Trinkwasser mit Pflanzen aufbereiten: Bahnbrechende Entdeckung
MIT-Forscher haben ein Filtersystem aus Holz entwickelt. Es entfernt zuverlässig Bakterien oder Viren aus Trinkwasser. Doch zuvor mussten sie ein spezielles Problem lösen.
Weltweit haben 2,2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und 785 Millionen könne nicht einmal auf die Grundversorgung mit Trinkwasser zurückgreifen, wie das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) berichtet. Gefragt sind preisgünstige, nachhaltige Lösungen, die sich mit Materialien vor Ort realisieren lassen.
Ingenieuren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Cambridge ist ein Durchbruch gelungen. Sie haben aus dem Leitgewebe verholzter Pflanzen, Xylem genannt, Filter hergestellt und in Indien unter realen Bedingungen erprobt. Damit konnten sie Viren oder Bakterien aus kontaminiertem Wasser entfernen. Gleichzeitig entwickelten die Forscher neue Techniken, um vorbereitete Holzscheiben mindestens zwei Jahre trocken zu lagern und dann einzusetzen.
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Trinkwasser oder Grundwasser aufbereiten: Erste Laborexperimente
Das Trinkwasser-Projekt am MIT läuft seit mehreren Jahren. Im Labor zeigten die Forscher, dass ein kleines Stück Splintholz mehr als 99% aller Bakterien aus Wasser entfernt. Dies haben sie mit Escherichia coli untersucht. Manche Stämme dieses Bakteriums führen zu schwerem Durchfall. Escherichia coli kann aus Fäkalien ins Trinkwasser gelangen, falls es keine Toiletten mit Anschluss an die Kanalisation gibt. Auch Rotaviren, sie lösen Durchfall aus, werden zurückgehalten. Die Filterwirkung führen MIT-Experten auf Xylem im Holz zurück. Das Leitgewebe transportiert bei verholzten Pflanzen Wasser. Es ist für die meisten Bakterien oder Viren undurchlässig.
Nach Abschluss erster Experimente wurde den Wissenschaftlern klar, welches Potenzial in ihrer Entdeckung im Vergleich zu kommerziellen Verfahren steckt. Geräte, die Wasser mit Chlor oder Ozon behandeln, funktionieren gut, sind jedoch teuer. Außerdem werden Chemikalien benötigt, die es vor Ort nicht immer gibt. In kleinerem Maßstab kann Wasser abgekocht werden. Dafür benötigen Menschen aber Brennstoffe. Und Filter auf Membranbasis entfernen Mikroorganismen zwar zuverlässig. Sie sind aber kosten- und wartungsintensiv.
„Splintholz bietet eine kostengünstige Alternative in kleinem Maßstab“, schreiben die MIT-Ingenieure. Um Holz als Filtermaterial zu verwenden, müsse man jedoch Wege finden, das Material feucht zu halten oder zu trocknen, ohne das Xylem zu zerstören. In Experimenten mit getrocknetem Splintholz stellten MIT-Experten fest, dass Wasser entweder nicht gut durch die Holzscheibe floss oder nicht alle Verunreinigungen entfernte. Während das Holz trocknete, klebten die siebartigen Membranen der Zweig, und die Durchlässigkeit für Wasser verringerte sich immens.
Holzfilter bleiben zwei Jahre lang stabil
Jetzt hat das Team die Technologie weiterentwickelt. Probleme beim Trocknen ließen sich erstaunlich leicht lösen. Durch Einweichen kleiner Holzscheiben in heißem Wasser für eine Stunde, anschließendes Eintauchen in Ethanol und Trocknen blieb das Material für Wasser durchlässig, ohne seine Wirkung als Trinkwasser-Filter zu verlieren. Die Forscher sammelten Zweige von Weißkiefern und stellten daraus kleine Holzscheiben her. Nach der Behandlung behielten die Biofilter mindestens zwei Jahre ihre Eigenschaften.
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Sauberes Trinkwasser in Indien: Erfolgreiche Feldstudie
Dann brachte die MIT-Arbeitsgruppe die Technologie nach Indien und entwickelten sie zusammen mit Anwendern vor Ort weiter. Das Land verzeichnet die weltweit höchste Todesrate durch verunreinigtes Trinkwasser. Über zwei Jahre hinweg arbeiteten die Ingenieure vor Ort. Sie stellten Filter aus einheimischen Kiefern her und testeten diese zusammen mit Filtern aus US-Ginkgo-Bäumen. Dabei zeigte sich, dass Filter Bakterien oder Viren, die im Wasser vor Ort zu finden sind, effektiv entfernten.
Die Forscher führten auch Gespräche mit potenziellen Anwendern, um deren Bedürfnisse zu erfassen. Basierend auf den Rückmeldungen von rund 1.000 Personen entwickelten sie ein Filtersystem mit austauschbaren Xylemfiltern als Prototyp. Es besteht aus einem Behälter, den Anwender mit Wasser aus lokalen Quellen befüllen. Die Flüssigkeit läuft durch ein Rohr und gelangt so durch das Xylem-Filterelement. Pro Stunde lässt sich ein Liter Trinkwasser aufbereiten. Die Holzscheibe selbst kann je nach Bedarf eines Haushalts entweder täglich oder wöchentlich ausgetauscht werden.
„Da die Rohstoffe weit verbreitet sind und die Herstellungsprozesse einfach sind, könnte man sich vorstellen, Gemeinden mit der Beschaffung, Herstellung und den Vertrieb von Xylem-Filtern zu beauftragen“, sagt Rohit Karnik. Er ist Professor für Maschinenbau am MIT. „Für Orte, an denen die einzige Möglichkeit darin besteht, ungefiltertes Wasser zu trinken, erwarten wir, dass unser System die Gesundheit der Menschen verbessert.“ Bleibt als Nachteil: Chemische Verunreinigungen wie Arsen oder Kohlenwasserstoffe entfernen Xylem-Filter nicht.
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