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Nachhaltigkeit 24.01.2022, 07:00 Uhr

Gut für die Umwelt und gut fürs Budget: So werden aus Lignin-haltigen Abfällen hochwertige Produkte

Lignin, ein Abfallprodukt der Zellstoffindustrie, lässt sich in einem ökonomisch und ökologisch sinnvollen Prozess zu biobasierten Materialien verarbeiten. Chemieingenieure aus den USA zeigen, wie das funktioniert.

Zelluloseverarbeitung

Bei der Herstellung von Zellstoff entsteht verunreinigtes Lignin. Wie es sich aufarbeiten lässt, zeigen US-amerikanische Chemieingenieure.

Foto: panthermedia.net/BlissHunterImages

Nachhaltigkeit zählt in allen Industriesparten zu den wichtigsten Strategien. Biobasierte Materialien gelten als mögliche Option. Aber sie müssen wirtschaftlich sein, damit sie auch in großem Stil eingesetzt werden.

Forscherinnen und Forscher an der University of Delaware, Newark, hatten Überlegungen dieser Art vor Augen, als sie Möglichkeiten untersuchten, um Biomasse zu neuen Produkten zu verarbeiten. Lignin kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Das Makromolekül ist ein Bestandteil von Pflanzen und Bäumen. Es verleiht ihnen Festigkeit und Steifigkeit. Das Team hat jetzt gezeigt, wie sich Lignin-Abfälle aus der Papierindustrie effizient in hochwertige Kunststoffe, etwa biobasierte 3D-Druckharze, oder in wertvolle Chemikalien umwandeln lassen. Eine Wirtschafts- und Lebenszyklusanalyse zeigt, dass der Ansatz auch mit ähnlichen erdölbasierten Produkten wettbewerbsfähig sein kann.

„Die Fähigkeit, etwas wie technisches Lignin nicht nur aufzuspalten und in ein nützliches Produkt umzuwandeln, sondern dies auch zu Kosten und mit geringeren Umweltauswirkungen als bei Erdölmaterialien zu tun, ist etwas, das bisher noch niemand wirklich zeigen konnte“, kommentiert Thomas H. Epps. Er ist Professor an der University of Delaware und hat das Projekt geleitet.

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Lignin: Ressourcen der Industrie besser nutzen

Zum Hintergrund: In der Zellstoff- und Papierindustrie ist Lignin bislang ein recht ungeliebtes Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Papier entsteht. Diese Art von Lignin, das sogenannte technische Lignin, gilt als besonders stark verunreinigt. Es war bislang nicht verwertbar – außer als Energieträger zur Verbrennung beziehungsweise als Füllstoff für Reifen. Rund 100 Millionen Tonnen technisches Lignin fallen jährlich in Zellstoff- und Papierfabriken auf der ganzen Welt an.

Eines der Hauptprobleme bei der Veredelung von Lignin besteht darin, dass die meisten Verfahren mit sehr hohem Druck arbeiten und daher teuer und schwer zu skalieren sind. Zu den Hürden gehören hohe Energiekosten und Sicherheitsvorkehrungen bei dem Prozess.

Um das Verfahren zu optimieren, ersetzten Forschende Methanol, ein gängiges Lösungsmittel für den Ligninabbau, durch Glycerin, sodass der Prozess bei normalem Druck durchgeführt werden konnte. Glycerin ist preiswert; es wird in großem Umfang bei Kosmetika aller Art eingesetzt. Im Verfahren hilft es, Lignin in chemische Bausteine aufzuspalten, die zur Herstellung einer breiten Palette biobasierter Produkte verwendet werden können. Dazu zählen Harze für den 3D-Druck, verschiedene Arten von Kunststoffen oder Feinchemikalien wie Geschmacks- und Duftstoffe.

Der Lignin-Aufschluss bei Atmosphärendruck war sicherer im Vergleich zum Hochdruckverfahren. Hinzu kommt als Möglichkeit, den Prozess über kleine Chargen hinaus zu skalieren und kontinuierlich laufen zu lassen, um mehr Material mit weniger Arbeitsaufwand zu erzeugen. Es dauerte etwa ein Jahr, das Verfahren zu perfektionieren.

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Ein Blick auf die Kosten der Lignin-Aufarbeitung

Messungen und Simulationen zeigten, dass das Niederdruckverfahren die Kosten für die Herstellung eines biobasierten Haftklebstoffs aus Weichholz-Kraftlignin im Vergleich zum Hochdruckverfahren um bis zu 60% senken kann. Dieser Vorteil war bei anderen in der Studie verwendeten Arten von technischen Ligninen weniger ausgeprägt, aber Kraft-Lignin gehört zu den am häufigsten in der Zellstoff- und Papierindustrie anfallenden Arten von technischem Lignin.

Durch die Bewertung technischer Ligninabfälle aus verschiedenen Arten von Zellstoffprozessen vom kanadischen Projektpartner CanmetENERGY konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prüfen, wie sich vorgelagerte Kosten auf die Wirtschaftlichkeit im weiteren Verlauf des Prozesses auswirken würden. Als Parameter untersuchten sie die Rohstoffpreis und die Ausbeute.

Ihre Analyse zeigte zwar, dass die Ausbeute eine wichtige Rolle für die Wirtschaftlichkeit der Anlage spielt. Aber die Betriebskosten des neuen Niederdruckverfahrens waren generell aufgrund der geringeren Kosten und der Erzeugung wertvoller Nebenprodukte deutlich niedriger als die des herkömmlichen Verfahrens. Die an der Entwicklung des Verfahrens beteiligten Forscher haben jetzt ein Patent angemeldet.

„Es zeigt, dass es ein großes Potenzial für die Nutzung erneuerbarer Ressourcen zur Herstellung verschiedener Arten von Kunststoffen gibt“, erklärt Paula Pranda aus dem Projektteam. „Man muss nicht unbedingt fossile Brennstoffe verwenden, denn auch Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen können wirtschaftlich sinnvoll sein.“

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Von Michael van den Heuvel