Innovative Messung der Eutrophierung: Eintrag in Gewässer zuverlässig bestimmen
Gelangen Nährstoffe aus dem Abwasser in Seen oder Flüsse, drohen Ökosysteme, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Doch die Messung war bislang schwierig. Ein neues Verfahren löst bekannte Probleme.
Über das Abwasser gelangen Nährstoffe aus anthropogenen Quellen in aquatische Ökosysteme. Dazu zählen in erster Linie Stickstoff und Phosphor. Sie werden aus Fäkalien beim Abbau freigesetzt. Dieser unerwünschte Eintrag, auch Eutrophierung genannt, führt zur schädlichen Vermehrung von Pflanzen mit hohem Nährstoffbedarf; andere Arten werden verdrängt. Auch diverse Bakterienarten vermehren sich rapide, und Sauerstoffmangel droht. Dann gehen Fische, Muscheln und Würmer zugrunde.
Die Problematik ist seit Jahrzehnten bekannt. Allerdings fehlten bislang Methoden, um die organische Belastung durch Nährstoffe rasch und genau zu bestimmen. Chemische Verfahren erfassen auch organische Stoffe des Gewässers und nicht nur den externen Eintrag von Nährstoffen. Biologische Methoden sind präziser, aber zeitaufwändig und fehleranfällig. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Hereon zeigen jetzt, wie es gelingen kann, sich von Gewässern ein präzises Bild zu machen. Sie kombinieren die biologische Messmethode mit einem optischen Verfahren.
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Eutrophierung: Chemische Messmethode liefert kaum Aussagen
Zum Hintergrund: Messmethoden, um die Belastung von Gewässern mit organischen Stoffen aus Fäkalien zu bestimmen, gibt es seit geraumer Zeit. Dazu nehmen Forscher Wasserproben in regelmäßigen Abständen. Die Flüssigkeiten werden mit Permanganat oder Dichromat versetzt, zwei Chemikalien, die starke, anorganische Oxidationsmittel sind. Sie bauen organischen Substanzen in kurzer Zeit. Je mehr Permanganat oder Dichromat man dafür pro Liter einer Wasserprobe benötigt, desto höher ist auch der Gehalt an organischen Verunreinigungen. Daraus ermittelt man den chemischen Sauerstoffbedarf, auch Chemical Oxygen Demand oder COD genannt.
Die Methode hat ihre Schwächen. Sie unterscheidet nicht zwischen organischen Kontaminationen aus Abwasser und – durchaus wünschenswerten – organischen Verbindungen. Beispielsweise entstehen Lignin und Huminsäuren beim Zerfall von verholzten Pflanzen; sie gehören zum natürlichen Stoffkreislauf.
Biologische Messungen sind genauer – aber zu aufwändig für die Praxis
Um präzisere Aussagen zu treffen, gibt es eine biologische Messmethode. Sie liefert bessere Angaben zum Nährstoffeintrag, ist aber deutlich aufwändiger als das chemische Verfahren. Deshalb kam sie bislang kaum zum Einsatz.
So geht man dabei vor: Aus Seen oder Gewässern werden mehrere identische Proben entnommen. Man bestimmt umgehend den Sauerstoffgehalt, lässt aber eines der Gefäße dicht verschlossen fünf Tage lang stehen. In dieser Zeit bauen Bakterien organische Substanzen ab. Dabei verbrauchen sie Sauerstoff. Nach fünf Tagen wird erneut der Sauerstoffwert bestimmt. Hier handelt es sich um den biologischen Sauerstoffbedarf (Biological Oxygen Demand, BOD).
„Die Messung des BOD ist sehr viel genauer als die des COD, weil die Bakterien vorzugsweise die kleinen organischen Moleküle aus dem Abwasser abbauen, aber die natürlichen wie etwa Lignin unangetastet lassen“, sagt Helmuth Thomas. Er ist Leiter des Hereon-Instituts für Kohlenstoffkreisläufe. Der Experte nennt mehrere Nachteile der BOD-Methode. Dazu zählt der Zeitfaktor – Resultate liegen erst nach fünf Tagen vor. Außerdem erfordern BOD-Messung viel Laborerfahrung. Beim Abfüllen, Lagern und Vermessen der Wasserproben darf kein Sauerstoff aus der Umgebungsluft in die Gefäße gelangen. „Daher bevorzugen Behörden und Forscher auch heute noch den COD – trotz großer Unsicherheiten“, weiß Thomas.
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Mit moderner Technik die Eutrophierung präzise bestimmen
Thomas und seine Kollegen zeigen jetzt, dass sich die klassische BOD-Messung praxistauglich gestalten lässt. Das geht so: Gleich beim Abfüllen der Wasserprobe wird eine optische Faser in das Probengefäß gebracht. Über diese Faser lässt sich der Sauerstoffgehalt anhand optischer Effekte kontinuierlich bestimmen. Die Probe muss nicht mehr geöffnet werden. Aussagekräftige Ergebnisse liegen bereits nach 48 Stunden und nicht erst nach fünf Tagen vor.
Ein Beispiel: „Für den Han-Fluss in Südkorea etwa haben wir mit unserer neuen Methode herausgefunden, dass die Belastung mit organischen Stoffen aus Abwässern in den vergangenen 25 Jahren abgenommen hat“, berichtet Thomas. „Die COD-Messungen aber zeigen nach wie vor hohe Werte an, weil hier die natürlichen Substanzen einen Großteil der Organik im Wasser ausmachen.“
Der Forscher hofft, dass das neue Verfahren bald in der Praxis ankommt und COD- oder klassische BOD-Messung ablösen wird.
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