Weshalb Bioenergie ein Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele sein kann
Das Ende der fossilen Energieträger läutet das Zeitalter eines intelligenten, erneuerbaren Energiemixes ein. Bioenergie steht in den Startlöchern, um die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und der Industrie voranzutreiben. So eröffnen etwa Holzpellets neue Möglichkeiten für die Folgenutzung bestehender Kraftwerke. Zudem sind die Produktion von Wasserstoff sowie Biomasse mit Kohlenstoffabscheidung Optionen im Sinne des Klimaschutzes.
Die Bundesregierung rechnet in ihrem Klimaschutzplan 2030 mit einem Bruttostromverbrauch von unter 600 TWh im Jahr 2030. Dabei gehen zahlreiche Studien davon aus, dass durch eine steigende Elektrifizierung in den Bereichen Wärme, Industrie, Energie und Verkehr der Bruttostromverbrauch im Jahre 2030 bei mindestens 650 TWh (Agora Energiewende, Ökostromlücke) und bei maximal 886 TWh (Dena-Leitstudie 2018, Szenario EL80) liegen wird.
Berechnungen von Aurora Energy Research zufolge wird die Bundesregierung ihr Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 65 % zu steigern, trotz der jüngsten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verfehlen. Die im Dezember 2020 veröffentlichte Studie rechnet mit einem Bruttostromverbrauch von 629 TWh, gegenüber den von der Bundesregierung kalkulierten 580 TWh. Bei den Ausbauzielen fehlen laut Fachleuten auch 2 bis 3 GW im Bereich Biomasse.
Grüne Wärme: Holzenergie ist Wasserstoff-ready
Mit dem steigenden Anteil an erneuerbaren Energien am deutschen Energiemix und der damit einhergehenden Elektrifizierung, werden regulierbare erneuerbare Energien im Wärmemarkt immer wichtiger. Da Wasserstoff in der Zukunft für die Dekarbonisierung von Stahl und anderen Industrieprozessen herangezogen werden soll und damit zu wertvoll für die Wärmebereitstellung ist, fehlt es an skalierbaren, dezentralen Alternativen.
Holzenergie kann dabei einen notwendigen Teil der Energiewende in Deutschland in Ergänzung zu Solar- und Windenergie darstellen und ist als Technologieoption bereits „Wasserstoff-ready“. Das bedeutet, dass sie sich in Zukunft bei Bedarf auch für die Produktion grünen Wasserstoffs heranziehen lässt.
In Zeiten ohne Wind und Sonne können Holzpellets die Versorgungssicherheit ergänzend gewährleisten. Die diesjährige „Texas-power-crisis“ ist nur ein Beispiel für die unglückliche Verquickung von Spitzenlastzeiten und Dunkelflauten. In Texas, USA, beliefen sich die wirtschaftlichen Schäden auf bis zu 200 Mrd. US-$.
Steigende CO2-Preise verändern Energiemix
Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2038 alle Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, wahrscheinlich wird das sogar schon früher der Fall sein, voraussichtlich im Jahr 2030. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird dabei eine wesentliche Voraussetzung sein. In den bereits veröffentlichten Wahlprogrammen der Parteien für den Bundestagswahlkampf 2021, lässt sich die fortschreitende Entwicklung zu mehr Klimaschutz über alle Parteien hinweg beobachten.
Insbesondere die jüngsten Rekord-CO2-Preise im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) und nationale Kohlenstoffszenarien, die für 2027 Preise im Bereich 75 bis 300 €/t erwarten lassen, erhöhen die Notwendigkeit für CO2-neutrale Alternativen zu Kohle und Gas in der deutschen Wirtschaft (Bild 1).
Kraftakt bedarf umfassender Maßnahmen
Das stellt alle Beteiligten vor die Herausforderung, in kurzer Zeit eine langfristige und zugleich möglichst wirtschaftliche Energieversorgung sicherzustellen. Dieser Kraftakt bedarf umfassender Maßnahmen vonseiten der Wirtschaft und der öffentlichen Hand. Ein Baustein in diesem Großvorhaben kann die grüne Weiternutzung von ausgewählten Kohlekraftwerken mit Biomasse sein.
Holzpellets eröffnen die Möglichkeit, bestehende Kraftwerke weiter zu nutzen, und das mit geringem Investitionsaufwand sowie mit einer hohen Investitionssicherheit, damit keine Gefahr besteht, etwa unter einen CO2-Preisdruck zu geraten. Während der Neubau eines Gaskraftwerks viele Jahre in Anspruch nimmt – inklusive aufwendiger Genehmigungsprozesse – beträgt die Dauer für eine Umrüstung auf ein Biomassekraftwerk gerade einmal zwei Jahre (Bild 2).
Unkomplizierte Weiternutzung bei Biomasse möglich
Ein weiterer Vorteil ist, dass sich Infrastruktur und Versorgungskette weiter nutzen lassen. Denn Heizkessel, Häfen, Güterbahnhöfe und Stromleitungen sind bereits vorhanden. Lediglich einige Modifizierungen in der Lieferkette, der Lagerung sowie an den Mühlen und Kesseln müssen vorgenommen werden.
Trotz des Kohleausstiegs können somit die Arbeitskräfte im Kraftwerk und in der dazugehörigen Logistik weiterbeschäftigt werden. Zudem ermöglicht Biomasse durch den Einsatz in Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK)-Anlagen auch die schnelle und großflächige Dekarbonisierung des Wärmesektors und unterstützt damit direkt die Energie- und Wärmewende im Gebäudesektor und bei industrieller Prozesswärme. Gerade wenn ein Kraftwerk über eine Wärmeauskoppelung verfügt, ist der Wirkungsgrad durch die zusätzliche Wärmenutzung mit 70 bis 90 % deutlich höher als bei der reinen Stromerzeugung.
Vorreiter Dänemark, Niederlande und Großbritannien
Umrüstungsbeispiele in Ländern wie Japan, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden, wie auch in anderen europäischen Staaten, haben bereits erfolgreich den Beitrag von Bioenergie zum Kohleausstieg demonstriert. Großbritannien etwa hat früh angefangen, Kohlekraftwerke auf Biomasse umzurüsten; ein großer Teil des dänischen Fernwärmenetzes wird mittlerweile mit – zum Teil aus Deutschland importierten – Holzpellets betrieben, und auch die Niederlande setzen fortwährend auf den Einsatz von Biomasse.
So betonte das niederländische Umweltamt erst kürzlich in seinem Bericht zu Verfügbarkeit und Anwendungsmöglichkeiten nachhaltiger Biomasse, dass dieser Brennstoff in einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft notwendig und das Erreichen der Klimaziele ohne Biomasse nicht möglich sei.
Transatlantische Biomasse-Partnerschaft
Die nachhaltige Forstwirtschaft in den USA basiert auf der Nachhaltigkeitsregel gemäß Erneuerbarer-Energien-Richtlinie der EU (RED II). Dies erfüllt die Anforderungen europäischer Kundschaft. Das Unternehmen Enviva strebt enge und vertrauensvolle Partnerschaften mit regionalen Unternehmen aus der deutschen Forstwirtschaft, der Pelletindustrie und der Energiewirtschaft an. Als der nach eigenen Angaben weltweit größte Hersteller von nachhaltigen industriellen Holzpellets, mit einer sich kontinuierlich im Ausbau befindlichen Produktionskapazität von 5 Mio. t, bringt Enviva das Know-how, die Technologie und Erfahrungswerte von anderen Märkten mit.
Bedarf an Pellets durchgehend sicherstellen
Gemeinsam könnten langfristige Lieferverträge eingegangen und damit die Versorgungssicherheit garantiert werden, die wiederum ein Kraftwerksbetreiber für eine Investitionsentscheidung benötigt. Dank der großen Produktionskapazität in den USA lässt sich sicherstellen, dass auch dann genügend Holzpellets zur Verfügung stehen, wenn deutsche Pelletwerke den Bedarf nicht decken können.
Dabei ist es dem Unternehmen wichtig, einen Lieferansatz zu finden, der so nachhaltig wie möglich und für die Kundschaft passgenau ist. Die Kombination der Belieferung von Biomassekraftwerken aus deutschen und amerikanischen Quellen kann somit eine energie- und forstwirtschaftlich sinnvolle Lösung sein.
Klimavorteile trotz langer Transportwege
Grundsätzlich gilt, dass holzbasierte Biomasse nachwächst und als eine Quelle für erneuerbare Wärme gilt. Denn zu Pellets gepresste Holzabfälle werden verbrannt und setzen nur die Menge an CO2 frei, die das Holz in seiner Wachstumszeit gebunden hat. Der Klimaschutz-Vorteil von industriellen Holzpellets gegenüber fossilen Energieträgern bleibt auch dann bestehen, wenn sie auf dem Wasserweg aus den USA nach Deutschland transportiert werden. Die Treibhausgas (THG)-Minderungsquote gegenüber Kohle beläuft sich hier auf rund 85 %.
„Contracts for difference“ als intelligentes Förderinstrument für Bioenergie
Smarte Fördermechanismen für Bioenergie in Großkraftwerken sind in der Form von Contracts for difference (CFD) bereits identifiziert und finden entsprechende Anwendung bei anderen erneuerbaren Energien, wie Offshore Wind. Eine Umrüstung bedarf in der Regel einer Förderung zur Gewährleistung eines wirtschaftlichen Betriebs, da derzeit aufgrund der überkommenen Subventionsstrukturen von fossilen Grundlasttechnologien, eine Marktverzerrung herrscht, die mittelfristig durch eine angemessene CO2-Bepreisung und weitergehende ordnungspolitische Maßnahmen ausgeglichen werden muss. Eine Förderung über einen CFD bietet den Vorteil der Minimierung von Strommarktrisiken.
Bei CFD konstituiert der Strike-Preis (SP) das Hauptelement des Förderrahmens. Der SP bezeichnet das garantierte, für die Betreiber kostendeckende, Erlösniveau. In diesen fließen auch Überlegungen ein, um eine Unabhängigkeit des Betreibers gegenüber Strommarkterlösen zu gewährleisten, aber ebenso Rückzahlungen zu leisten, wenn die Strommarkterlöse über dem SP liegen.
Bioenergie als tragende Säule der internationalen Klimastrategie
Der Executive Director der International Energy Agency (IEA), Fatih Birol, mahnt im Rahmen des neuen „Net-Zero Emissions“ (NZE)-Reports eindringlich: „Wenn es den Regierungen mit der Klimakrise ernst ist, darf es ab sofort keine neuen Investitionen in Öl, Gas und Kohle geben.“
Dennoch gibt es eine Reihe von Bereichen im Verkehr und in der Industrie, in denen es schwierig ist, die Emissionen vollständig zu eliminieren. Dazu zählen der Luftverkehr oder die Schwerindustrie. Selbst unter Einsatz erneuerbarer Energien werden beide Sektoren im Jahr 2050 noch ein geringes Niveau an Restemissionen haben.
Neben der Bioenergie als solche, spielt die Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (BECCS) im NZE-Report eine entscheidende Rolle bei der Kompensation von Emissionen aus Sektoren, in denen die vollständige Eliminierung von Emissionen nur sehr schwer zu schaffen ist. 2050 erreicht der Energiebedarf für die Elektrifizierung 35 EJ.
Jährliche Steigerungsraten von drei Prozent bei Biomasse
Laut IEA bietet feste Bioenergie eine flexible, emissionsarme Erzeugung zur Ergänzung von Photovoltaik und Wind. Im Jahr 2050 liefert Bioenergie weltweit rein rechnerisch zudem auch etwa 50 % der Fernwärmeerzeugung in größeren Kommunen. Laut NZE-Report wird die Energieerzeugung mittels Bioenergie jährlich um 3 % wachsen. Dies ist auch in einem der Hauptvorteile der Bioenergie begründet: der Weiternutzung bestehender Infrastruktur und einer damit verbundenen schnellen Dekarbonisierung.
Im Jahr 2050 wird zudem der Bedarf an erneuerbaren Energien der Industrie rund 20 EJ betragen. Dies ist der steigenden Elektrifizierung vieler Hochtemperaturprozesse geschuldet. Auch hier kann Bioenergie klimaneutrale Hochtemperaturwärme liefern und damit die Emissionsintensität bestehender Anlagen reduzieren. Die European Cement Research Academy (ECRA) schätzt, dass die Substitution fossiler Energieträger durch Abfall oder Biomasse bis 2050 30 % in Entwicklungsregionen und 70 % in entwickelten Regionen erreichen könnte. Darüber hinaus wird Biomasse immer wichtiger im stofflichen Substitutionsbereich werden.
Bioenergie-Plattform für Innovationen
Mit Blick in die Zukunft ist Bioenergie mit BECCS eine vielversprechende Lösung, und eine der ganz wenigen Optionen, die tatsächlich Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen und damit negative Emissionen erzeugen kann. Sobald die Technologie ausgereift ist, könnte BECCS den Beginn einer neuen Ära für kohlenstoffarme Kraftstoffanwendungen markieren, die es Unternehmen ermöglicht, internationale Netto-Null-Ziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen.
Betrachtet man zukunftsorientierte Lösungen, wie die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft, wird Biomasse weiterhin unverzichtbar bleiben und andere wichtige Funktionen übernehmen. Die naheliegendste ist die direkte Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Wasserstoff durch Vergasung und damit die Vermeidung von Kohlenstoffemissionen, die mit Erdgas verbunden sind (Bild 3).
Verscheidene Lösungen für Klimaneutralität in 2045 vonnöten
Noch weiter in der Zukunft – wenn überschüssige Sonnen- und Windenergie potenziell zur Erzeugung von Wasserstoff in großem Maßstab genutzt werden können – ist die Option, Kraftstoffe mittels BECCS zu produzieren, was zu negativen THG-Emissionen führen könnte. Ebenso werden die Bemühungen zur Dekarbonisierung in der Schwerindustrie, wie in der Stahl- und Zementindustrie, rapide zunehmen und auch sie werden nach Bioenergielösungen suchen, um ihre Betriebe zu dekarbonisieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Deutschland mehr erneuerbare Energielösungen benötigt, um das Projekt Klimaneutralität im Jahr 2045 umzusetzen. Nachhaltig gewonnene Holzbiomasse bietet in diesem Kontext sowohl für die Umwelt als auch für die Energiewirtschaft der Zukunft umfangreiche Vorteile und Lösungen.
Marius Hachenberg, General Manager Germany bei Enviva