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Umweltschutz 23.09.2024, 07:00 Uhr

Mikroplastik in Korallen: Eine alarmierende Entdeckung

Eine Studie enthüllt ein alarmierendes Ausmaß der Mikroplastik-Belastung in Korallen. Forschende aus Japan und Thailand haben mithilfe einer neuen Methode Mikroplastik in allen Teilen der Korallenanatomie nachweisen können. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur das Rätsel des „fehlenden Plastiks“ in den Ozeanen lösen, sondern auch weitreichende Folgen für das Verständnis der marinen Ökosysteme haben.

Ein Korallenriff

Korallen können neuesten Forschungen zufolge Mikroplastik "einlagern".

Foto: PantherMedia / jonnysek

Eine Studie japanischer und thailändischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hat Licht auf ein bislang unbekanntes Problem geworfen. Erstmals wurde Mikroplastik in allen Teilen von Korallen nachgewiesen. Diese Entdeckung könnte erklären, warum ein Großteil des in die Ozeane gelangten Plastikmülls nicht auffindbar ist. Die Forscher vermuten, dass Korallen als Mikroplastik-Senken fungieren und so zur Reinigung der Meere beitragen. Diese revolutionären Erkenntnisse werfen neue Fragen zur Belastung mariner Ökosysteme auf und unterstreichen die Dringlichkeit weiterer Forschung.

Neuartige Untersuchung macht Mikroplastik in Korallen „sichtbar“

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen entwickelten eine neuartige Methode, um Mikroplastik in Korallen nachzuweisen. Sie untersuchten drei anatomische Bereiche: die Schleimhaut an der Oberfläche, das innere Gewebe und das Kalziumkarbonat-Skelett. Durch eine Reihe chemischer Waschungen gelang es ihnen, die verschiedenen Schichten aufzulösen und den Inhalt zu filtern. Diese Technik ermöglichte es dem Team, Mikroplastikpartikel in allen Korallenteilen zu identifizieren und zu quantifizieren.

Die Forschungsgruppe sammelte und analysierte insgesamt 27 Proben von vier verschiedenen Korallenarten. Sie entdeckten 174 Mikroplastikpartikel, deren Größe meist zwischen 101 und 200 Mikrometer (µm) lag –  vergleichbar mit der Breite eines menschlichen Haares. Die Verteilung der Partikel war bemerkenswert: 38 Prozent fanden sich im Oberflächenschleim, 25 Prozent im Gewebe und 37 Prozent im Skelett. Als häufigste Kunststoffarten identifizierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Nylon, Polyacetylen und PET.

Kunststoffe in marinen Ökosystemen: Eine wachsende Bedrohung

Der zunehmende Gebrauch von Kunststoff hat der Menschheit zwar den Alltag erleichtert, hat jedoch verheerende Folgen für die Umwelt. Jährlich gelangen schätzungsweise 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere. Besonders dramatisch ist die Situation in Südostasien, wo rund ein Drittel des globalen Plastikmülls entsorgt wird. Ein erheblicher Teil davon findet seinen Weg ins Meer und zerfällt dort zu Mikroplastik. Um dieses Problem genauer zu untersuchen, wurde 2022 das „Center for Ocean Plastic Studies“ gegründet – eine Kooperation zwischen der Universität Kyushu und der Chulalongkorn-Universität in Thailand.

Das internationale Forschungsteam konzentrierte sich bei seiner Feldarbeit auf die Küste der Insel Si Chang im Golf von Thailand, ein Gebiet, das für seine kleinen Riffebenen bekannt ist und häufig für anthropologische Studien genutzt wird. Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Korallen wie „Plastiksenken“ im Meer fungieren könnten. Ähnlich wie Bäume Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft binden, nehmen Korallen offenbar Plastikmüll aus dem Ozean auf. Das könnte erklären, warum Plastik in den Ozeanen zu „verschwinden“ scheint. Ein Problem, das Meeresforscher seit langem beschäftigt.

Da Korallenskelette nach dem Absterben der Tiere intakt bleiben, könnten die eingelagerten Mikroplastikpartikel möglicherweise jahrhundertelang erhalten bleiben – vergleichbar mit in Bernstein eingeschlossenen Insekten.

Mikroplastik-Forschung: Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Die Ergebnisse dieser Studie werfen zahlreiche neue Fragen auf. Um ein umfassendes Bild der globalen Situation zu erhalten, sind weitere Untersuchungen an verschiedenen Korallenarten weltweit erforderlich. Zudem sind die gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Korallen und die gesamte Riffgemeinschaft noch weitgehend unbekannt. Es bedarf intensiver Forschung, um die Konsequenzen der Mikroplastik-Belastung für marine Ökosysteme genau einschätzen zu können.

Die Entdeckung von Mikroplastik in allen Teilen von Korallen verdeutlicht, wie dringend es ist, Lösungen für die globale Plastikverschmutzung zu finden. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse über die Verbreitung und Anhäufung von Mikroplastik in marinen Lebensräumen. Sie zeigt auf, wie komplex die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt sind und wie dringend weitere Forschung und Maßnahmen zum Schutz der Ozeane benötigt werden

Von Julia Klinkusch