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Green Paper des VDI 11.07.2022, 14:08 Uhr

Der gordische Knoten des Kunststoffkreislaufs

Eine Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe kann nur mit einer konsequenten Ausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette auf Rezyklate gelingen.

Stapel von Plastikflaschen stehen bereit für das Recycling. Foto: PantherMedia / gavran333

Stapel von Plastikflaschen stehen bereit für das Recycling.

Foto: PantherMedia / gavran333

Das Green Paper „Circular Economy für Kunststoffe neu denken“ des VDI zeigt Wirtschaft und Politik auf, welche Hürden zu überwinden sind und welche politischen Lenkungsinstrumente dafür genutzt werden können.

Dies Green Paper des VDI ist frei abrufbar auf der Webseite des VDI.

Foto: VDI

Kunststoff ist allgegenwärtig. Dank seiner guten Verarbeitbarkeit und der günstigen Herstellungskosten ist er weitverbreitet und kaum ersetzbar. Gleichzeitig prägen seine Herstellung aus fossilen Rohstoffen sowie die großen Mengen Plastikabfall sein negatives Image in der Öffentlichkeit.

Kunststoffe konsequent im Kreis zu führen, würde es aber ermöglichen, diese zunehmend ressourceneffizienter zu nutzen und sie auch als Rohstoff zu verstehen. Damit dies gelingen kann, sind kreislaufübergreifende Kooperationen zwischen Unternehmen und eine Wertschöpfung, die sich konsequent auf den Einsatz von Rezyklaten ausrichtet, notwendig.

Mitwirken aller notwendig

Etwas Grundlegendes wie den Umgang mit Kunststoff zu ändern, bedarf einer breiten Akzeptanz und der Mitwirkung aller betroffenen Akteure. Ausschließlich etwa Recyclingunternehmen in den Blick zu nehmen und sie allein für die Schließung des Kreislaufs verantwortlich zu machen, wird beispielsweise nicht ausreichen. Die gesamte Wertschöpfungskette muss betrachtet werden.

Das Prinzip einer linearen Wirtschaft, bei der ein Unternehmen B meist nur mit seinem Lieferanten A und seinem Kunden C in Beziehung steht, reicht nicht aus. Eine Umstellung hin zu einer Kreislaufwirtschaft bedeutet, die Wertschöpfungskette grundlegend zu verändern: Von der Chemie und den Verarbeitern über die Produktdesigner bis zu den Recyclern, alle Akteure müssen kooperieren und ein gegenseitiges Verständnis für die Tätigkeitsbereiche und Anwendungskontexte der anderen Kreislaufpartner aufbauen.

Das Kreislaufschema des VDI-Round-Tables zur Kreislaufwirtschaft. Grafik: VDI

Um einen Weg dorthin aufzuzeigen, hat der VDI ab 2019 einen Round Table mit Vertretern aller acht Kreislaufstufen initiiert. Das Kreislaufschema (Grafik) zeigt, wie diese Stufen die vier Segmente Rohstoff, Produkt, Markt und Abfall repräsentieren. Jede Stufe hat dabei ihre eigenen Herausforderungen, aber auch Chancen, die sich durch eine Kreislaufführung bieten. Der Prozess am Round Table bietet ein Forum, diese zu erarbeiten und für andere Kreislaufteilnehmende wahrnehmbar zu machen.

Die anwesenden Teilnehmer*innen der Umwelt- und Verbraucherverbände sowie aus der Politik konnten dabei ein besseres Verständnis für ein System der Kreislaufwirtschaft gewinnen und an der Entwicklung von Positionen und Handlungsempfehlungen mitwirken. Das Papier, das daraus entstand, zeichnet somit ein vollständiges Bild des Kreislaufs und legt die am Round Table gewonnenen Empfehlungen und Sichtweisen dar.

Klarer Fokus auf Rezyklate

Im Kern der Ergebnisse steht die Herausforderung, das gesamte System des Kreislaufes auf das Erzeugen und Nutzen hochwertiger Rezyklate auszurichten. Aktuell ist die Bereitstellung von Rezyklaten in guten Qualitäten und wettbewerbsfähigen Preisen zu Rohstoffen aus Rohöl ungelöst. Unter diesen Voraussetzungen kann die Nachfrage nach Rezyklaten kaum steigen.

Doch solange die Nachfrage nicht steigt, wird der Preis für hochwertige Rezyklate nicht sinken und deren Nutzung unwahrscheinlicher – ein ökonomisches Patt. Doch es gibt Wege, diesen gordischen Knoten zu zerschlagen: Es ist der Einsatz von Quoten und ökonomischen Anreizen.

Quoten für Rezyklate

Sinnvoll gestaltete Quoten könnten das Angebot an Rezyklaten steigern sowie die Nachfrage erhöhen. Dazu braucht es einen funktionierenden Markt für Rezyklate, der Planungssicherheit erzeugt und Investitionen anreizt.

Die Round-Table-Teilnehmenden haben hierfür zwei Quoten ins Zentrum gerückt: eine produktspezifische Rezyklat-Einsatzquote und eine polymerspezifische Substitutionsquote.

Eine Einsatzquote schreibt eine Mindestmenge an Rezyklat pro Produkt oder Produktgruppe fest. Bekanntestes Beispiel sind Flaschen aus Polyethylenterehthalat (PET), die von 2025 an EU-weit einen Rezyklatanteil von mindestens 25 % besitzen müssen. Dies hat bereits die Nachfrage nach PET-Rezyklaten erhöht und somit in der Entsorgungs- und Recycling- wirtschaft zu einer Investitionssicherheit geführt. Bemängelt wird aber die schier erschlagende Aufgabe, für sämtliche Produkte eine Regulierung zu erarbeiten und zu kontrollieren.

Quoten für Rohware

Anders die Substitutionsquote: Diese rückt die Kunststofferzeugung ins Zentrum. Die Idee ist, dass Kunststofferzeuger einen Mindestanteil ihrer am Markt abgesetzten Kunststoffe aus nicht-fossilen Rohstoffen wie Rezyklaten generieren sollen. Die Quote soll Wettbewerbsnachteile von Rezyklaten verringern und alle nachgelagerten Wertschöpfungsketten mit ausreichend und qualitativ angemessenen Mengen an Kunststoffen mit Rezyklatanteil versorgen. Die Aufgabe, eine Vielzahl von Produktgruppen regulieren zu müssen, entfällt bei dieser Quote.

Doch besteht die Gefahr, dass ein Wettbewerbsnachteil für Marktteilnehmer unter ihr entsteht, insbesondere für die Bereiche, die dem internationalen Wettbewerb stark ausgesetzt sind und hier mit nicht regulierten Produkten konkurrieren müssen.

Neben den Quoten können auch marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente eingesetzt werden. Deren Zweck ist klar: Dem Einsatz von Rezyklaten im Markt einen Vorteil verschaffen. In der unternehmerischen Kalkulation sollen das Mitwirken an der Kreislaufführung und das Herstellen und Einsetzen von Rezyklaten attraktiver werden, als rein mit fossilen Rohstoffen zu wirtschaften.

Intelligenter Mix

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Eine Bepreisung fossiler Rohstoffe abhängig vom Anteil nicht zirkulärer Rohstoffe ist eine Option wie auch eine steuerliche Bevorteilung beim Einsatz von Rezyklaten oder eine Anrechnung der eingesparten CO2-Emissionen auf den Gesamtausstoß des Unternehmens.

Es gibt somit zwar keine Universallösung, die eine Etablierung einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe schnell und unkompliziert möglich machen kann, doch bestehen realistische Lösungswege, den Umgang mit Kunststoffen neu zu denken.

Der VDI setzt hierbei auf einen intelligenten Mix der verschiedenen Lenkungsoptionen unter Berücksichtigung der jeweiligen technischen, ökologischen, ökonomischen und regulativen Chancen und Herausforderungen. So wird der Weg zu einer umfassenden Kreislaufführung von Kunststoffen machbar.

Interview zum Thema:

Fraglos haben Kunststoffe gute Eigenschaften wie Haltbarkeit, die in der Umwelt jedoch ein Problem sind. Kunststoffe wirklich im Kreislauf zu führen, kann dieses Dilemma lösen. Das Green Paper „Circular Economy für Kunststoffe neu denken“ des VDI zeigt, wie das gehen kann. Zwei, die mitgearbeitet haben, diskutieren über den Weg zum Kunststoffkreislauf: Matthias Lesch, Geschäftsführer der Pöppelmann Holding, und Helmut Schmitz, Kommunikationschef des Dualen System Deutschlands – Der Grüne Punkt. Sie sehen die Kreislaufwirtschaft als Chance: aus wirtschaftlicher Sicht und, um das Image des Kunststoffs aufzupolieren.

Sie lesen das Interview ab Seite 36 im aktuellen E-Paper des UmweltMagazins.

Von Volker Brennecke & Maximilian Stindt

Dr. Volker Brennecke
Leiter Politik & Gesellschaft im VDI
brennecke@vdi.de
Maximilian Stindt
Referent für Public Affairs & Stakeholder Management im VDI
maximilian.stindt@vdi.de