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Bakterien helfen Pflanzen 08.01.2024, 07:00 Uhr

Durchbruch: Neue Züchtungen brauchen weniger Pestizide

Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, eine grundlegende Erkenntnis zu nutzen, um Pflanzen besser vor Krankheiten zu schützen. Geholfen haben ihnen dabei Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Medizin, die Zusammenhänge im menschlichen Körper aufzeigen.

Reispflanzen

Für den Schutz von Reispflanzen werden in Asien große Mengen an Pestiziden eingesetzt - noch.

Foto: panthermedia.net/tomwang

Pestizide haben immer noch eine große Bedeutung, um Nutzpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen. Dabei richten die Stoffe in der Umwelt erheblichen Schaden an. Sie belasten die Gewässer, reichern sich im Boden an, wo sie negativen Einfluss auf die dortigen Lebewesen haben, und sie verbreiten sich über die Luft über weite Strecken, sodass es kaum gelingt, sie auf bestimmte Areale einzugrenzen. Schließlich landen sie in der Nahrungskette des Menschen.

Zwar ist der Schaden unterschiedlich groß, abhängig von den verwendeten Substanzen, doch eines steht fest: Am besten wäre es, den Gebrauch insgesamt zu reduzieren. Dafür gibt es viele verschiedene Ansätze, wie neue Anbaumethoden und der Einsatz sogenannter Nützlinge, die einen übermäßigen Befall durch Schädlinge verhindern. Eine weitere wichtige Maßnahme sind neue Züchtungen, die gegen Angriffe von außen resistenter sind. Diesen Ansatz hat ein Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Großbritannien, China und Österreich verfolgt. Dabei diente ihnen der menschliche Darm als Vorbild.

Pflanzenschutz durch nützliche Bakterien, statt durch Pestizide

Bakterien sind nicht grundlegend schlecht. Das ist inzwischen bekannt. Ein gutes Beispiel dafür ist das Mikrobiom des Darms. Mit dem Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen gemeint, die sich in einem bestimmten Bereich aufhalten. Die Zusammensetzung im Darm sieht bei jedem Menschen anders aus und hat erheblichen Einfluss auf die Gesundheit. Denn eine gute Darmflora ist nicht nur wichtig für die Verdauung, sondern auch einer der Schlüssel für ein intaktes Immunsystem. Da im Darm zahlreiche Hormone produziert werden, beeinflusst sie sogar die Stimmung.

Pflanzliche Lebensformen funktionieren zwar grundsätzlich anders, aber auch sie beherbergen eine Vielfalt an Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen. Diese leben in den Wurzeln, Stängeln und Blättern – und beeinflussen die Gesundheit der Pflanzen beziehungsweise ihre Anfälligkeit für Krankheiten.

Tomislav Cernava, außerordentlicher Professor für Interaktionen zwischen Pflanzen und Mikroben an der britischen Universität Southampton, hat zusammen mit seinen Kollegen und Kolleginnen in diesem Bereich einen Durchbruch erzielt: „Zum ersten Mal ist es uns gelungen, die Zusammensetzung des Mikrobioms einer Pflanze gezielt zu verändern und die Zahl der nützlichen Bakterien zu erhöhen, die die Pflanze vor schädlichen Bakterien schützen können.“

Über veränderte Gene das Mikrobiom der Pflanzen beeinflussen

Die Forschenden sind davon überzeugt, dass diese Ergebnisse zu Neuzüchtungen führen werden, die sich besser selbst schützen können. Das würde den Einsatz von Pestiziden erheblich verringern und die Umwelt schonen. „Wir haben dies bei Reispflanzen erreicht, aber der von uns geschaffene Rahmen könnte auch auf andere Pflanzen angewendet werden und weitere Möglichkeiten zur Verbesserung ihres Mikrobioms eröffnen“, sagt Cernava. „Zum Beispiel könnten Mikroben, die die Nährstoffversorgung der Pflanzen verbessern, den Bedarf an synthetischen Düngemitteln verringern.“

Im ersten Moment stellt sich die Frage, wieso Neuzüchtungen Einfluss auf die Zusammensetzung der Besiedlung durch Mikroorganismen haben, aber das lässt sich schnell erklären: Das Forschungsteam hat ein bestimmtes Gen aus dem Lignin-Biosynthese-Cluster der Reispflanze identifiziert, das an der Gestaltung ihres Mikrobioms beteiligt ist. Lignin ist ein komplexes Polymer, das in den Zellwänden von Pflanzen vorkommt. Die Biomasse einiger Pflanzenarten besteht sogar zu mehr als 30 Prozent aus Lignin.

Praxistest zeigt weniger Bedarf an Pestiziden bei Reispflanzen

Zunächst beobachteten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass weniger nützlicher Bakterien vorhanden waren, wenn sie das Gen deaktivierten. Ihre Theorie über die Bedeutung des Gens war also bestätigt. Im nächsten Schritt veränderten die Forschenden das Gen so, dass es mehr von einer bestimmten Art von Metaboliten produzierte. Dabei handelt es sich um kleine Moleküle, die von den Pflanzen während ihrer Stoffwechselprozesse produziert werden. Im Ergebnis erhöhte sich die Anzahl der nützlichen Bakterien im Mikrobiom der Pflanze.

Ein Praxistest zeigte, dass bei den so veränderten Pflanzen tatsächlich weniger Pestizide benötigt werden. Denn im Vergleich mit herkömmlichen Wildreis-Arten stellten sie sich als resistenter gegenüber Krankheitserregern heraus, die verantwortlich für die bakterielle Kraut- und Knollenfäule in Reispflanzen sind. Diese Bakterienkrankheit ist in Asien weit verbreitet und wird durch den massiven Einsatz von umweltschädlichen Pestiziden bekämpft.

Die Forschenden versuchen nun, weitere Stellschrauben zu finden, mit denen sie das Mikrobiom positiv beeinflussen können. Langfristig könnten dadurch viele Pestizide überflüssig werden.

Von Nicole Lücke