Das weltweite Plastikabkommen verspricht weniger Plastikmüll in der Umwelt
Über das künftige weltweite Plastikabkommen wird Ende November in der Republik Korea verhandelt. Die Staatengemeinschaft will sich dann darauf einigen, dass weniger Plastik in die Umwelt gelangt. Strittig ist allerdings noch, welche Maßnahmen ergriffen werden und wie verbindlich diese umgesetzt werden müssen.
Die Zahlen rütteln auf: Weltweit landen geschätzt 9 bis 14 Mio. t Kunststoffabfälle in Gewässern, einschließlich der Meere. Durch Littering oder unsachgemäße Entsorgung, insbesondere aber auch durch mangelnde Infrastrukturen für die Abfallbewirtschaftung kann Plastikmüll in die Umwelt gelangen und sich in Ökosystemen anreichern. Und dieser Müll stellt zunehmend ein Risiko für den Menschen und die Umwelt dar.
Die Weltgemeinschaft hat sich dem Problem angenommen und will dafür eine globale Lösung finden. Derzeit werden auf der Ebene der Vereinten Nationen Verhandlungen zur Schaffung eines weltweit rechtsverbindlichen Plastikabkommens geführt. Das Ziel ist, globale Maßnahmen zu etablieren, um das Plastikmüllproblem in der Umwelt, einschließlich der Meeresumwelt, zu beenden.
Steigende Nachfrage nach Kunststoffen – mehr Plastikmüll
Kunststoffe sind aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie spielen eine zentrale Rolle in Bereichen wie der Medizin, wo sie für sterile Verpackungen und medizinische Geräte unerlässlich sind, im Bauwesen und in der Energiewandlung aber auch im Bereich der Lebensmittelverpackung, um Nahrungsmittel haltbar zu machen.
Mit der noch wachsenden Weltbevölkerung und global steigendem Wohlstand steigt auch die Nachfrage nach Kunststoffen weltweit. Laut der OECD könnte sich die globale Nachfrage nach Kunststoffen bis 2060 – je nach Szenario – verdoppeln oder gar verdreifachen. Dieses Wachstum wird zwar auch von den Industrienationen, insbesondere aber durch die steigende Nachfrage in Asien und anderen aufstrebenden Märkten etwa in Lateinamerika und Afrika angetrieben. Gleichzeitig hat sich die Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle zu einem der größten und dringendsten Umweltprobleme weltweit entwickelt.
Fünf Verhandlungsrunden
Die Verhandlungen zum Plastikabkommen der Vereinten Nationen begannen 2022. Die erste Zusammenkunft des sogenannten „zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses“, dem „Intergovernmental Negotiating Committee“ (INC), fand Ende 2022 in Punta del Este, Uruguay, statt. Die zweite Verhandlungsrunde, das INC-2, folgte im Frühling 2023 in Paris. Zum dritten Mal wurde im November 2023 in Nairobi, Kenia, verhandelt. Das vierte INC fand im April 2024 in Ottawa, Kanada, statt.
Der gesamte Verhandlungsprozess soll bis Ende 2024 abgeschlossen sein, um dann ein internationales Abkommen zur Ratifizierung durch die Staaten vorzulegen. Die fünfte und voraussichtlich letzte Verhandlungsrunde (INC-5) startet am 25. November 2024 in Busan, einer südkoreanischen Hafenstadt. Dieses INC wird am 1. Dezember 2024 enden.
Fachleute beraten, Staaten entscheiden
Begleitet wird der Verhandlungsprozess von Beratungen durch Umweltorganisationen und Industrieverbände wie der „The Scientists‘ Coalition for an Effective Plastics Treaty“, und dem „World Plastics Council“. Die Staatengemeinschaft selbst ist jedoch die einzige Instanz, die Entscheidungen trifft. Die beratenden Organisationen unterstützen den Prozess mit ihrem Wissen über technische Umsetzbarkeit und ihren Erfahrungen aus der Praxis.
Ambitionierte Ziele, doch unterschiedliche Interessen
Schon zu Beginn der Verhandlungen hat sich gezeigt, dass die beteiligten Staaten zwar gemeinsame Ziele, jedoch unterschiedliche Wege, die Plastikverschmutzung zu verringern, verfolgen. Die „High Ambition Coalition to End Plastic Pollution“, angeführt von Norwegen und Ruanda und unterstützt von mehr als 60 weiteren Ländern und Staatengemeinschaften wie der EU, Japan und Australien, fordert strikte und verbindliche Maßnahmen.
Diese Koalition strebt an, die Plastikverschmutzung bis 2040 zu beenden. Dazu gehören Beschränkungen der Plastikproduktion, die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und strenge Standards, die die Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit von Kunststoffen erhöhen sollen. Transparente Regelungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sollen dazu beitragen, dass Kunststoffe sicher und umweltfreundlich verwendet und entsorgt werden.
Auf der anderen Seite steht die „Global Coalition for Plastics Sustainability“, die überwiegend aus ölfördernden Staaten wie Saudi-Arabien, Russland, China und Iran besteht. Diese Länder setzen eher auf Ansätze, die den einzelnen Staaten mehr Gestaltungsspielräume lassen, wie sie die Vorgaben des Abkommens umsetzen wollen. Diese Gegensätze verdeutlichen die Herausforderungen, ein Abkommen zu entwickeln, das die Umwelt schützt und zugleich die wirtschaftlichen Interessen aller beteiligten Länder berücksichtigt.
Wie die Industrie zur Reduktion beitragen will
Die UN verfolgt mit dem Plastikabkommen das Ziel, den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen in den Blick zu nehmen – von der Herstellung über das Produktdesign, der Verarbeitung und Nutzung bis zur Abfallverwertung. Die Industrie spielt hier ebenfalls eine wichtige Rolle und kann und will auch durch innovative Ansätze dazu beitragen, Plastikmüll zu reduzieren.
PlasticsEurope, der Verband der europäischen Kunststofferzeuger, der die Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen als Industrieverband beratend begleitet, hat beispielsweise einen Entscheidungsbaum ins Spiel gebracht, der der Staatengemeinschaft helfen kann, potenziell problematische und vermeidbare Kunststoffanwendungen mit hohem Eintragspotenzial in die Umwelt zu identifizieren und analysieren.
Ergebnisse dieser Entscheidungsbaumanalysen können beispielsweise die Unbedenklichkeit einer Anwendung, kreislauf- und abfallwirtschaftlicher Optimierungsbedarf oder die Notwendigkeit sein, eine untersuchte Kunststoffanwendung aus dem Verkehr zu ziehen.
Die europäischen Kunststofferzeuger setzen sich zudem dafür ein, Kunststoffe als wertvolle Rohstoffe im Kreislauf zu halten und unterstützen Maßnahmen wie ehrgeizige Rezyklateinsatzquoten, die den Übergang zur klimaneutralen Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auch auf dem zirkulären Produktdesign: Kunststoffanwendungen sollen langlebiger und besser recycelbar werden. Die Produktion von Plastik soll langfristig auf alternative Rohstoffe umgestellt werden, die nicht-fossil sind, um eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.
Globale Infrastruktur für Abfallrecycling
Die europäischen Kunststofferzeuger plädieren auch für den Ausbau der globalen Infrastruktur zur Sammlung, Aufbereitung und Verwertung von Kunststoffabfällen, damit Kunststoffe nicht in die Umwelt gelangen, sondern effizient wiederverwertet werden. Pauschalen Obergrenzen für die Kunststoffproduktion, wie sie von einigen Umweltverbänden gefordert werden, stehen die Unternehmen jedoch kritisch gegenüber. Denn diese können unkalkulierbare Folgen haben, beispielsweise Verfügbarkeitseinschränkungen für essenzielle Anwendungen. Aus der Perspektive der Kunststofferzeuger soll mit Ansätzen eines zirkulären Produktdesigns, einem globalen sukzessiven Rollout der zirkulären Abfallbewirtschaftung, der Nutzung nicht-fossiler Rohstoffgrundlagen wie Biomasse und CO2 sowie mit Finanzierungsmechanismen der erweiterten Herstellerverantwortung das Plastikmüllproblem bis spätestens 2040 beendet werden.
UN-Plastikabkommen als möglicher Wendepunkt
Das UN-Plastikabkommen ist auf dem Weg, zu einem entscheidenden Wendepunkt im Kampf gegen die Umweltverschmutzung durch Kunststoffe zu werden. Ein Scheitern der Verhandlungen wäre ein Rückschritt – für die Umwelt und für die Industrie. Es braucht dringend eine schnelle Einigung auf internationaler Ebene, um den Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt einzudämmen. Gleichzeitig ist es für die Industrie wichtig, klare Regelungen zu haben, um langfristige und planbare Investitionen in Kreislaufführung von Kunststoffen tätigen zu können. Ein gemeinsamer Beschluss, auf den sich alle beteiligten Staaten in Busan einigen können, ist deshalb essenziell. Nur durch entschlossenes Handeln und internationalen Zusammenhalt kann das Abkommen zu einem globalen Erfolg im Umgang mit Plastikmüll werden.
Dr. Alexander Kronimus ist Geschäftsführer von PlasticsEurope Deutschland e. V. Foto: Plastics Europe / Ulrik Eichentopf