Wie man das komplexe Thema Mieterstrom in den Griff bekommt
Die großen Potenziale von Mieterstrom per Photovoltaik werden in der Praxis noch viel zu wenig erschlossen. Häufig stellen die damit zusammenhängenden Aufgabenstellungen, insbesondere die Abrechnung, eine Hürde dar. Mit entsprechenden Plattform-Lösungen lassen sich diese bewältigen.
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht einen ambitionierten Zubau von Photovoltaik (PV)-Anlagen vor. Einzelne Bundesländer, wie etwa Baden-Württemberg, gehen diesen Schritt Richtung Solaroffensive bereits, denn seit Mai 2022 gilt hier für alle neuen Wohngebäude eine PV-Pflicht. Im Zuge dessen gewinnt das Thema Mieterstrom an Bedeutung.
Mieterstrom heißt, dass die auf dem Gebäude erzeugte Energie nicht mehr nur ins Stromnetz eingespeist wird, sondern auch von den Mietenden sowie Eigentümerinnen und Eigentümern selbst genutzt werden kann. Umsetzung und Abrechnung gestalteten sich bislang komplex, Hemmnisse und bürokratische Hürden sind hoch. Das Start-up metergrid hat daher eine herstellerunabhängige Software-as-a-service (SaaS)-Lösung für die Umsetzung von Mieterstromprojekten ab zwei Parteien entwickelt.
Das Unternehmen hat bereits 2019 damit begonnen, eine Software zu entwickeln, mit deren Hilfe alle Immobilieneigentümer und -eigentümerinnen und auch kleinere Wohneigentumsgemeinschaften Energieversorger werden und den selbstproduzierten Strom an die Mietenden verkaufen können. Davon profitieren alle Beteiligten: Die Besitzerinnen und Besitzer, weil sie zusätzliche Einnahmen generieren und den Wert ihrer Immobilie erhöhen; die Mieterinnen und Mieter, weil sie Strom beziehen, der in der Regel günstiger ist als der Strom aus dem Netz. Und die Umwelt, weil die erzeugte Energie nachhaltig und sauber ist.
Häufig ein komplett neues Geschäftsfeld
Entscheiden sich Gebäudeeigentümer und -eigentümerinnen dafür, nicht nur Wohnungen zu vermieten, sondern auch Strom zu produzieren und diesen an die Mietenden zu verkaufen, ist die Vorgehensweise hierfür aufgrund der Komplexität hoch. Zudem ist die Stromversorgung für die allermeisten Immobilieneigentümer und -eigentümerinnen ein komplett neues Geschäftsfeld.
Für die Zusammenarbeit hat metergrid einen bereits erprobten Prozess aufgesetzt. Bevor ein Mieterstromprojekt startet, werden zunächst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt und alle offenen Fragen der potenziellen Kundinnen und Kunden geklärt. Oftmals besteht in diesem Stadium des Projekts eine Unsicherheit darüber, was mit dem Reststrom passiert. Denn die durch eine PV-Anlage erzeugte Energie wird bei Mieterstromprojekten direkt an die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses geliefert.
Ist der Energiebedarf im Haus höher als die eigene Erzeugung, müssen Vermieter und Vermiterinnen den Reststrom teuer zukaufen. Metergrid unterstützt hier viele Kundinnen und Kunden mit einem Zwei-Tarif-System. Das bedeutet, dass Immobilieneigentümer und -eigentümerinnen ihren Mieterinnen und Mietern einen Preis für den Solarstrom und einen Preis für den Reststrom aus dem Netz anbieten. Dadurch sind Vermiterinnen und Vermieter abgesichert und müssen keine etwaigen Mehrkosten tragen.
Anpassungen im Zählerschrank
Auch die Frage, was im Zählerschrank geändert werden muss, um eine passende Messinfrastruktur und die Messauswertung gewährleisten zu können, ist zu Beginn eines Mieterstromprojekts ein Aspekt, der Viele beschäftigt. Oftmals werden für Mieterstrommodelle Summenzähler benötigt, wofür zunächst die Zählerschränke teuer umgebaut werden müssen und die Projekte somit schnell unrentabel werden können. Metergrid verbaut zu einem gewissen Anteil geeichte Zähler und liest diese über eine optische Schnittstelle aus. Sofern vom Netzbetreiber genehmigt, ermöglicht ein entsprechendes Messkonzept, Daten per WLAN oder LTE direkt an die Metergrid-Software zu übermitteln. So lassen sich die Umbauarbeiten in den Zählerschränken kostengünstiger umsetzen oder sogar vollumfänglich vermeiden.
Umsetzung eines Mieterstromprojekts
Sobald alle offenen Fragen beantwortet sind, kann das Mieterstromprojekt in die Umsetzung gehen. Dazu holt der Kunde/die Kundin zunächst ein Angebot eines Solateurs ein, und metergrid stimmt sich mit diesem initial bezüglich der Arbeitsteilung und der etwaigen Umbauten im Zählerschrank ab. Ebenso erfolgt eine Abstimmung des Messkonzepts mit dem Netzbetreiber. Metergrid setzt sich mit dem Kunden/der Kundin zusammen, um alle wirtschaftlichen, vertraglichen und regulatorischen Themen zu besprechen, wie die Tariffindung oder die Mieterstrommusterverträge. Letztlich folgt das Software-Onboarding, bei dem zunächst ein Demo-Projekt gezeigt und dann das konkrete Projekt aufgesetzt wird.
Cloud-basierte SaaS-Lösung
Die Solar-Bürger-Genossenschaft (SolarGeno) hat ihr erstes Mieterstromprojekt in Kirchzarten im Schwarzwald von der Anforderungsaufnahme bis zur Inbetriebnahme der Anlage gemeinsam mit metergrid umgesetzt. Für eine Genossenschaft, die durch Ehrenamtliche getragen wird, ist es wichtig, den operativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. SolarGeno nutzt das Metergrid-Betreiberportal für die Verwaltung und Abrechnung der Anlage in Kirchzarten und kann somit den operativen Aufwand minimieren.
Die SaaS-Lösung ist cloudbasiert und unterstützt sämtliche Verwaltungsprozesse mit Fokus auf der Buchhaltung. Sie erleichtert etwa die Verwaltung von Rechnungen, Verträgen, Förderungen, Abschlägen oder den Mietendenwechsel. „Mit unserer Lösung machen wir diese komplexe Regulatorik verständlicher und fassen sie in leichte Prozesse“, sagt Julian Schulz, Gründer von metergrid. „Damit gelingt es uns, die Komplexität des Themas dezentrale Energieversorgung auch für Laien intuitiver und den Prozess als solchen zugänglicher zu machen.“ Mittlerweile hat metergrid bereits über 100 Immobilieneigentümer und -eigentümerinnen mit ihrer Software überzeugt.
Bedeutung von Energy Communities wächst
Langfristig wird auch das Thema Energy Community, also der Zusammenschluss von dezentralen Stromerzeugungsanlagen eine Rolle spielen. Denn alle Projekte, die über die Software laufen, sind im Prinzip kleine Solarkraftwerke, die in der Zukunft auch Energie untereinander teilen können.
Louisa Becker, Redakteurin bei der Sympra GmbH