Der Wallbox könnte der Saft ausgehen
Das Wirtschaftsministerium bereitet ein Gesetz vor, das die bedarfsweise Abkopplung von Ladestationen für E-Autos bei Strommangellagen vorsieht. Auch Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA machen sich dazu Gedanken.
Anfang nächsten Jahres soll ein Gesetz in Kraft treten, das es Stromversorgern ermöglicht, die Ladeleistung an Wallboxen zu begrenzen oder zu kappen, wenn das Netz zusammenzubrechen droht. Den Gesetzentwurf bereitet die Bundesnetzagentur (BNetzA) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vor. Vor allem in den Abendstunden könnte das passieren, wenn nach dem Tagespensum die heimkehrenden E-Autos aufgeladen werden. Auch in flapsig „Zahnarzt-Alleen“ genannten Straßen kann es eng werden. Darunter verstehen Stromversorger Gegenden, in denen besonders viele E-Auto-Besitzerinnen und -Besitzer wohnen.
Autoindustrie ist alarmiert
Bereits im Januar trug die BNetzA ihre Sorgen in die Öffentlichkeit: „Wenn weiter sehr viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind Überlastungsprobleme und lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten“, so BNetzA-Präsident Klaus Müller. Die künftig drohende zeitweise Trennung von Wallboxen vom Netz hat die Autoindustrie alarmiert. Sie fürchtet um den Absatz ihre E-Mobile, wenn die Käuferinnen und Käufer nicht sicher sein können, dass sie diese zu beliebigen Zeiten aufladen können. Die Stromversorger wiederum fürchten um die Netzstabilität. Das „untergräbt das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher und die Akzeptanz der Elektromobilität spürbar“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Energiewirtschaft müsse dafür sorgen, dass Engpässe gar nicht erst entstehen, also die Stromnetze ausbauen.
Leistungsfähige Wallboxen müssen genehmigt werden
Weil die E-Mobilität boomt und zudem Wohnungen immer öfter mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen geheizt werden, steigt der Strombedarf, und das oft zeitgleich in vielen Haushalten. So kommt es insbesondere abends zu sogenannten „signifikanten Lasten“, für die die Stromnetze im Niederspannungsbereich jedoch nicht ausgelegt sind. Die Versorger versuchen das in den Griff zu bekommen, indem sie die Verbraucherinnen und Verbraucher auffordern, ihnen die Installation von Wallboxen mitzuteilen. Bei einer Ladeleistung von mehr als 11 kW behalten sie sich sogar vor, die Installation zu verweigern, ehe die Leitungskapazitäten nicht angepasst sind. „Mit der Anmeldung ihrer Ladeeinrichtung tragen unsere Kundinnen und Kunden dazu bei, dass wir die Strombedarfe und Lastenschwerpunkte besser erkennen“, sagt Markus Schirmer, beim Energieversorger EWE für die Entwicklung des Energienetzes zuständig.
„Enorme Herausforderungen“
Der vor allem in Baden-Württemberg tätige Stromversorger EnBW hat in vier sogenannten Reallaboren im Ländle untersucht, wie das Netz mit der zunehmenden Zahl von E-Autos zurechtkommt. Danach müssen Zahnarzt-Alleen oft mit großen Batterieblöcken ausgestattet werden, um Verbrauchsspitzen abzufangen. Auch zusätzliche Leitungen sind oft nötig. Die Netzbetreiber stehen vor „enormen Herausforderungen“ und einer „riesigen Aufgabe“, heißt es bei EnBW.
Ein bisschen Strom gibt es immer
Ein wenig beruhigend wirkt, dass es auch bei Stromknappheit eine Minimalversorgung geben soll. E-Autos bekommen dann so viel Strom, dass ihre Batterien innerhalb von drei Stunden genügend „Saft“ für rund 50 km bekommen.
Vorschläge des MIT
Die Problematik wird auch in den USA diskutiert. Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA glauben, dass eine strategische Platzierung von Ladestationen und eine intelligente Ladestrategie die Lösung sein könnte. Ladesäulen sollen danach nur dort aufgestellt werden, wo genügend Netzkapazität vorhanden ist. Außerdem plädieren die MIT-Forschenden für automatisiertes zeitversetztes Laden von E-Autos. Wenn ein Fahrzeug abends an die Wallbox angeschlossen wird und die Nutzerin oder der Nutzer angibt, wann er oder sie einen bestimmten Füllstand der Batterien erwartet, kann die Ladezeit automatisch so angepasst werden, dass keine nicht beherrschbaren Verbrauchsspitzen auftreten.
Solarenergie am Arbeitsplatz „tanken“
In Sachen Platzierung plädieren die MIT-Forschenden für den Ausbau von Ladestationen an Arbeitsplätzen. Dann könnten die Batterien in den Stunden nachgeladen werden, in denen besonders viel Solarstrom erzeugt wird. „Es ist faszinierend, dass sich der Ausbau der Elektroinfrastruktur vermeiden oder zumindest stark verringern lässt, wenn man strategisch handelt“, sagt Jessika Trancik, Professorin am MIT-Institut für Daten, Systeme und Gesellschaft.