Teufelskreislauf: Klimawandel beeinflusst natürliche CO2-Senken
Berechnungen für größere Kohlenstoffdioxid-Mengen, die in tiefen Böden gebunden bleiben, kommen womöglich zum falschen Ergebnis. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass der Klimawandel das Risiko dafür erhöht, dass diese Bindungen aufbrechen. Das wirft ein ganz neues Licht auf natürliche CO2-Senken.
Aktuell werden etwa 25 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen durch Wälder und Weideland gebunden. Dem liegt ein natürlicher Prozess zugrunde: Während der Fotosynthese speichern Pflanzen Kohlenstoff in ihren Zellwänden und im Boden. Wie bedeutend dieser Effekt auf lange Sicht ist, zeigen die Zahlen. Denn in den Böden steckt nach Schätzungen von Forschenden aktuell ungefähr doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre. Dabei befindet sich etwa die Hälfte des Bodenkohlenstoffs in Schichten, die tiefer als 20 Zentimeter liegen. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist das ohnehin ein großes Thema. Denn durch die fortschreitende Entwaldung und der Bodenbewirtschaftung durch die Landwirtschaft werden erhebliche Mengen an Emissionen freigesetzt – laut dem Weltklimarat der Vereinten Nationen dürften sie etwa ein Fünftel der weltweiten Treibhausgase ausmachen.
Jetzt kommt eine neue Erkenntnis hinzu. Schon lange vermuten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass eine Erwärmung des Bodens dazu führen könnte, dass verstärkt CO2 freigesetzt wird. Eine aktuelle Studie unter der Leitung von Forschenden des Lawrence Berkeley National Laboratory (Berkeley Lab) und der Universität Zürich hat genau das bestätigt: Die organischen Verbindungen, die vermutlich für die Kohlenstoffbindung in tiefen Böden benötigt werden, sind bei einer globalen Erwärmung sehr anfällig für Zersetzung.
Ein Vulkan könnte die Lösung für die CO2-Speicherung sein
Klimawandel fördert Rückgang organischer Kohlenstoffverbindungen
Das Konzept der natürlichen Kohlenstoffsenken als ein wichtiger Baustein im Kohlenstoffmanagement gerät somit ins Wanken. „Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel alle Aspekte des Kohlenstoff- und Nährstoffkreislaufs im Boden beeinflussen wird. Sie zeigt auch, dass es im Hinblick auf die Kohlenstoffbindung kein Patentrezept gibt“, sagt Margaret Torn, leitende Wissenschaftlerin in der Earth & Environmental Sciences Area des Berkeley Lab. „Wenn wir wollen, dass der Boden die Kohlenstoffbindung in einer sich erwärmenden Welt aufrechterhält, brauchen wir bessere Bodenbewirtschaftungspraktiken, was bedeuten kann, dass die Böden bei der Waldbewirtschaftung und in der Landwirtschaft nur minimal gestört werden.“
Schon vor zwei Jahren hatte ihr Team nachgewiesen, dass wärmere Temperaturen zu einem erheblichen Rückgang der Kohlenstoffvorräte führen, die in tieferen Schichten des Waldbodens gespeichert sind – der Verlust betrug etwa 33 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Jetzt ist klar geworden, dass wärmere Temperaturen zu einem deutlichen Rückgang der organischen Kohlenstoffverbindungen im Boden führen, die von Pflanzen während der Fotosynthese gebildet werden.
Erde speichert mehr Wärme als bisher gedacht
Erderwärmung zeigt bereits nach 4,5 Jahren erhebliche Effekte
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen starteten ein Experiment an der Blodgett Forest Research Station der University of California in den Ausläufern der kalifornischen Sierra Nevada. Dort steckten sie vertikale Heizstäbe in die Erde, um den Boden in einer Tiefe von einem Meter kontinuierlich um vier Grad Celsius zu erwärmen. Diese Werte entsprechen dem Temperaturanstieg, den Fachleute bis zum Ende des 21. Jahrhunderts prognostizieren, falls die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht begrenzt wird.
Dabei stellen die Forschenden fest, dass bereits 4,5 Jahre Erwärmung bei dieser Temperatur zu großen Veränderungen der Kohlenstoffvorräte in einer Tiefe von mehr als 30 unter der Bodenoberfläche führt.
Cyrill Zosso von der Universität Zürich nahm spektroskopische Experimente vor und konnte auf diese Weise die organischen Verbindungen identifizieren, die von der Erwärmung betroffen waren. Die Ergebnisse waren schockierend: Zosso stellte einen 17-prozentigen Verlust an Lignin fest – Lignin verleiht den Pflanzen Steifigkeit. Außerdem gingen Cutin und Suberin um fast 30 Prozent zurück. Dabei handelt es sich um wachsartige Verbindungen in Blättern, Stängeln und Wurzeln, die Pflanzen vor Krankheitserregern schützen.
Weitere Forschungen zum Klimawandel geplant
Torn und Zosso waren auch überrascht, als sie einen signifikanten Unterschied in der Menge an pyrogenem Kohlenstoff in den künstlich erhitzten und in den normalen Bodenproben feststellten. Pyrogener Kohlenstoff ist eine Art von organischem Bodenkohlenstoff, der aus verkohlter Vegetation und anderen organischen Stoffresten stammt, die nach einem Waldbrand zurückbleiben.
Viele Forschende nehmen an, dass pyrogener Kohlenstoff das größte Potenzial hat, als eine sehr stabile Form von gebundenem Kohlenstoff zu dienen. „Pyrogener Kohlenstoff kann jahrzehntelang oder sogar jahrhundertelang im Boden verbleiben, aber wir müssen verstehen, wie empfindlich er auf die Erwärmung oder auf Veränderungen in der Landbewirtschaftung reagiert“, sagt Torn. „Unsere Studie zeigt, dass sich dieses Material genauso schnell zersetzt wie alles andere, wenn der Boden erwärmt wird. Das zeigt, dass diese natürlichen Systeme das Material im Laufe der Zeit zersetzen, wenn man es tief in den Boden einbringt, wo es mit Mineralien und Mikroben in Kontakt kommt.“
Die Forschenden wollen ihre Experimente nun auf längere Zeiträume und andere Regionen ausweiten, um mehr Erkenntnisse zu sammeln.
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