Cleveres Bauelement verbessert das Raumklima und spart Energie
Ein neuartiges Bauelement aus mineralischen Abfallstoffen verspricht eine klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Lüftungsanlagen. Forschende der ETH Zürich haben ein Material entwickelt, das Feuchtigkeit in stark genutzten Innenräumen passiv reguliert und so für ein angenehmes Raumklima sorgt. Die Bauelemente werden ressourcenschonend mittels 3D-Druck hergestellt.
In öffentlichen Gebäuden wie Büros, Museen oder Behörden herrscht oft eine hohe Luftfeuchtigkeit, die das Wohlbefinden beeinträchtigen kann. In solchen Fällen kommen üblicherweise Lüftungsanlagen zum Einsatz, um die Räume zu entfeuchten und ein angenehmes Raumklima zu schaffen. Doch diese mechanische Entfeuchtung belastet nicht nur das Klima, sondern verursacht auch hohe Betriebskosten, da sie sehr energieintensiv ist. Forscher der ETH Zürich haben nun eine nachhaltige Alternative entwickelt: Ein neuartiges Bauelement, das Feuchtigkeit passiv aufnimmt und speichert, ohne dabei auf eine Lüftungsanlage angewiesen zu sein.
Das Bauelement besteht aus fein vermahlenem Marmorpulver, einem Abfallprodukt aus Steinbrüchen, das mit einem speziellen Bindemittel, einem sogenannten Geopolymer, zu einem festen Baustoff verbunden wird. Der Geopolymer-Binder wirkt ähnlich wie Zement, setzt bei seiner Herstellung jedoch deutlich weniger CO2 frei. Durch die Kombination dieser Materialien entsteht ein hygroskopisches, also feuchtigkeitsbindendes Bauelement, das überschüssige Luftfeuchtigkeit in viel genutzten Räumen aufnehmen und zwischenspeichern kann. Wird der Raum später gelüftet, gibt das Material die gespeicherte Feuchtigkeit wieder an die Umgebung ab.
3D-Druck ermöglicht vielfältige Formen der Bauelemente
Die Herstellung der Wand- und Deckenelemente erfolgt mittels 3D-Druck. Dabei wird das Marmorpulver schichtweise aufgetragen und durch den Geopolymer-Binder verklebt. Durch dieses Verfahren ist es möglich, Bauteile in einer Vielzahl von Formen kostengünstig zu produzieren. Im Rahmen des ETH-Projekts gelang es den Forschenden, Prototypen von 20 mal 20 Zentimeter großen und vier Zentimeter dicken Bauelementen herzustellen. Die Kombination von Geopolymer und 3D-Druck zur Fertigung feuchtigkeitsspeichernder Bauteile stellt einen entscheidenden Ansatz für das nachhaltige Bauwesen dar.
Computergestützte Simulationen belegen die Wirksamkeit der neuartigen Bauelemente. Die Forschenden nahmen für ihre Berechnungen den Lesesaal einer öffentlichen Bibliothek in Porto (Portugal) als Beispiel, der von 15 Personen genutzt wird. Sie gingen davon aus, dass Wände und Decke vollständig mit den hygroskopischen Bauelementen ausgekleidet wurden. Das Ergebnis: Der sogenannte Unbehaglichkeits-Index, der die Komforteinbußen aufgrund von zu hoher oder zu niedriger Luftfeuchtigkeit widerspiegelt, konnte um 75 Prozent gesenkt werden – im Vergleich zu einem Raum mit konventionellen Wänden und Farbanstrich. Wurden die Bauelemente von vier auf fünf Zentimeter Dicke erweitert, reduzierte sich der Unbehaglichkeits-Index sogar um 85 Prozent.
Klimafreundlichere Alternative zu konventionellen Lüftungsanlagen
Die feuchtigkeitsregulierenden Bauelemente erweisen sich nicht nur als effektiv, sondern auch als äußerst klimafreundlich. Über einen angenommenen Lebenszyklus von 30 Jahren verursachen sie deutlich weniger Treibhausgasemissionen als klassische Lüftungsanlagen, die eine vergleichbare Leistung bringen. Zum Vergleich zogen die Forschenden auch einen traditionellen Lehmputz heran, der ebenfalls in der Lage ist, die Luftfeuchtigkeit in Innenräumen passiv zu regulieren. Zwar schnitt der Lehmputz in puncto Klimafreundlichkeit noch besser ab als das neuentwickelte Material, allerdings verfügt er über eine geringere Speicherkapazität für Wasserdampf.
Mit ihren Forschungsarbeiten haben die ETH-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler den Grundstein für eine vielversprechende Technologie gelegt. Sie konnten nachweisen, dass sich durch die Verbindung von Geopolymer und 3D-Druck Wand- und Deckenelemente zur Feuchtigkeitspufferung herstellen lassen. Nach diesem erfolgreichen „Proof of Concept“ ist die neue Technologie prinzipiell bereit für eine Weiterentwicklung auf industrielles Niveau. Parallel dazu gehen die Forschungsaktivitäten weiter: In Zusammenarbeit mit dem Polytechnikum Turin und der Aalto-Universität arbeitet die ETH Zürich daran, den CO2-Fußabdruck bei der Herstellung der Bauelemente weiter zu reduzieren.
Innovative Bauelemente als Wegbereiter für emissionsfreie Gebäude
Die Entwicklung nachhaltiger Baumaterialien und -technologien ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäudesektor. Denn eines ist klar: Um das von der Schweiz angestrebte Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, müssen Gebäude sowohl in der Erstellung als auch im Betrieb möglichst emissionsfrei sein. Innovative Ansätze wie die an der ETH Zürich entwickelten Bauelemente leisten dazu einen wertvollen Beitrag. Sie zeigen, dass es möglich ist, aus Abfallstoffen und mit ressourcenschonenden Verfahren effektive Lösungen für ein angenehmes Raumklima zu schaffen.
Die Forschungsarbeiten der ETH Zürich eröffnen interessante Perspektiven für die Zukunft des nachhaltigen Bauens. Durch die Kombination von speziellen Materialien und modernen Fertigungstechnologien lassen sich Bauelemente entwickeln, die mehrere Funktionen erfüllen: Sie verbessern den Raumkomfort, reduzieren den Energieverbrauch und schonen dabei das Klima. Solche multifunktionalen Bauteile können dazu beitragen, die Gebäude von morgen nicht nur effizienter und umweltfreundlicher zu machen, sondern auch ein Höchstmaß an Behaglichkeit zu bieten.