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Strategie 25.04.2024, 10:00 Uhr

Was die Energie- und Umweltbranche von Google, Apple und Co. lernen kann

Unternehmenslenkende der Energie- und Umweltbranche brauchen ein neues Mindset, um aktuellen Herausforderungen besser gewachsen zu sein. Warum sie sich dabei von Tech-Riesen wie Google oder Apple inspirieren lassen sollten, erläutert Philipp Riedel, Geschäftsführer von Avantgarde Experts, in seinem Gastbeitrag.

Grafik: Avantgarde Experts

Grafik: Avantgarde Experts

Innovationsstark, wenig Hierarchien und Mut zu Fehlern: Heutige Tech-Größen wie Google oder Apple haben mal als Start-up angefangen, sind zu Konzernen gewachsen – und scheinen, trotz Wachstum, ihre Unternehmenswerte aus der Anfangsphase beizubehalten. Nicht zuletzt das macht sie – wie auch viele andere Tech-Giganten – zu beliebten Arbeitgebern. Im Silicon Valley herrscht ein Innovationsgeist und eine Technologieoffenheit wie sie in Deutschland noch zu selten zu finden sind. Doch um die großen Herausforderungen unserer Zeit – wie die Klimawende oder den Wandel der Mobilität – zu meistern, braucht es Veränderungsfähigkeit und die Bereitschaft neue Wege zu gehen.

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Dafür braucht es eine der größten Industrietransformationen unserer Geschichte – und diese gelingt nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Forschung und Unternehmen. Zudem ist die erforderliche Umgestaltung der Wirtschaft eine Frage der Fachkräfte, denn für eine Umstellung der Industrieprozesse auf emissionsarme und ressourcenschonende Verfahren braucht es Expertinnen und Experten mit entsprechendem Know-how. Dass diese rar sind, zeigen beispielsweise Studienergebnisse des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). So fehlten Ende 2022 allein für den Ausbau der Wind- und Solarenergie 216 000 Fachkräfte. Umso wichtiger ist es für deutsche Unternehmen, die besten Talente für sich zu gewinnen, um gemeinsam an Innovationen zu arbeiten. Doch um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, heißt es sich von manch tradierter Denkweise und eingefahrenen Prozessen zu verabschieden. Wer jetzt am Status quo festhält, wird scheitern.

Veränderungsfähigkeit für die Zukunft

Unternehmen, aber auch Expertinnen und Experten brauchen vor allem eins: Veränderungsfähigkeit – auch Changeability genannt. Denn nur wer Chancen am Markt erkennt und nutzt, ständig verändernde Bedingungen bewältigen kann und stets neue aufkommende Technologien in seine tägliche Arbeit integriert, ist für die Zukunft gerüstet. Eine Workforce Transformation sollte auf jeder Unternehmensagenda 2024 stehen. Aspekte wie das Unternehmens-Mindset und eine nachhaltige Personalplanung gilt es unter die Lupe zu nehmen. Denn mit den richtigen Maßnahmen rüsten sich Unternehmen und ihr Team schon heute für die Herausforderungen von morgen.

Abschied von starren Strukturen

Ob grüner Wasserstoff, Elektromobilität oder Biokraftstoffe: Die Antworten auf den Klimawandel sind oftmals neue Technologien. Doch um dieses Innovationspotenzial zu heben, braucht es zeitgemäße Herangehensweisen und Einstellungen:

  • Mut zum Scheitern: In Deutschland neigt man zum Perfektionismus. Da ticken US-Unternehmen anders, wie das Beispiel Tesla zeigt: Der Autopilot ist nicht perfekt oder die Schildererkennung funktioniert nicht wie gewünscht? Dann wird das Produkt trotzdem auf den Markt gebracht – und verbessert wird es dann mit dem ersten oder zweiten Update. Dahinter steckt eine Trial-and-Error-Herangehensweise, vor der sich deutsche Unternehmen, und insbesondere Konzerne, scheuen. Die Gefahr: Deutschland verliert als Standort den Innovationsanschluss. Das zeigt auch unsere Avantgarde Experts Studie zur Arbeitszufriedenheit 2024: Nur 16 % der 1 050 befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Deutschland attestieren ihrem Unternehmen eine volle Innovationsstärke. Hier ist noch deutlich Luft nach oben. Um das gesamte Innovationspotenzial in der Organisation zu heben, empfehlen sich cross-funktionale Teams, die abteilungs- und positionsübergreifend an den Neuerungen der Zukunft arbeiten.
  • Positive Fehlerkultur: Aus Fehlern lernt man: In diesem Sprichwort steckt viel Wahrheit, denn eine konstruktive Fehlerkultur in Unternehmen bietet die Chance zur Verbesserung. Doch ein positiver Umgang mit Scheitern ist (noch) nicht in allen Branchen verbreitet. Laut der Studie zur Arbeitszufriedenheit 2024 bewerten nur die Hälfte (49 %) aller Befragten im Mobility-Sektor den Umgang mit Fehlern in ihrem Unternehmen als (eher) konstruktiv – hier ist noch Luft nach oben. Blickt man auf die Studienergebnisse der IT-Branche, ist diese hierbei Spitzenreiter: So finden 73 % der IT-Expertinnen und -Experten den Umgang mit Fehlern in ihren Unternehmen (eher) konstruktiv. Es bedarf also einer Corporate Culture, in der Fehler nicht negativ gesehen werden, sondern als Möglichkeit für neue Ideen sowie zur Weiterentwicklung. Ebenso sollte der Umgang mit Fehlern lösungsorientiert sein. Es geht darum, die Ursachen zu analysieren, um neue Herangehensweisen zu entwickeln.
  • Offenheit für Technologie: Um wirksamen Klimaschutz betreiben zu können, sind neue Entwicklungen und Schlüsseltechnologien für eine globale Umsetzung gefragt. Laut Bitkom-Studie sehen 79 % der mehr als 500 befragten Unternehmen in Deutschland Künstliche Intelligenz (KI) als Chance für das Klima. Die „grünen“ Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von Klimarisiko-Prognosen über optimierte Lieferketten bis zu intelligenten Stromnetzen. Zugleich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass KI aktuell mit immensen Rechenleistungen auch viel Energie verbraucht. Es bedarf also weiterhin ebenso Anstrengungen hinsichtlich Green IT, was den umwelt- und ressourcenschonenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken meint. Es gilt die Digitalisierung so zu gestalten, dass sie eine nachhaltige Zukunft unterstützt und nicht hemmt. Hierfür braucht es interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachexpertinnen und -experten sowie die Bereitschaft, KI-Technologien für innovative Green-IT-Ansätze zu entwickeln und zu nutzen.

Grafik: Avantgarde Experts

  • Offene Unternehmenskultur: Ideen, die die Welt verändern können, entstehen in einem Umfeld, das offen für Veränderung sowie Kreativität ist und nicht an starren Strukturen und Hierarchien festhält. Ein Hemmschuh für Innovationskraft ist eine bürokratische Unternehmenskultur, wie sie laut der Studie zur Arbeitszufriedenheit 2024 17 % der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erleben, ebenso wie zu starre Strukturen (39 %). Agile Arbeitsweisen, diverse Teams mit vielfältigen Skills und kurze Entscheidungswege sind wichtige Voraussetzungen, um in der schnelllebigen (Arbeits-)Welt Schritt zu halten.
  • Der „harte“ Faktor Gehalt: Neben attraktiven Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeit und die Arbeit an innovativen Projekten, kommt es nach wie vor auf ein attraktives Gehalt an. Wer die besten Köpfe für sich gewinnen möchte, muss auch mit dem Lohn überzeugen. Das bestätigt auch die Studie zur Arbeitszufriedenheit 2024: Gehalt ist mit 56 % der Hauptaspekt unter den positiven Einflussfaktoren hinsichtlich der Jobzufriedenheit. Die Bindung an Tarifverträge bedeutet für viele Unternehmen in Deutschland wenig Verhandlungsspielraum – und birgt das Risiko, dass die Talente sich für andere Arbeitgeber entscheiden. Um (international) bei begehrten Kandidatinnen und Kandidaten wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen mit einem attraktiven Gesamtpaket an monetären Leistungen und attraktiven Arbeitsbedingungen positionieren.
  • New Hiring für kandidatengetriebenen Bewerbermarkt: Der Arbeitsmarkt heute ist so schnell wie nie: Daran müssen sich Unternehmen anpassen und langwierige Recruiting-Prozesse sollten der Vergangenheit angehören. Ebenso ist „hardskill-basiertes“ Recruiting nicht zukunftsfähig. Wer vor allem auf Abschlüsse, Erfahrungen und Co. schaut, verliert schnell die Future-Skills aus dem Blick, auf die es ankommt. Hierzu zählen Change-Fähigkeit, die Offenheit für Neues sowie Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Heutzutage ändern sich Jobprofile sehr schnell und es braucht Menschen, die Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit mitbringen.

Fazit

Die Antworten auf die Herausforderungen der Energie- und Umweltbranche können nur in der Verbindung von Mensch, Technologie und Unternehmen gefunden werden. Es braucht mehr denn je Gamechanger, die den Wandel vorantreiben. Unternehmen sollten für diese Transformation die entsprechenden Rahmenbedingungen stellen. Mit gemeinsamer Anstrengung und den passenden Weichenstellungen seitens der Politik hat Deutschland das Potenzial als Innovationsstandort eine nachhaltige Zukunft zu gestalten, die Ökologie und Ökonomie in Einklang bringt.

Von Philipp Riedel

Philipp Riedel ist seit 2018 Geschäftsführer von Avantgarde Experts, einem Personaldienstleister, der sich auf die Vermittlung von qualifizierten Fach- und Führungskräften an Top-Unternehmen im Bereich Mobility & Tech spezialisiert hat.