau in Deutschland gefährden.

Um diesem Risiko entgegenzuwirken, schlagen die Expertinnen und Experten des DIW Berlin vor, eine strategische Modulreserve aufzubauen. Eine solche Reserve könnte in Zeiten von Lieferengpässen genutzt werden, um den weiteren Ausbau der PV-Kapazitäten sicherzustellen und die Abhängigkeit von externen Lieferanten zu reduzieren. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit betont, die heimische Produktion von Solarmodulen zu stärken und so langfristig eine unabhängige Versorgung sicherzustellen.

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Von Elke von Rekowski
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