Das ist die Lösung für Mikroplastik aus der Wäsche: Fischkiemen!
Ein Team aus Forschenden will Mikroplastik-Fasern aus dem Abwasser verdammen. Dafür gehen die Experten einen ganz neuen Weg. Ihr Vorbild sind die Filterfunktionen von Fischkiemen. Prototypen werden mit dem 3D-Drucker produziert.
Mikroplastik ist ein sehr drängendes Umweltproblem, da die Gesundheit von Mensch und Tier unter der Verbreitung der kleinen Kunststoffpartikel leidet – auch wenn das Ausmaß der möglichen Schäden noch gar nicht bekannt ist. Mikroplastik gelangt über sehr unterschiedliche Wege in die Umwelt. Einer davon ist die Wäsche. Wenn Synthetikfasern in der Maschine durchgewaschen und geschleudert werden, lösen sich dabei winzige Partikel ab, die übers Abwasser in die Natur transportiert werden. Sie sind so klein, dass sie über herkömmliche Reinigungsanlagen nicht herausgefiltert werden können. Die Entwicklung neuer Filtersysteme ist daher dringend nötig. Ein Team aus Forschenden der Universität Bonn, des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) und des Unternehmenspartners Hengst hat dafür einen ganz neuen Ansatz entwickelt: Die Natur soll als Vorbild dienen, genau genommen Fischkiemen.
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
Synthetikfasern geben große Mengen Mikroplastik ab
Das Projekt nennt sich „FishFlow“ und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Was für eine Bedeutung die Entwicklung neuer Filteranlagen hat, zeigen die Zahlen: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von UMSICHT schätzen, dass pro Person mehr als vier Kilogramm Mikroplastik im Jahr in die Luft, in die Böden und in die Gewässer gelangen. Die Waschmaschine gilt eine große Quelle. Denn bei jedem einzelnen Waschgang können mehrere Hundert Milligramm pro Kilogramm Wäsche in die Umwelt entweichen. Die Menge ist umso höher, je mehr synthetische Fasern sich in der Wäsche befinden.
Wie sollen Fischkiemen das verhindern? „Es gibt viele filtrierende Tiere, aber der Apparat der Fische, von den Kiemenbögen bis zur Weiterleitung der Nahrung in den Verdauungstrakt, weist im Vergleich die höchste Ähnlichkeit zu den Verhältnissen in der Waschmaschine auf“, sagt Alexander Blanke vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn.
Wer filtert Mikroplastik besser? Fische oder Flamingos?
Diese Schlussfolgerung ist unter anderem der Arbeit von Leandra Hamann zu verdanken, die bereits seit einigen Jahren die Gruppe der sogenannten Suspensionsfresser erforscht. Darunter fallen unter anderem spezielle Schwämme, Fische, aber auch Flamingos. Jeder Organismus verfolgt dabei eine eigene Strategie, um für die Nahrungsaufnahme Partikel aus dem Wasser zu filtern. Hamann hat auf diese Weise 35 verschiedene Filterfunktionsarten zusammengetragen. Aus ihrer Sicht ist die Technik der Fische am interessantesten für einen neuen Mikroplastik-Filter. Das Ziel ist hochgesteckt: Der Filter soll mehr als 90% der Partikel zurückhalten.
Die Forschenden stehen also vor der Aufgabe, die komplexen Strukturen der Fische nachzuempfinden und nachzubauen. Dafür haben sie zunächst die Kiemengeometrie verschiedener Fischarten vermessen und erstellen im nächsten Schritte aus diesen Daten Computermodelle der Kiemen. Diese werden sie für Simulationen nutzen. Parallel füttern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Daten einen 3D-Drucker, um die Kiemen nachzubauen. Über allem steht die Frage: Welche Kiemengeometrie verspricht die größten Effekte, um Mikroplastik aus dem Wasser zu filtern? Dabei darf der Praxistest nicht fehlen. Die Forschenden planen, die künstlichen Kiemen zunächst im Strömungskanal und schließlich in der Waschmaschine selbst zu testen.
Ziel ist ein nachhaltiger Mikroplastik-Filter
Der Transfer vom biologischen Vorbild zu einem funktionierenden Bauteil für die Waschmaschine erfordert breit gefächertes Know-how. Das Forschungsteam ist daher interdisziplinär aufgestellt: Die Mitarbeitenden stammen aus der Biologie, den Materialwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Nachhaltigkeit liegt ihnen am Herzen. Schließlich soll der neue Mikroplastik-Filter die Umwelt entlasten: „Wir werden schon früh bei der Produktentwicklung eine Ökobilanz durchführen, um den ökologischen Nutzen zu bewerten“, betont Ilka Gehrke vom Fraunhofer UMSICHT.
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