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Pilze gegen Plastikmüll 02.07.2024, 11:56 Uhr

4 Pilze mit großem Plastikhunger in Süßgewässern entdeckt

Forschende haben in Süßgewässern plastikfressende Pilze entdeckt, die Kunststoffe wie Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi effizient abbauen können – ganz ohne Vorbehandlung mit UV-Licht, Ozonisierung oder andere chemische oder thermische Verfahren. Eine Hoffnung im Kampf gegen die Plastikverschmutzung?

Foto mit verschiedenen Plastikflaschen

Die gefundenen Pilzstämme können Plastik ohne Vorbehandlung durch UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Behandlung abbauen.

Foto: Panthermedia / chaoss

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Universität Potsdam haben in Süßgewässern Pilzstämme identifiziert, die unterschiedliche Kunststoffpolymere effizient abbauen können. Dazu gehören Polyurethan, Polyethylen und Reifengummi. Allesamt Materialien, die zu den häufigsten Umweltverschmutzern zählen. Die Studie, veröffentlicht in Science of the Total Environment, verdeutlicht das Potenzial dieser plastikfressenden Pilze im Kampf gegen die Plastikverschmutzung.

Plastikmüll: Eine Herausforderung für die Umwelt

Kunststoffe aus Polymeren stellen eine große Belastung für Mensch und Umwelt dar, da sie von Bakterien im Boden oder Gewässer nur sehr langsam abgebaut werden. Weltweit suchen Forschende nach anderen Wegen, um Kunststoff- und Gummiabfälle nachhaltig abbauen zu können. Das Team des IGB und der Universität Potsdam untersuchte 18 Pilzstämme aus Süßgewässern auf ihre Fähigkeit, verschiedene Kunststoffe abzubauen. Stämme von Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma zeigten dabei ein besonders hohes Potenzial.

„Pilze produzieren Enzyme, die selbst chemische Verbindungen aus vielen Makromolekülen wie Kunststoff aufspalten können. Außerdem sind sie mit ihren invasiven Wachstumsformen und ihrer Fähigkeit, Biofilme zu bilden und mit bereits bestehenden Biofilmen zu interagieren, gut an das Leben in der Plastiksphäre angepasst”, erklärt IGB-Forscher Professor Hans-Peter Grossart.

Plastikfressende Pilze: Anpassung an die „Plastiksphäre”

Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten, dass sich die Zellwände einiger Pilze verformen, wenn sie Kunststoffe besiedeln. Doktorandin Sabreen Samuel Ibrahim Dawoud vermutet dahinter strukturelle Anpassungen der Myzelien, um beispielsweise wasserabweisendes Polyurethan besiedeln zu können. Analysen deuteten darauf hin, dass die anfängliche enzymatische Aktivität der Pilze Zwischenprodukte bildet, die ihnen dann als Kohlenstoff- und Energiequelle dienen. „Damit schaffen sich die Pilze durch den Abbau immer wieder neue Nahrung”, ergänzt Dawoud.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Pilze die Plastikpolymere ohne jegliche Vorbehandlung der Kunststoffe und ohne Zugabe von Zuckern als Energiequelle „fressen” können. In vielen Studien wurden zunächst UV-Licht, Ozonierung, chemische Oxidationsmittel oder thermische Verfahren eingesetzt, um den mikrobiellen Abbau zu initiieren. Sie mussten also erst in verdauliche Kost umgewandelt werden, bevor sie abgebaut werden konnten. Diese Behandlungen scheinen jedoch für die Aktivität der Pilze nicht wesentlich zu sein.

Pilze: Vielversprechende Kandidaten für Kunststoffrecycling

Die besonders hungrigen Plastikfresser Fusarium, Penicillium, Botryotinia und Trichoderma sind bereits in anderen Bereichen in Erscheinung getreten: Fusarien sind aus der Landwirtschaft als Schadpilze für Getreide und Mais bekannt. Botryotinia kann ebenfalls verschiedene Pflanzenkrankheiten auslösen. Trichoderma-Arten gehören taxonomisch zu den Fadenpilzen, die überall auf der Welt im Boden, in Pflanzen, in verrottenden Pflanzenresten oder auch in Holz vorkommen. Sie sind wichtig für die Zersetzung von pflanzlicher Biomasse und wechselwirken mit anderen Mikroorganismen und Pflanzen. Arten der Gattung Penicillium sind vor allem durch die Herstellung von Penicillin bekannt. Sie werden aber auch in der Lebensmittelproduktion eingesetzt, zum Beispiel bei Schimmelkäse. Die Forschenden testeten auch, welche Kunststoffarten die Pilzstämme am besten abbauen können. Das Ergebnis: Polyurethan erwies sich als am besten abbaubar.

„Die Kenntnis effizienterer Pilzstämme, insbesondere für den biologischen Abbau von Polyurethan, trägt dazu bei, großtechnische Recyclingkonzepte für Kunststoffabfälle zu entwickeln“, betont Hans-Peter Grossart. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse zum Potenzial von plastikfressenden Pilzen im Kampf gegen die Plastikverschmutzung und eröffnet neue Perspektiven für nachhaltige Recyclingmethoden.