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Recycling 30.12.2024, 07:00 Uhr

Studie untersucht Wege von Textilabfällen in Städten weltweit

Eine internationale Studie hat den Umgang mit Textilabfällen in neun wohlhabenden Städten auf drei Kontinenten unter die Lupe genommen. Die Forschenden zeigen Herausforderungen und Lösungsansätze auf, um die steigenden Abfallmengen durch Fast Fashion einzudämmen. Für Berlin ergeben sich daraus Chancen, eine Vorreiterrolle bei der nachhaltigen Textilwirtschaft einzunehmen.

Ein Haufen Altkleider

Ab 1. Januar 2025 gibt es eine verpflichtende Trennung von Textilabfällen.

Foto: PantherMedia / DanielDoorakkers

Der rasante Anstieg von Textilabfällen in den vergangenen Jahren stellt Städte weltweit vor große Herausforderungen. Ein internationales Forschungsteam hat nun den Wegen dieser Abfälle in neun wohlhabenden Städten auf drei Kontinenten nachgespürt. Die Ergebnisse der Studie, die kürzlich in Nature Cities veröffentlicht wurde, beleuchten den Umgang der entsprechenden Städte mit Alttextilien und schlagen Maßnahmen vor, um die Abfallmengen zu reduzieren und Recyclingkreisläufe zu fördern. Als eine der analysierten Städte könnte Berlin eine Vorreiterrolle bei der Bewältigung dieses Problems übernehmen – vorausgesetzt, es werden die richtigen Strategien angewandt. Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse und Empfehlungen, die nicht nur für Berlin, sondern auch für andere Städte weltweit von Bedeutung sein können.

Der globale Trend zur Fast Fashion hat in den vergangenen Jahren zu einem massiven Anstieg von Textilabfällen geführt. Billige, kurzlebige Kleidung sorgt für immer höhere Konsum- und Entsorgungsraten: Seit dem Jahr 2000 hat sich der weltweite Textilabfall auf 92 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt, wovon nur ein verschwindend geringer Anteil von 0,5 Prozent recycelt wird. In Europa und Australien landen die meisten Alttextilien als Exporte in afrikanischen und asiatischen Ländern, deren Entsorgungskapazitäten häufig unzureichend sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie warnen eindringlich vor den sozialen und ökologischen Konsequenzen, die sich insbesondere für ärmere Länder daraus ergeben – ein Phänomen, das auch unter dem Begriff „Abfallkolonialismus“ bekannt ist.

Textilabfälle: Ein wachsendes Problem mit wenig Forschung

Textilabfälle stellen eine neue Herausforderung dar, die bislang nur unzureichend von der Forschung beleuchtet wurde. Samira Iran von der TU Berlin, eine der beteiligten Forschenden, erläutert im ausführlichen Interview zur Studie: „Früher wurde Kleidung bis zur völligen Unbrauchbarkeit getragen oder biologisch abgebaut. Heute sind synthetische Fasern und chemische Beschichtungen weit verbreitet, was das Volumen an nicht biologisch abbaubaren Textilien steigen lässt.“ Die bisherige Forschung konzentrierte sich hauptsächlich auf industrielle Textilabfälle, während private Altkleider kaum Beachtung fanden. Die aktuelle Studie leistet somit einen Beitrag, um diese Forschungslücke zu schließen und die Problematik der wachsenden Berge von Textilabfällen zu beleuchten.

Die Untersuchung offenbart, dass in den meisten Städten Wohltätigkeitsorganisationen und private Wiederverkäufer für die Sammlung und Sortierung von Alttextilien verantwortlich sind. Die Stadtverwaltungen nehmen dabei oft eine passive Rolle ein, indem sie lediglich Flächen oder Lizenzen zur Verfügung stellen. Eine Ausnahme bildet Amsterdam, wo die Textilabfälle direkt von einem städtischen Unternehmen verwaltet werden – ein Modell, das den Forschenden zufolge mehr Transparenz und Kontrolle ermöglicht. Allerdings sind die Wiederverwendungsquoten der gesammelten Textilien in allen untersuchten Städten gering: Luxemburg erreicht nur 3 bis 4 Prozent, Genf etwa 5 Prozent und Oslo sogar nur 0,03 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf, um die Wiederverwertung von Alttextilien zu steigern.

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Berlin als Vorreiter für eine nachhaltige Textilwirtschaft

Berlin, wo bereits eine breite Sammlung durch gemeinnützige und private Organisationen besteht, bietet gute Voraussetzungen, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Textilien zu fördern. Das Forscherteam empfiehlt der Stadt, ein flächendeckendes System zur getrennten Erfassung von Textilabfällen aufzubauen. Damit könnten die neuen EU-Vorgaben erfüllt werden, die ab dem 1. Januar 2025 eine verpflichtende Trennung von Textilabfällen vorsehen. Auch eine stärkere Einbindung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) in die Textilsammlung wird von der Studie vorgeschlagen. Durch die Umsetzung dieser Maßnahmen könnte Berlin eine Vorreiterrolle bei der Bewältigung der Herausforderungen durch Textilabfälle einnehmen und als Vorbild für andere Städte dienen.

Um den Herausforderungen des wachsenden Textilabfalls zu begegnen, schlägt die Studie ein dreiteiliges Konzept vor. Erstens sollte der Textilkonsum reduziert werden, indem Modewerbung im öffentlichen Raum beschränkt, Slow-Fashion-Initiativen gefördert und Freizeitshopping durch attraktivere öffentliche Plätze und Parks ersetzt wird. Zweitens gilt es, die lokale Wiederverwendung zu stärken, indem die Stadtverwaltung etwa Secondhand-Läden und Repair-Cafés unterstützt und Bildungsprogramme zum Erlernen von Näh- und Reparaturtechniken anbietet. Drittens sollten die Entsorgung und der Export von Textilabfällen vermieden werden, indem die Stadt in lokale Sortier- und Recyclinganlagen investiert, um langfristig den Textilkreislauf zu schließen. Durch die Umsetzung dieser Vorschläge könnte Berlin einen wichtigen Beitrag dabei leisten, Textilabfällen zu reduzieren.

Internationale Studie liefert Handlungsempfehlungen für Textilabfälle

Die Untersuchung umfasst Daten zu den Textilabfällen und -strategien in neun Städten: Amsterdam, Austin, Berlin, Genf, Luxemburg, Manchester, Melbourne, Oslo und Toronto. Für Berlin hat eine Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz als Interviewte an der Studie mitgewirkt. Durch die Kombination von Interviews und der Analyse der Textilwirtschaft in verschiedenen Städten ist es den Forschenden gelungen, erstmals detaillierte Handlungsempfehlungen für städtische Verwaltungen zu erarbeiten. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, Textilabfälle ressourceneffizient zu reduzieren und zu recyceln. Die Studie leistet somit einen Beitrag, um Städte weltweit bei der Bewältigung der wachsenden Textilberge zu unterstützen.

Von Julia Klinkusch