Zum E-Paper
Geheimnisse der Papierindustrie 11.02.2025, 09:00 Uhr

Papiere: getrennt sammeln, effizient recyceln

Papierrecycler retten Bäume am laufenden Band. Doch es ist aufwendig, etwa aus bunten Werbeprospekten weiße Hygienepapiere herzustellen. Einfacher wird es, werden Papiere von Beginn an getrennt gesammelt.

Hier beginnt der Kreislauf der Papierhandtücher: Sie werden für den RightCycle-Service von Kimberley Clark als separate Müllfraktion in Toiletten und Büros gesammelt. Foto: Kimberly-Clark Professional

Hier beginnt der Kreislauf der Papierhandtücher: Sie werden für den RightCycle-Service von Kimberley Clark als separate Müllfraktion in Toiletten und Büros gesammelt.

Foto: Kimberly-Clark Professional

Mit der Aufbereitung des Rohstoffs Altpapier leisten Unternehmen also einen echten Beitrag zum Umweltschutz. Weil jede einzelne Papierfaser etwa acht- bis zehnmal wiederverwertet werden kann, kann jede Tonne recyceltes Altpapier durchschnittlich 21 Bäume vor der Abholzung bewahren 1).

Der Weg vom Altpapier zur Rohfaser für neue Papierprodukte birgt allerdings Herausforderungen und ist sehr energieintensiv. Zum einen unterliegt der Rohstoff hohen Preisschwankungen. Zum andern finden sich allerlei Müll und andere Störstoffe darin, die aufwendig herausgefiltert und ihrerseits entsorgt werden müssen. Zudem werden beispielsweise grafischen Papieren Füllstoffen zugesetzt, die den Fasergehalt reduzieren und in vielen Produktarten wie Hygienepapieren nicht vorkommen dürfen. Geraten überdies Kleb- und Farbstoffe etwa aus Werbeprospekten in die Aufbereitungsanlage, kann dies zu Problemen führen und die Qualität der Endprodukte beeinträchtigen. Was macht das Unternehmen Kimberly-Clark mit Hauptsitz in Dallas, USA, also mit Altpapier, um diese Hürden zu überwinden und daraus hochwertige Hygieneartikel wie Papierhandtücher und Toilettenpapier herzustellen?

Wie gelangen Bowlingkugeln, Perserteppiche und Ottomotoren beispielsweise ins Koblenzer Werk der Kimberly-Clark GmbH? Ganz einfach: über das Altpapier. Größere Gegenstände und Kuriositäten wie diese sind jedoch nicht die einzigen Störstoffe, die dort in energieintensiven Arbeitsschritten aus dem Rohstoff herausgetrennt und rechtmäßig entsorgt werden müssen, bevor aus den übrig gebliebenen und gereinigten Rohfasern neue Papierprodukte hergestellt werden können.

Die gebrauchten Papierhandtücher werden vor Ort in separaten Müllcontainern gesammelt.

Foto: Kimberly-Clark Professional

Auch die Art des Altpapiers macht es den Recyclingfachleuten oftmals nicht einfach. So werden etwa grafische Papiere beschichtet oder sind mit bis zu 30 % Füllstoffanteil versehen, damit sie besser bedruckbar sind. Diese können in Hygienepapieren, die Kimberly-Clark selbst beispielsweise in Koblenz herstellt, allerdings nicht genutzt werden und reduzieren den wiederverwertbaren Faseranteil drastisch.

Auch Klebstoffe lassen sich im Altpapier nur schwer entfernen und drohen, Maschinenteile zu blockieren, während ein zu hoher Anteil meist roter oder grüner Farbe in der Anlage Gefahr läuft, sich als sogenannter Einfärber festzusetzen und mehrere Stunden Produktion zunichte zu machen.

Hinzu kommen schließlich hohe Preisschwankungen des Rohstoffs selbst, die die Aufbereitung von Altpapier zeitweise unrentabel machen.

Schritt für Schritt zur reinen Papierfaser

Pro Stunde werden bei Kimberly-Clark in Koblenz etwa 10 t Altpapier aufbereitet. Hierzu wird das Rohmaterial zunächst in einem Hochkonsistenz-Pulper mit warmem Wasser bis zu einer Faserdichte von 12 bis 16 % aufgefüllt und anschließend in mehreren Schritten mithilfe von mechanischer Energie getrennt sowie sortiert. Angetrieben durch einen Rotor reiben die Fasern dabei aneinander, um nach und nach Schmutz sowie Druckerfarbe zu lösen.

Über zwei Lochplatten mit einem Durchmesser von 24 und 8 mm wird dann in einem ersten Schritt klassischer Restmüll aussortiert. Dies entspricht erfahrungsgemäß 3 bis 6 % der Masse. Darunter fallen größere Gegenstände und Plastikfolien, die einen erheblichen Anteil im Hausmüll ausmachen, aber auch Steine und Drähte, die häufig zum Fixieren der gepressten Altpapierballen verwendet werden und so in der Anlage landen. Sogenannter Schwerschmutz wie Sand und Büroklammern wiederum werden anschließend in einem Hochkonsistenz-Stichstoffreiniger mithilfe des Zyklonprinzips abgeschieden.

Im Koblenzer Werk der Kimberly-Clark GmbH werden pro Stunde etwa 10 t Altpapier aufbereitet.

Foto: Kimberly-Clark Professional

Anschließend wird das Fasergemisch durch weitere Siebe mit Lochgrößen zwischen 2,5 und 0,15 mm sowie einer weiteren Cleaner-Stufe mit mehreren, parallel geschalteten Zyklon-Reinigungsstufen auch von feinster Verschmutzung wie winzigen Sandteilen und Aschen befreit.

An diesem Punkt weisen die reinen Papierfasern keinerlei nennenswerte Verunreinigung mehr auf – bis auf die Farbe. Beim Herzstück der Papieraufbereitungsanlage handelt es sich daher um eine Entfärbungszelle. Dort wird sich das Flotationsprinzip zunutze gemacht, um die Fasern in insgesamt fünf Stufen mit Luft zu versetzen. Auf diese Weise werden Farbpartikel wie Druckerschwärze gelöst und schwimmen durch die Luftblasen oben auf. Mit einer Effizienz von rund 70 % lässt sich hier eine Weißgradsteigerung von etwa 10 % erreichen.

Anschließend werden restliche Farbpartikel sowie anorganische Restbestandteile, die von Füllstoffen in beispielsweise grafischem Papier übrig bleiben, aus den Fasern ausgewaschen und diese für den letzten Schritt vorbereitet: die Bleiche. Die Faserdichte beträgt an diesem Punkt nur mehr 7 bis 12 %. Um das Gemisch zur Keimabtötung energieeffizient erhitzen und mit reduktiven Bleichchemikalien, Kimberley-Clark setzt hierfür Natriumhydrosulfit (Na2S2O4) ein, behandeln zu können, wird ihm zunächst Wasser entzogen, was den Fasergehalt auf etwa 35 % erhöht. Nach der Wärmebehandlung lässt ein abschließender Dispergierer die letzten hartnäckigen Farbpartikel verschwinden – die Fasern sind nach ungefähr drei Stunden Behandlung bereit für die Weiterverarbeitung zum Hygienepapierprodukt.

Umweltschutz und Wertschöpfung: Hand in Hand

Aus herkömmlichem Altpapier kann die Koblenzer Aufbereitungsanlage von Kimberly-Clark Professional auf diese Weise bis zu 65 % der Fasern recyceln. Verloren gehen aufgrund der Aschen durch zugesetzte Füllprodukte und Reststoffe lediglich rund 30 %; bei den übrigen 5 % handelt es sich um Fasern, die den Zyklus bereits mehrfach durchlaufen haben und dadurch mit der Zeit zu kurz geworden sind.

Im Fall von Handtuchpapier, das Kimberly-Clark Professional im Rahmen des RightCycle-Service bei ihren Kunden separat sammelt und auf einer ähnlichen Anlage aufbereitet, beträgt die Recyclingeffizienz sogar 90 bis 95 %, da hier weder Plastikmüll noch Aschen abgeschieden werden müssen. Da jede Faser in Deutschland rund acht- bis zehnmal wiederverwertet werden kann, handelt es sich dabei um eine echte Wertschöpfung – und zugleich einen Beitrag zum Umweltschutz. Immerhin verhindern die Altpapieraufbereitungsanlagen die Abholzung ganzer Wälder: Jede Tonne recyceltes Altpapier rettet durchschnittlich 21 Bäume. Und in Koblenz? Dort bereitet Kimberly-Clark täglich rund 220 t Altpapier auf, schützt also jeden Tag mehr als 4 500 Bäume.

1) Die Schätzungen der Auswirkungen von Bäumen wurden mit dem Environmental Paper Network Paper Calculator Version 4.0 vorgenommen. Weitere Informationen: www.papercalculator.org

Von Chris Scherwa

Chris Scherwa ist Teamleiter EHS & Engineering bei Kimberly-Clark Professional

Top 5