Wertvolle Rohstoffe aus Altreifen
Die Pyrolyse wurde bereits vor tausenden von Jahren zur Verschwelung von harzhaltigem Holz zu Teer und Pech genutzt. Der langsame Prozess läuft bei hohen Temperaturen ohne zusätzlichen Sauerstoff ab. Auch die Pyrolyse von Altreifen in Drehrohröfen ist ein vielfach erprobtes Verfahren – aber mit hohem Energiebedarf. Das energiesparende Pyrum-Thermolyse-Verfahren zur vollständigen Verwertung von Altreifengranulat zeichnet sich durch eine hohe Ausbeute an Öl, Koks und Gas aus. Die Vega Grieshaber KG, Schiltach, liefert die Messtechnik für den Prozessablauf.
Aktuell fallen in Europa rund 3,4 Mio. t Altreifen pro Jahr als überwachungsbedürftiger Abfall an. 40 % davon werden runderneuert und wieder eingesetzt oder zu Granulat verarbeitet und als Tragschicht im Straßenbau oder als elastische Schicht im Kunstrasen eingesetzt. Weitere 35 % kommen als Sekundär-Brennstoff in Zementwerken zum Einsatz und verursachen dabei einen hohen CO2-Ausstoß. Die verbleibenden 25 % werden in der Natur (Landbefüllung) gelagert oder als Müll in die dritte Welt exportiert. Gründe genug, Altreifen als Rohstoff zu begreifen und Lösungen zu finden, um die Inhaltsstoffe zurückzugewinnen.
Das Pyrum-Thermolyse-Verfahren
Eine Möglichkeit der Rückgewinnung ist das energiesparende Pyrum-Thermolyse-Verfahren, das sich durch eine Ausbeute von 38 % Koks, 50 % Öl und 12 % Gas auszeichnet. Zudem ist diese Technologie ohne Sauerstoff frei von CO2. Der gewonnene Koks ist ölfrei und enthält keine Gummireste. Durch seinen Kohlenstoffgehalt von 90 % ist er eine gute Basis für Aktivkohle. Hauptprodukt ist jedoch das qualitativ hochwertige Rohöl, das aus den Pyrolysedämpfen in zwei Destillationsschritten gewonnen wird. Im Unterschied zu bisherigen Pyrolyseverfahren mit zähem Öl kann aus dem hier gewonnenen Öl durch Cracken Diesel, Benzin und Naphtha hergestellt werden. Das produzierte Gas dient zur Energiegewinnung über ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das die Anlage mit elektrischer Energie versorgt. Die seit 2015 in Dillingen / Saarland betriebene Pilotanlage kann bis zu 5 000 t/a Reifengranulat verarbeiten. Sie ist im industriellen Maßstab aufgebaut und modular für größere Kapazitäten erweiterbar.
Für einen sicheren, kontinuierlichen Betrieb sind umfangreiche Messdaten, unter anderem auch von Füllstand- und Drucksensoren, und eine intelligente Automatisierung erforderlich.
Befüllung
Das angelieferte Altreifengranulat gelangt zunächst in den Beschicker der Materialannahme. Ein Ultraschallsensor vom Typ Vegason 63 misst den Füllstand und sichert so den Materialnachschub. Das berührungslose Messverfahren ermöglicht einen verschleißfreien Betrieb ohne Serviceaufwand. Das Granulat wird danach über ein Becherwerk in das etwa 6 m hohe Zwischenlagersilo in 26 m Höhe transportiert. Dieses Silo beinhaltet den Vorrat für einen kontinuierlichen Betrieb. Hier misst ein Schüttgut- Radarsensor Vegaplus 69 den Füllstand. Das Gerät mit seiner hohen Sendefrequenz von 80 GHz und der besonderen Fokussierung des Radarsignales ermöglicht eine genaue Messung bis in den Konus des Silos hinein. Damit kann das gesamte Silovolumen genutzt werden.
Thermolysereaktor
Der Übergang vom Silo in den eigentlichen Thermolysereaktor erfolgt über eine Zellenradschleuse. Diese verhindert, dass Sauerstoff in den Prozess gelangt. Dort wird innerhalb von 90 min bei Temperaturen zwischen 450 und 700 °C das Altreifengranulat gezielt aufgelöst. Es durchwandert den senkrecht stehenden Reaktor per Schwerkraft von oben nach unten und wird dabei in Koks umgewandelt. Die Wärme wird über elektrische Heizelemente zugeführt, die durch das eigene BHKW versorgt werden.
Kondensation des Pyrolysedampfs
Der dabei frei werdende heiße Pyrolysedampf wird abgezogen und in zwei Stufen zu Pyrolyseöl kondensiert. Der Füllstand des noch 200 °C heißen Öls im Kondensationsbehälter wird mit einem Vegaflex 86 gemessen, einem Sensor mit geführtem Radar in Hochtemperaturausführung. Für die Druckmessung wird ein Vegabar 81 eingesetzt. Dieser Druckmessumformer ist mit einem Kühlelement und Druckmittlersystem für hohe Medientemperaturen ausgelegt. Um eine Überfüllung zu vermeiden, wird der maximale Füllstand mit einem Vibrationsgrenzschalter Vegaswing 81 mit Verlängerungsrohr überwacht. Das Öl wird über Wärmeaustauscher geführt, dort abgekühlt und anschließend in den Kokskühler zur Reduzierung der Temperatur gepumpt.
Verwertung von Öl und Gas
Eine weitere Ölleitung führt direkt in die Auslieferung. Hier können in zwei unterirdischen Öltanks bis zu 40 000 l gelagert werden. Der Füllstand wird über Sensoren mit dem geführten Radar Vegaplus 81 in Koaxialausführung gemessen. Vibrationsgrenzschalter vom Typ Vegaswing 63 mit Auswertgeräten des Modells Vegator 636 dienen als erforderliche Überfüllsicherung nach dem Wasserhaushaltsgesetz. Der Druck in diesen Lagertanks wird durch Druckmessumformer Vegabar 83 überwacht. Diese Messungen liefern die erforderlichen Daten zur Logistiksteuerung.
Das entstandene Pyrolysegas wird in Separatoren vom Restöl getrennt, über einen Verdichter geleitetet und anschließend unter Druck in einem Gastank gelagert. Aus diesem Tank wird das BHKW gespeist, das die Thermolyseanlage mit 500 kW elektrischer Energie versorgt. Die Anlage ist somit energieautark, nur zum Anfahren ist eine kurzzeitige Fremdversorgung erforderlich. Für den Betrieb der Thermolyse sind weitere Systeme wie Wärmeaustauscher, Öl- und Wasserkühler, Ölfilter, Pumpen sowie Wasser- und Luftdruck erforderlich, für die ebenfalls Messsysteme von Vega im Einsatz sind.
Christian Langensiepen, Vega Grieshaber KG, Schiltach c.langensiepen@vega.com