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Bioraffinerie 28.10.2024, 07:00 Uhr

Insekten stellen aus Bioabfällen die Grundlage für Kraftstoffe & Co. her

Am Fraunhofer IGB in Stuttgart wurde erfolgreich eine Insektenbioraffinerie aufgebaut. In dieser verwerten die Larven der Schwarzen Soldatenfliege organische Reststoffe und Bioabfälle, um daraus wertvolle Rohstoffe für die Industrie zu gewinnen. Nach dreijähriger Forschung im Projekt „InBiRa“ präsentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse bei einer Abschlusskonferenz.

Fliegenlarven auf einer Hand.

Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege sind in der Lage, Bioabfälle zu verwerten.

Foto: © PantherMedia / TaraPatta

In den vergangenen drei Jahren ist es den Forschenden am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart gelungen, eine neuartige Insektenbioraffinerie im Pilotmaßstab zu entwickeln. Das Projekt „InBiRa“ wurde vom Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit Landes- und EU-Mitteln gefördert. Das neuartige Konzept basiert darauf, dass Larven der Schwarzen Soldatenfliege in der Lage sind, organische Reststoffe und Bioabfälle zu verwerten und dabei wertvolle Rohstoffe wie Proteine, Fette oder Chitin zu produzieren. Diese Wertstoffe können anschließend von der Industrie zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet werden. Bei der Abschlusskonferenz des Projekts zogen die Beteiligten ein positives Fazit und betonten das große Potenzial der Pilotanlage für die Entwicklung neuer  Produkte.

Die Insektenbioraffinerie bietet eine nachhaltige Alternative zur herkömmlichen Entsorgung von alten Lebensmitteln und Bioabfällen aus Gastronomie und Biotonne. Statt diese Abfälle einfach zu kompostieren, werden sie in der Anlage als wertvolle Ressource genutzt. Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege fressen die Abfälle nicht nur, sondern produzieren während ihres Wachstums auch die begehrten Wertstoffe. Mit dem erfolgreichen Aufbau der Pilotanlage am Fraunhofer IGB wurden erstmals die Mast, Verarbeitung und Verwertung der Insekten im industriellen Maßstab erforscht und demonstriert. Die Abschlusskonferenz bot den Projektbeteiligten, Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik sowie potenziellen Anwenderinnen und Anwendern die Gelegenheit, sich über die Ergebnisse zu informieren und die Anlage vor Ort zu besichtigen.

Bioraffinerie: Komplexer Prozess mit vielen Schritten

Projektleiterin Susanne Zibek, die am Fraunhofer IGB die Arbeitsgruppe Bioprozessentwicklung im Innovationsfeld Industrielle Biotechnologie leitet, erläuterte bei der Abschlusskonferenz wie komplex die Insektenbioraffinerie ist. Sie verglich das Prinzip mit dem einer klassischen Erdölraffinerie, bei der ebenfalls ein Rohstoff mit komplexer Zusammensetzung in seine einzelnen Bestandteile aufgetrennt wird. Die InBiRa-Anlage bildet alle erforderlichen Prozessschritte im Pilotmaßstab ab, angefangen bei der Mast der Larven (dem sogenannten „Farming“) über die Trennung der Fett- und Proteinfraktion (Primärraffination) bis hin zur Umwandlung in die gewünschten Zwischenprodukte (Sekundärraffination). Während der dreijährigen Projektlaufzeit wurden alle Schritte gründlich durchgeführt und evaluiert. Dafür wurden rund 20 Prozesseinheiten definiert, verfahrenstechnisch ausgelegt und schließlich für die Pilotanlage am IGB angeschafft.

Am Ende stehen chemische Grundstoffe, sogenannte Plattformchemikalien, die ganz unterschiedlich eingesetzt werden können. Dazu gehören beispielsweise Kraftstoffe, Kosmetika, Reinigungsmittel, Kunststoffe oder Pflanzendünger. Die Insektenbioraffinerie birgt somit viel Potenzial für einen erfolgreichen Wandel hin zu einer kreislaufbasierten Bioökonomie, wie sie in der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg angestrebt wird. Da das Bundesland auf bioökonomische Ansätze setzt, um nachhaltiger zu werden, war das Interesse der Landespolitik und darüber hinaus entsprechend groß. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Ministerien sowie seitens der Europäischen Kommission nahmen an der Abschlusskonferenz teil.

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Politische Unterstützung: Insektenbioraffinerie als Zukunftsmodell

Das Umweltministerium Baden-Württemberg förderte den Aufbau der InBiRa-Anlage am Fraunhofer IGB mit Mitteln des Landes und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des Programms „Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling“. Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium, zeigte sich beeindruckt von den Forschungsergebnissen und betonte die Möglichkeiten der Insektenbioraffinerie für die Herstellung hochwertiger Produkte. Er unterstrich die Bedeutung des Systemansatzes für die Kreislaufführung von Stoffen und hob hervor, dass die zirkuläre Bioökonomie bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen bei der Ressourcensicherheit und Rohstoffknappheit leistet. Das Land unterstützt diesen Prozess mit finanziellen Förderungen, der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie und dem Einsatz für passende regulatorische Rahmenbedingungen.

Nicolas Gibert-Morin von der Europäischen Kommission bestätigte, dass die Mittel aus dem EFRE-Programm gut eingesetzt wurden. Die EU unterstützt mit dem EFRE gern neuartige, kreislauforientierte und ressourceneffiziente Projekte wie die Insektenbioraffinerie. Er zeigte sich erfreut über den erfolgreichen Abschluss des Projekts und äußerte die Hoffnung auf ein baldiges marktreifes Produkt. Neben dem Fraunhofer IGB, das die Koordination des Projekts unter Leitung von Susanne Zibek innehatte, waren weitere Partnerinnen und Partner aus Forschung und Industrie am InBiRa-Projekt beteiligt. Dazu gehörten das Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) und das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart sowie das ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH.

Insektenbioraffinerie: Konkrete Anwendung in der Praxis angestrebt

Von Industrieseite brachte die Hermetia Baruth GmbH ihre Expertise bei der Insektenmast ein, während die PreZero Stiftung & Co. KG Bioabfälle für den Betrieb der InBiRa-Anlage zur Verfügung stellte. Am Ende der Abschlusskonferenz diskutierten die Beteiligten aus Forschung, Politik sowie Unternehmen aus der Abfallwirtschaft in einer Podiumsdiskussion über die Möglichkeiten der neuen Technologie, die Herausforderungen hinsichtlich regulatorischer Rahmenbedingungen und mögliche Lösungsansätze.

InBiRa-Projektleiterin Zibek zeigte sich nach Projektabschluss optimistisch, dass die entwickelte Bioraffinerie schon bald konkrete Anwendung in der Praxis finden wird. Sie ist zuversichtlich, dass demnächst ein Transfer in die Industrie umgesetzt werden kann, sodass mit den Larven eine sinnvolle Verwertung von überlagerten und verdorbenen Lebensmitteln zu neuen Produkten für die chemische Industrie möglich wird.

Von Julia Klinkusch