Unkraut entfernen ohne Chemie – das leisten Roboter
Die Weltbevölkerung wächst, und innovative Strategien sind gefragt, um Lebensmittel effizienter herzustellen. Fraunhofer-Wissenschaftler zeigen, wie ein autonomes Fahrzeug Unkraut effektiv vernichtet.
Auf die Landwirtschaft kommen weltweit große Herausforderungen zu. Schon heute leben 7,89 Milliarden Menschen auf unserem Planeten, schätzen die Vereinten Nationen in einem Bericht. Verschiedenen Simulationen zufolge könnten es bis zum Jahr 2100 zirka 10, 87 Milliarden Bewohnerinnen und Bewohner werden. Damit steigt zwangsläufig der Bedarf an Lebensmitteln. Neue Flächen lassen sich kaum erschließen. Der Druck auf mittel- und südamerikanische Länder, Brandrodungen zu stoppen, wächst. Neue Areale zur Erschließung gibt es kaum. Im Sinne einer nachhaltigen Strategie sollten bestehenden Flächen optimal und nachhaltig genutzt werden – mit einem möglichst geringen Einsatz an Agrochemikalien.
Unkräuter gelten als besonders problematisch, weil sie mit Nutzpflanzen um Licht, Nährstoffe, Salze und um Wasser konkurrieren. „Das Entfernen von Unkraut ist ein sehr aktuelles und durchaus komplexes Thema“, erklärt Kevin Bregler vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Man könne es ausreißen, abschneiden, hacken, abflammen oder mit Herbiziden behandeln. „Doch gerade in der ökologischen Landwirtschaft und in Baumschulen oder Obstplantagen sind Herbizide heute nicht mehr erwünscht“, gibt der Experte zu bedenken.
Deshalb haben Ingenieurinnen und Ingenieure des Fraunhofer IPA zusammen mit Partnern aus der Industrie eine Alternative entwickelt. Ihr Robotersystem AMU-Bot, ein autonomes Fahrzeug, bewegt sich von selbst durch ein Versuchsfeld, im Experiment durch eine Baumschule. Es erkennt und entfernt die störende Vegetation mechanisch, also ganz ohne Chemie.
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Unkraut-Roboter nutzt LiDAR-Scanner zur Navigation
Herzstück der autonomen mechanischen Unkrautbekämpfung (AMU) sind LiDAR-Scanner. Die Abkürzung steht für „Light Detection and Ranging“, ein bekanntes Prinzip zur Abstandsmessung. Statt der Radiowellen wie beim Radar werden Laserstrahlen eingesetzt. Das geht so: Autonome Fahrzeuge senden, während sie sich fortbewegen, Laserpulse aus. Diese werden von Objekten, etwa Hindernissen oder Pflanzen, reflektiert. Aus den unterschiedlichen Laufzeiten lassen sich Abstände errechnen – beim System als dreidimensionale Karte mit Punkten. Diese virtuelle Umgebung nutzt das Fahrzeug zur Navigation.
„Der Roboter AMU-Bot ist noch nicht in der Lage, sämtliche Pflanzen zu klassifizieren, sondern erkennt Nutzpflanzen wie Bäume und Büsche in den Reihen der Baumschulkulturen“, so Bregler. Außerdem lassen sich Abstände zwischen Nutzpflanzen erfassen. Was im Zwischenraum wächst, wird per Definition als Unkraut eingestuft. Anhand der Daten steuert der Roboter eine Kreiselegge. Das Gerät ist bekannt von der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitung. Es entfernt Unkraut, lockert aber auch den Boden auf. Das ist selbst in engeren Zwischenräumen möglich. Auch Unebenheiten im Boden stören das Fahrzeug nicht. Abgestorbene Pflanzen verdorren, werden abgebaut und stellen Nutzpflanzen organische Nährstoffe zur Verfügung. Auch dieser Teilschritt läuft nachhaltig ab.
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Kooperation aus Forschung und Industrie
Zum Hintergrund: Ziel der Fraunhofer-Ingenieurinnen und -Ingenieure war, ein System zu entwickeln, das gleichermaßen leicht zu bedienen, robust, effizient und wirtschaftlich ist. Sie haben sich deshalb entschieden, technisch bereits gut ausgereifte Komponenten zu verwenden: ein Raupenfahrzeug, ein Navigationssystem und einen Manipulator.
Das Projekt wurde aufgrund der Zusammenarbeit mehrerer Partner zum Erfolg. Bosch hat die Sensoren und die Navigation beigesteuert. Der Raupenantrieb des AMU-Bots wurde von KommTek entwickelt. Und das Fraunhofer IPA hat den höhenverstellbaren Manipulator mit den Kreiseleggen konzipiert.
Roboter in der Landwirtschaft – nicht nur bei der Unkrautvernichtung
Das aktuelle Projekt ist Teil von Cognitive Agriculture (COGNAC), einem wissenschaftlichen Verbund. Acht Fraunhofer-Institute arbeiten gemeinsam an neuen, digitalen Lösungen für die Landwirtschaft. Ziel der Forschenden ist, landwirtschaftliche Prozesse nachhaltig und ressourcenschonend abzubilden. Sie setzen auf Sensoren zur Datenerfassung, auf künstliche Intelligenz und auf Automatisierung.
Daten bilden die Grundlage der modernen Agrartechnik. Sie werden in landwirtschaftlich genutzten Ökosystemen erfasst, sowohl vom Boden als auch von der Luft aus, und über sichere Datenräume ausgetauscht. Nach der Auswertung treffen Systeme entsprechende Entscheidungen. Die Umsetzung selbst läuft wie im Modellprojekt dann über eine autonome Roboter im Feld.
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