Recycling: Vom Kunststoffabfall zum stabilen Bauteil für Geschirrspüler
In hochwertigen Neuprodukten waren Kunststoff-Rezyklate bislang kaum zu finden. Das könnte sich bald ändern: Fraunhofer-Ingenieure zeigen, wie aus Plastikmüll hochwertige Bauteile für Geschirrspüler entstehen.
Viele Produkte bestehen komplett oder teilweise aus Kunststoffen. Früher oder später werden sie zu Abfall, der bestmöglich verwertet werden sollte. Laut Umweltbundesamt fielen im Jahr 2019 rund 6,28 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Davon wurden 99,4% auf unterschiedliche Art und Weise verwertet. 2,93 Millionen Tonnen (46,6%) konnten werk- und rohstofflich genutzt werden. Weitere 3,31 Millionen Tonnen (52,8%) landeten in der Energiegewinnung.
Ziel in Zeiten der Energiewende ist, Recycling-Quoten zu erhöhen – und aus Rezyklaten hochwertige Produkte herzustellen. Bislang entstehen eher minderwertige Gegenstände; man spricht vom „Down-Cycling“. „Es fehlt nach wie vor an Vertrauen in das rezyklierte Material“, sagt Dominik Spancken. Er arbeitet am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen konnte Spancken jetzt zeigen, dass wirtschaftlich aufbereitete Rezyklate Neukunststoffen in ihren Eigenschaften recht nahekommen.
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Recycling von Kunststoffen aus Autobatterien
Industriepartner des Fraunhofer LBF waren die Bosch GmbH und Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH. Sie haben für das Projekt Kunststoffabfälle aus alten Auto-Starterbatterien gesammelt und für die weitere Verwendung optimiert. Zusatzstoffe sollten die mechanischen Eigenschaften und das Aussehen von Rezyklaten verbessern. Dieses Produkt haben Fraunhofer-Ingenieurinnen und Ingenieure dann eingesetzt, um Spülmaschinenträger herzustellen. Solche Bauteile müssen beim Praxiseinsatz viel leisten. Sie bilden das Grundgerüst für Geräte und tragen beispielsweise die Pumpe, den Salzbehälter und die Sensoren. Außerdem werden die Seitenwände von Geschirrspülern am Träger befestigt.
Bislang hat die Produktion von Spülmaschinenträgern große Ressourcen verschlungen. Durch den Einsatz von Rezyklaten könnte man bundesweit bei der Produktion von drei Millionen Spülmaschinen pro Jahr rund 2.500 Tonnen Rohöl einsparen.
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Tests im Labor zeigen Stabilität der Träger
Aus dem Rezyklat haben Fraunhofer-Forschende Spülmaschinenträger hergestellt und detailliert untersucht. An den Bauteilen wurde mit definierter Kraft 100.000-mal gezogen, was Vorgaben vom Fraunhofer LBF, von Bosch und von Bosch-Siemens-Hausgeräte entspricht. Die Zahl gilt als typischer Parameter für Haushaltsgroßgeräte. Speziell bei Geschirrspülern ist – unabhängig vom Kunststoff – ein Zapfen am Basisträger die Achillesferse. Er wird bei jedem Öffnen und Schließen mechanisch belastet. Bei einer veranschlagten Lebensdauer von 18 Jahren und bei 15 Öffnungen pro Tag, um Geschirr aus- oder einzuräumen, ergeben sich insgesamt 100.000 Türöffnungen für die gesamte Lebensdauer.
Die Untersuchungen jedenfalls waren erfolgreich. „Zwar weist das Rezyklat eine um 15% geringere Festigkeit auf, hat aber ähnliche Steifigkeitseigenschaften wie der Neuwarenkunststoff“, berichtet Spancken. Weitaus wichtiger sei jedoch die plastische Verformbarkeit, die bei Neukunststoffen und Rezyklaten ähnlich sei. Das Fazit des Wissenschaftlers: „Das Rezyklat kann die gleichen Beanspruchungen abbilden wie Neumaterial.“
Um die Ergebnisse zu validieren, folgte ein weiteres Experiment. Der Zapfen aus Basisträgern wurde separat auf Herz und Nieren geprüft. Neben der mechanischen Belastung selbst erwärmten die Forschenden den Zapfen auf 50 Grad, um Effekte im Geräteinneren möglichst genau abzubilden. Auch hier waren die Ergebnisse vielversprechend. Zapfen aus Neukunststoff und aus dem Rezyklat unterschieden sich nur marginal voneinander. „Aus der Machbarkeitsstudie lässt sich schlussfolgern, dass der Spülmaschinen-Basisträger aus Recyclat ausgeführt werden und somit einen wichtigen Beitrag zu einem nachhaltigen Gesamtgerät liefern kann“, resümiert Spancken.
Recycling: Eine erfolgreiche Strategie wird weiter ausgebaut
Alle Experimente sind Teil der übergeordneten Strategie: Kunststoffabfälle sollen mehr denn je recycelt – und eben nicht thermisch verwertet – werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind teils maßgeschneiderte Verfahren erforderlich.
Vor wenigen Monaten etwa zeigten Ingenieurinnen und Ingenieure am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, wie sich Teppichabfälle zu neuem Leben erwecken lassen. EU-weit fallen pro Jahr rund 1,6 Millionen Tonnen Müll mit Teppichresten oder Altteppichen an. Mit einem neu entwickelten Lösungsmittelgemisch konnte reines Polypropylen aus den Resten extrahiert werden. Farbstoffe und sonstige Hilfsstoffe bleiben in der Flüssigkeit. Forschende haben auch hier das Ziel erreicht, Rezyklate herzustellen, die sich für hochwertige Produkte eignen – und eben nicht nur für ein „Down-Cycling“. Ihr Verfahren kann perspektivisch für das Recycling aller Polypropylen-haltigen Kunststofffraktionen eingesetzt werden.
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