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12.12.2024, 09:00 Uhr

Mehr privates Kapital für die Transformation

Wie lässt sich die ökologische Transformation finanzieren? Wie kann eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden? Um diese Fragen ging es Ende Oktober in einem Fachsymposium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Finanzfachleuten – mit anderen Worten: Es ging um viel Geld.

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Münzen, auf denen grüne Sprossen gedeihen - ein Symbol für Geschäftserfolg dank nachhaltiger Finanzierung.

Foto: PantherMedia/Phanuwat/Nandee

Nachhaltigkeit finanzieren

Es geht um große Beträge: 5.000 Mrd. € für die Klimaneutralität Deutschlands, davon 2.000 Mrd. € echte Zusatzkosten, die über den reinen Ersatzbedarf hinausgehen, und 10.000 Mrd. € Zusatzkosten für Europa. Auf diese in mehreren aktuellen Studien genannten Summen verwies DBU-Generalsekretär Alexander Bonde in seiner Einführung zum Fachsymposium „Wie finanzieren wir die Transformation“ am 26. Oktober im Vorfeld der Verleihung des Deutschen Umweltpreises der DBU in Mainz.

„Das bedeutet allein für Deutschland zusätzliche Investitionsnotwendigkeiten von 100 Mrd. € jährlich bis ins Jahr 2045“, verdeutlichte Bonde. Ein Großteil dieser Mittel müsse in öffentliche Infrastrukturen wie in Leitungsnetze oder den Bereich der Energiespeicher investiert werden. Der DBU-Generalsekretär betonte aber auch, der Blick müsse nicht nur auf Deutschland und Europa, sondern auch auf die Schwellen- und Entwicklungsländer gerichtet werden. „Denn Klimaneutralität funktioniert am Ende nur global und gemeinsam“, so Bonde.

Solche riesigen Summen lassen sich nur mit Hilfe der Kapitalmärkte aufbringen. Das heißt: „Wir werden viel privates Engagement brauchen – nicht nur bei der Umsetzung der Transformation, sondern auch bei der Finanzierung“, unterstrich Bonde. Viele private Anleger hielten große Anteile ihres Kapitals in sehr niedrig verzinsten Anlagen wie Girokonten oder Sparbüchern. Hier gebe es ein großes Potenzial für mehr Rendite für Privatpersonen, aber auch für den Planeten.

Interesse ja, passende Angebote nein

Dabei sind viele Privatanleger zwar an nachhaltigen Kapitalanlagen interessiert. Sie erhalten aber von Bankberatern häufig nicht die passenden Angebote. Dies zeigen Studien, die Prof. Dr. Christian Klein von der Universität Kassel vorstellte. Interessant dabei sei, so der Mitbegründer der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance Deutschland, dies ist ein „lösbares Kommunikationsproblem“.

Denn Anleger würden bei Befragungen erklären, dass ihnen keine nachhaltigen Anlagen angeboten worden seien und sie sich zu wenig informiert fühlen – während Bankberater in den Befragungen erläuterten, dass es so gut wie keine Nachfrage nach solchen Produkten gäbe. „Der eine hat das nachhaltige Produkt und der andere will es, aber die reden einfach nicht darüber, erläutert Klein. Eine wichtige Rolle spiele dabei auch die persönliche Präferenz und ausreichendes Wissen des Anlageberaters sowie die Breite der Angebotsauswahl. Hier müssten die Schulungen erweitert und verbessert werden. Kleins Fazit: „Wir müssen und werden nachjustieren, dürfen aber nicht zurückrudern.“

Bessere Ergebnisse als konventionelle Fonds

In der anschließenden Fachdiskussion verwies DBU-Finanzchef Michael Dittrich auf die guten Erfahrungen der DBU mit nachhaltigen Kapitalanlagen: „In der langfristigen Betrachtung und bei einer breiten Diversifizierung über viele Branchen bringen diese Anlagen keine Renditenachteile gegenüber konventionellen Anlagen mit sich.“ Die DBU hat diese Erfahrung über einen Zeitraum von 14 Jahren mit eigenen nachhaltig gemanagten Spezialfonds gemacht. Dabei werden keine Branchen ausgeschlossen, sondern innerhalb der Branchen in Unternehmen mit den besten Bewertungen investiert. Die Beobachtung: Die nachhaltig gemanagten Fonds zeigten sowohl in Phasen mit steigenden als auch bei sinkenden Kursen eher bessere Ergebnisse als konventionellen Fonds.

An dem Fachsymposium „Wie finanzieren wir die Transformation“ nahmen v.l.n.r. teil: Dr. Ndidi Nnoli-Edozien, Vorstand International Sustainability Standard, IFRS Foundation; Prof. Dr. Christian Klein von der Universität Kassel und der Wissenschaftsplattform „Sustainable Finance“; Michael Dittrich, Abteilungsleiter Finanzen und Verwaltung der DBU; Moderatorin Wirtschaftsjournalistin Sissi Hajtmanek; Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG, Frankfurt; Alexander Bonde, DBU-Generalsekretär sowie Silke Stremlau, Vorsitzende des „Sustainable Finance“-Beirats der Bundesregierung.

Foto: Markus Große-Ophoff/DBU

Nachhaltige Technik und Suffizienz

Silke Stremlau, Vorsitzende des Sustainable Finance-Beirates (SFB) der Bundesregierung, verwies darauf, dass das Ziel der Transformation heute nicht mehr in Frage gestellt werde: „Es ist ganz klar, wir müssen uns dekarbonisieren, wir laufen auf eine Kreislaufwirtschaft hin. Die Frage ist nur noch wie.“ Dabei müssten sich am Ende auch Lebensstile ändern und CO2-intensive Aktivitäten vermieden werden. Was das konkret bedeute, müsste am Ende jeder für sich beantworten.

Stremlau glaubt, dass die Menschen viel umstellen können und dabei gar nicht verzichten müssen. Sie setzt dabei einmal auf viele Technologien. „Ich bin aber schon eine Freundin einer Suffizienzdebatte“, erklärt Stremlau. Für sie heißt Suffizienz gar nicht Verzicht, sondern hinter dem Wort stehe die Frage, „was ist für ein gutes Leben nötig“.

Anreize schaffen, das Richtige zu tun

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, führte aus, dass aber die Frage gestellt werden müsste, was der effizienteste Weg zur Dekarbonisierung sei. Bei einer Investitionslenkung auf der Basis von Empfehlungen an die Politik sei nicht sichergestellt, ob das CO2 wirklich dort eingespart werde, wo es am preiswertesten sei. Es bestehe auch die Gefahr, dass die Leute nicht mitgenommen würden, weil es zu teuer wird.

Ein anderer Weg würde über CO2-Preise funktionieren, ergänzte Krämer. Dann könne jeder Einzelne selbst entscheiden, wo er einsparen wolle und wo nicht. „Wenn es sehr günstig ist, CO2 einzusparen, günstiger als der CO2-Preis, den ich zu zahlen habe, dann realisiere ich aus eigenem Antrieb diese CO2-Reduzierungsinvestition“, so Krämer. Grundsätzlich seien Investitionen positiv zu sehen, weil sie die Wirtschaft beleben.

Silke Stremlau stimmte zu, dass CO2-Preise ein effizientes Mittel seien, führte aber auch aus, dass eine Investitionslenkung nicht so gemeint sei, dass den Menschen alles vorgeschrieben werde, sondern dass Anreize geschaffen werden, das Richtige zu tun.

Anreiz: Befreiung von der Kapitalertragssteuer

Michael Dittrich, der auch die Arbeitsgruppe Kapitalmarkt im SFB leitet, erläuterte die Vorschläge des Gremiums, um privates Kapital zu mobilisieren. Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verfügen über knapp 3.000 Mrd. € Kapitalvermögen. Davon sind jedoch etwa 40 % entweder zinslos oder zu sehr niedrigen Zinsen auf Sparbüchern oder Girokonten oder als kurzfristige Termingelder angelegt. „Banken und Sparkassen, Versicherungen oder Fondsgesellschaften könnten einen Klimasparplan mit mindestens zehnjähriger Laufzeit anbieten und das eingezahlte Kapital zum Beispiel zum Ankauf von langlaufenden Greenbonds unterschiedlicher Unternehmen verwenden“, so Dittrich. Als Anreiz schlägt das SFB-Gremium noch vor, sollten die ersten 25.000 € Einzahlungen in den Klimasparplan von der Kapitalertragssteuer befreit werden.

Für vermögende Privatkunden schlägt der SFB zudem einen Transformationsfonds vor, ähnlich ausgestaltet wie ein offener Immobilien- oder Infrastrukturfonds, mit dem Leitungsnetze oder Ladestationen finanziert werden könnten. Hier sollten die ersten 100.000 Euro Einzahlungen kapitalertragssteuerbefreit werden.

Beide Ideen seien relativ einfach zu verwirklichen: Für den Klimasparplan gäbe es ein vergleichbares Modell in Frankreich und für den Transformationsfonds würden wenige zusätzliche Regelungen im Kapitalanlagengesetz und in der Steuergesetzgebung reichen.

„Wenn es brennt, brennt es überall“

Dr. Ndidi Nnoli-Edozien, Vorstand im International Sustainability Standard Board (ISSB) mit Sitz in Frankfurt am Main, verwies darauf, dass der gesamte afrikanische Kontinent nur für weniger als 4 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sei. Viele afrikanische Länder seien aber dennoch bereit, sich internationalen Vereinbarungen anzuschließen. „Denn es ist eine Welt. Wenn es brennt, dann brennt es überall“, sagte Nnoli-Edozien. Es sei daher dringend notwendig, Nachhaltigkeitsstandards international festzulegen, damit eine gemeinsame Sprache zu Fragen der Nachhaltigkeit über Kontinente hinweg möglich sei. Für die Transformation in Schwellenländern sei eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Kapitalgebern zur Absenkung der Risiken für das private Kapital wichtig.

Ein Weg hierfür sind sogenannte „First loss“-Tranchen, bei denen Entwicklungsbanken Risikotranchen übernehmen. Dabei investiert auch der Staat in ein Projekt und trägt den ersten Teil möglicher Verluste allein, erhält dafür aber mehr Zinsen, wenn es läuft. Der Staat sichert damit also eine Projektfinanzierung für die anderen Anleger ab.

Dabei müssten die entstehenden Kosten im Verhältnis zu den Milliardenschäden gesehen werden, die schon heute durch Umweltkatastrophen wie Überflutungen oder Waldbrände überall auf der Welt entstehen, ergänzt Nnoli-Edozien. Die CO2-Emissionen der Unternehmen sowie ihrer Lieferketten sollten daher Eingang in ihre Bilanzen finden. Außerdem rief die Deutsch-Nigerianerin dazu auf, beim Entwickeln von Lösungen voranzugehen: „Ich finde, dass wir als Deutsche viel mehr Mut haben müssen und agieren müssen. Auch wenn wir vielleicht weniger Mittel haben als andere, bieten unsere Wege und das, was wir beitragen können, sehr viel und sind sehr zugänglich.“

Was Nicht-Agieren bedeuten würde, fasste DBU-Generalsekretär Bonde gleich zu Beginn des Forums prägnant zusammen: „Die teuerste Variante wäre, nichts zu tun.“

www.dbu.de/uwp24-symposium

Von Verena Menz

Verena Menzist Projektleiterin für den Newsletter DBUaktuell & stellvertretende fachliche Leiterin des DBU Zentrum für Umweltkommunikation. Foto: DBU