Digitalisierung in der Energiewirtschaft: ein stetiger Entwicklungsprozess
Die Veränderungen der Digitalisierung in der Energiewirtschaft haben verschiedene Facetten: Neben der reinen Automatisierung und Digitalisierung sind es neue Trends, die die Geschäftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette verändern. Die schnelle Reaktion und Adaption auf Marktbedarfe dürften dabei den Chancen bringenden Vorsprung schaffen. Wesentliche Punkte sind dabei Kundenzentrierung und regelmäßige Review-Prozesse.
Die Energiewirtschaft befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel. War es vor vielen Jahren die Liberalisierung im Strom- und Gasmarkt, werden mittlerweile vielfach Megatrends unserer Zeit wie Digitalisierung, Dekarbonisierung oder Ressourceneffizienz genannt. Doch was sind Megatrends?
Der Think Tank Zukunftsinstitut GmbH hierzu: „Megatrends muss man nicht ‚voraussagen‘, denn sie sind schon da und markieren Veränderungen, die uns schon lange prägen und auch noch lange prägen werden. Megatrends sind Tiefenströmungen des Wandels.“
Was bedeuten Megatrends für die Energiewirtschaft und wie können sie im Unternehmen operativ und nutzbringend angewendet werden? Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) charakterisiert die Digitalisierung der Energiewirtschaft als „das größte nationale IT-Projekt aller Zeiten“. Dabei geht es neben der zunehmenden Anzahl an Datenflüssen vor allem darum, die in Zusammenhang stehenden Prozesse und Systeme zu automatisieren – und das effizient und schnell.
Die GasVersorgung Süddeutschland GmbH (GVS) hat sich bereits frühzeitig für die Digitalisierung verschiedener Geschäftsprozesse entschieden – und dies insbesondere auch zur Abdeckung der neuen, digitalen Kundenbedarfe. Bereits Anfang 2017 brachte GVS den Energiemarktplatz „E-Point“ auf den Markt, der diverse energiehandelsnahe Prozesse auf einer Plattform bündelt und dort alle individuellen Datenströme den jeweiligen Kunden in aufbereiteter und stets aktualisierter Form zur Verfügung stellt. In verschiedenen Tools können Nutzer dann zum Beispiel komfortabel eigene Daten analysieren oder Energie beschaffen oder verkaufen. Der Anspruch von E-Point „transparent, einfach, sicher“ ist dabei die Maxime, die nicht nur das Angebot, sondern auch die Anforderungen charakterisiert.
Kontinuierliche Weiterentwicklung des digitalen Portfolios
Nichts ist so stetig wie der Wandel – das gilt für die Branche und auch für die digitalen Instrumente. Genauso wenig wie der Wandel in der Energiewirtschaft jemals zu Ende sein wird, ist eine digitale Plattform auch nie „zu Ende entwickelt“: Neue Produkte, neue Kundenbedarfe und neue Trends erfordern nicht nur eine stetige Optimierung bestehender Implementierungen, sondern auch die Entwicklung neuer Angebote und Leistungen.
Die daraus resultierende, logische Konsequenz für GVS: eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Leistungs- und Produktportfolios von E-Point eng am Markt. Beispielsweise konnte GVS von Beginn an eine Online-Bepreisung von Gasfahrplänen (Gas2Go) als digitales Tool anbieten. Im Zuge der Ausdehnung der GVS-Strom-Strategie war die Implementierung einer Bepreisung von Stromfahrplänen und die Einrichtung des „Spotpools“, dem Spotzugang Strom, bei dem mit anderen Kooperationspartnern Kosten eingespart werden können, somit nur eine Frage der Zeit. Zudem wurden auf Basis bestehender E-Point-Tools auch White-Label-Angebote für Kunden entwickelt, die losgelöst von E-Point und mit eigenem Branding genutzt werden können.
Was bei der Entwicklung und Umsetzung von neuen Ideen immer bleibt, ist die konkrete Anforderung einer einfachen, transparenten und komfortablen Verfügbarmachung von Datenflüssen und ihrer Verarbeitung. Dies erfolgt innerhalb der angebotenen E-Point-Tools, via Schnittstellen – beispielsweise vom Handelsbildschirm „Markt“ direkt in ein Kundensystem oder losgelöst von klassischen digitalen Tools in Form von aufbereiteten Marktanalysen und der Verfügbarmachung von Preisdaten im Charting-Tool und der Analystenkonferenz „Energie Call“.
Positive Fehlerkultur und Kundenzentrierung
Neue Produkte entwickeln, erweitern und anpassen – ein stetiger Wechselprozess vor dem Hintergrund der strategischen Unternehmensausrichtung. Wie können jedoch strategische Entscheidungen hinsichtlich der tatsächlichen Kunden- beziehungsweise Marktbedarfe getroffen werden? Woran lassen sich konkrete Produkt- und Dienstleistungsbedarfe von Marktteilnehmern erkennen und hinsichtlich ihres Potenzials bewerten? Die Antworten lauten hier: das Ohr am Markt haben, Kunden verstehen und auch einmal Mut haben, Dinge auszuprobieren – wohl wissend, dass nicht immer alles funktionieren kann und sich am Markt durchsetzt. Es gilt Fehler zuzulassen und konstruktiv zu nutzen.
Insbesondere Letzteres erfordert die Notwendigkeit, vorab die Erfolgsfaktoren und Zielgrößen für einen objektivierten Review zu definieren. Bekanntlich ist dabei nicht immer eine digitalisierte Idee zwangsweise auch die oberste Priorität bei Kunden und Marktteilnehmern, auch wenn die übergeordnete Trendentwicklung dies im jeweiligen Zeitfenster eigentlich bestätigt. In einem Markt der zunehmenden Digitalisierung muss daher ein individueller Weg gefunden werden, Trendentwicklungen und konkrete Umsetzungsbedarfe digitaler Prozesse mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Priorisierung entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette erkennen und bewerten zu können. Ein Weg, dies zu tun, ist auch die Kunden in die Entwicklung von vorneherein mit einzubeziehen. Zum einen schafft dies Vertrauen und Kundenbindung. Zum anderen aber vor allem konkrete Antworten des späteren Adressatenkreises auf operative Fragestellungen.
Review und Facelifting auch für Plattformen
Die Geschwindigkeit, mit der sich mittlerweile die Energiewelt weiterentwickelt, erfordert auch eine kontinuierliche Strategieüberprüfung bestehender Implementierungen und unternehmerischen Ausrichtungen. Für E-Point als dynamische Plattform bedeutet dies einen regelmäßigen Review-Prozess – weniger nur zu den Nutzerkennzahlen, sondern vielmehr zur Markt- und Wettbewerbsfähigkeit E-Points und dem „State-of-the-Art“-Anforderungsprofil der Marktteilnehmer. Die Reviews sollten sich dabei auf funktionale, IT-technische und trendorientierte Ebenen fokussieren, um den größtmöglichen Benefit für beide Seiten – Anbieter und Kunden – zu generieren. Erst im vergangenen Sommer identifizierte GVS in Zusammenarbeit mit einer studentischen Unternehmensberatung in diesem Kontext einige klare Handlungsfelder. Die innovative, auch unkonventionelle und die nicht eingefahrene Arbeits- und Denkweise ermöglichte es, einen unverstellten Blick von außen zu erhalten. „Quick-Wins“ konnten dabei unmittelbar, und weitere Punkte auf der Zeitachse umgesetzt werden.
Digitales Arbeiten – Next Level
Digitalisierung bedeutet jedoch nicht nur digitale Prozesse vor dem Hintergrund von Datenflüssen und Automatisierungen bereitzustellen. Digitalisierung bedeutet auch, sich zum Beispiel neuen Formen der Arbeitswelt zu widmen. Die Corona-Pandemie forcierte hierbei ungeplant an vielen Stellen eine zügige Entwicklung in Richtung dieses Trends. Wie vielen Menschen konnte durch die Anforderung an das mobile Arbeiten „spontan“ Zugang zum digitalisierten Arbeiten im Homeoffice gewährleistet werden? Welche Anforderung stellte das an die Cybersicherheit? Moderne Video- und Telefonkonferenz-Software, digitale Unterschriftenprozesse oder auch die grundlegende Hardwareanforderung an ein Homeoffice lieferten einen ganz neuen Impuls für so manche Marktteilnehmer – und das ganz ohne zeitlichen Vorlauf. Gleichzeitig war klar, dass Präsenzveranstaltungen oder Kundengespräche vor Ort in einer Pandemie mit Lockdown-Maßnahmen nicht lebbar und auch nicht geeignet sind.
Doch auch hier zeigte sich, dass eine frühzeitige Kenntnis und Umsetzung neuer Trends die Umsetzung digitaler Arbeits- und Kommunikationswelten erleichtert. GVS folgte auch hier bereits lange vor Ausbruch von Covid-19 dem Trend von digitalen Veranstaltungsformaten: Die breite Aufstellung von kurzen Online-Webinaren und -Produktvorstellungen bis hin zu Schulungen und mehrtägigen Online-Veranstaltungen ermöglicht es GVS, den Kontakt zu den Kunden und Marktteilnehmern gerade auch während erschwerter Zeiten aufrecht zu erhalten und sogar zu intensivieren – und das digital und persönlich.
Das Ohr am Markt per Online-Feedback
Der Bedarf an hochwertiger Know-how-Vermittlung in kompakter Form, die Bereitschaft, digitale Formate zu nutzen und die Chance, hierdurch dem Digitalisierungstrend des „New Work“ frühzeitig Rechnung tragen zu können, bestätigt das Konzept der GVS „:connect 2021“. Diese dreitägige Veranstaltung vereinigte aktuelle Marktthemen und Produktvorstellungen in vielfältigen, interaktiven Formaten. 38 Veranstaltungen – Fachvorträge, Podiumsdiskussion, „Design-Thinking“-Workshop, digitales „Barcamp“ oder „Guided Tours“ – luden ein, sich mit Fachleuten aus der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft auszutauschen und den Know-how-Transfer zu nutzen.
Im Zuge der Konzepterstellung und Planung des neuen GVS-Jahresevents bestätigte sich ein weiterer Trend: Auch die Vertriebswege und der Kundendialog ändern sich in einer digitalen Welt. Neben der weiterhin relevanten persönlichen Kundenansprache spielt die Marktkommunikation via Social-Media-Kanälen und Online-Medien eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Reichweite eines aktiven, umfassenden Online-Marketings darf keinesfalls unterschätzt werden. Im Gegenteil: Hier bietet sich neben der reinen unidirektionalen Online-Kommunikation auch das Feedback der Teilnehmer an den verschiedenen Kontaktpunkten an. Genau dieses Feedback ist es, was „das Ohr am Markt haben“ mit ausmacht. Megatrends wie Wissenskultur, Konnektivität, Neo-Ökologie oder New Work sind es, die in ihrer Wechselwirkung gemeinsam im übergeordneten Sinn die Bedarfe des Markts definieren und verändern.
Genderhinweis: Viele Publikationen gehen derzeit zur genderneutralen Schreibweise über. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Dr. Sonja Baumann, Analystin bei der GasVersorgung Süddeutschland GmbH