Biomassepotenziale im Rheinischen Revier
Das Rheinische Revier soll im Zuge des Kohleausstiegs zu einer „Modellregion Bioökonomie“ entwickelt werden. Der dadurch steigende Bedarf an Biomasse kann jedoch insbesondere aus Umweltsicht kritisch zu bewerten sein. Aus diesem Grund hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima Nordrhein-Westfalen (Lanuk), am 1. April 2025 hervorgegangen aus dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv), genauer hingeschaut.

Typisch für das Rheinische Revier: Anbau und Ernte von Zuckerrüben.
Foto: PantherMedia/symbiot
In dem Projekt „Biomassepotenziale Rheinisches Revier“ wurden von März 2023 bis Ende Februar 2025 Grundlagen und Instrumente geschaffen, um zu einer nachhaltigen Nutzung von Biomasse aus der Land- und Ernährungswirtschaft in der Region Rheinland beizutragen. Zu dieser Region zählen die Landkreise Düren, Euskirchen und Heinsberg sowie der Rhein-Erft-Kreis und der Rhein-Kreis Neuss als auch die Städteregion Aachen und die Stadt Mönchengladbach. Das Lanuk hat das Projekt im Auftrag des Umweltministeriums NRW mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie des Landes NRW in Höhe von insgesamt rund 250 000 € durchgeführt.
Für den Projekterfolg waren regelmäßige Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Naturschutz, Industrie und Verwaltung wichtig. In dem breiten Beteiligungsprozess wurden unterschiedliche Positionen deutlich und Fachwissen zusammengetragen.
Lohnende Verfahren gesucht
Im Rahmen eines dieser Workshops wurden beispielsweise Kriterien erarbeitet, um die Relevanz biobasierter Technologien für das Rheinische Revier zu bewerten. Demnach sind Technologien dann besonders relevant, wenn sie an bestehende Industrien und Forschungseinrichtungen andocken, mit ihnen hochpreisige Produkte hergestellt werden können und deren Biomassebedarf gedeckt werden kann. Insgesamt wurden 13 Verfahren wie die Herstellung von Kunststoffen oder Zellstofffasern geprüft und deren Nachhaltigkeit anhand der Kriterien Umsetzungseffizienz und Energieeinsatz bewertet.
Legt man diese Kriterien zur Bewertung der Relevanz und Nachhaltigkeit zugrunde, schneiden Verfahren für die Herstellung von Papier- und Chemiezellstoff sowie der Oleochemie, also Verfahren bei denen Pflanzenöle und auch tierische Fette über chemische Reaktionen verändert und genutzt werden, am besten ab. Aber auch Enzymtechnologien sowie chemisch-katalytische Verfahren für die Herstellung von sogenanntem Bionaphtha, das wie Naphtha aus Rohöl als Raffinerierohstoff genutzt werden kann, wurden positiv bewertet.
Ein Ergebnis ist auch, dass aufgrund der hohen Boden- und Pachtpreise in der Region eine Technologie vor allem dann als besonders relevant gelten kann, wenn mit ihr hochpreisige Produkte hergestellt werden können. Es ist aber auch denkbar, dass niedrigpreisige Anwendungen im Rheinischen Revier biobasiert produziert werden können, wenn beispielsweise langfristige Abnahmegarantien auch für Ernten mit geringer Qualität wie Weizen mit niedrigem Proteingehalt gegeben sind oder die Gesamtnutzung des Rohstoffs beispielsweise durch Koppelnutzungen stark optimiert wird

Im Rheinischen Revier werden etwa zwei Drittel des Getreides als Futtermittel verwendet.
Foto: PantherMedia/HelmaSpona
Der Ist-Zustand
Zurzeit werden jährlich rund 1,76 Mio. t Biomasse (angegeben in Trockenmasse) im Rheinischen Revier geerntet. Davon werden derzeit 47 % als Futtermittel und 38 % für die menschliche Ernährung verwendet. Etwas mehr als 2,2 % werden bisher stofflich genutzt.
Einige Einzelheiten: Von der Getreideernte werden fast zwei Drittel als Futtermittel verwendet. Stofflich werden insbesondere Kartoffeln (15,8 % der Erntemenge) genutzt – beispielsweise als Rohstoff für Kartoffelstärke für die Papierindustrie. An der Gesamtmenge der produzierten Lebensmittel von gut 670 000 t Trockenmasse haben Zuckerrüben mit fast 69 % den größten Anteil.

Die Stärke aus den Kartoffeln im Rheinischen Revier wird beispielsweise in der Papierindustrie eingesetzt.
Foto: PantherMedia/Martin Schlecht
Blick nach vorn
Um das Biomasseangebot in den Jahren 2035 und 2045 abzuschätzen, hat das Projektteam mit „Capri“, dem agrarökonomischen Modell „Common Agricultural Policy Regionalised Impact Modelling System“ der EU, genutzt und vier Szenarien entwickelt:
- Im Szenario „Business as usual“ (BAU) wurden die Entwicklungen der letzten Jahre etwa bei Ertragssteigerungen oder Verlust an landwirtschaftlichen Flächen fortgesetzt;
- im Szenario „Umwelt“ wurden die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie der EU aus dem Jahr 2020 wie ein geringerer Pestizid- und Düngereinsatz und mehr Fläche für den Ökolandbau umgesetzt;
- im Szenario „Technologie“ wurden Ertragssteigerungen durch Züchtungserfolge und eine effizientere Biomassenutzung angenommen;
- im Szenario „Kombi“ wurden die Szenarien „Umwelt“ und „Technologie“ kombiniert.
Die Annahmen in dem Szenario „Umwelt“ führen im Vergleich zum Szenario „BAU“ zu einem Rückgang der Erntemengen und somit auch des Biomasseangebots. Die in diesem Szenario ebenfalls getroffenen Annahmen zur Steigerung des Angebots wie „geringere Fleischproduktion“ oder „Reduzierung Lebensmittelverluste“ können diesen Rückgang nicht ausgleichen.
Für ein Wachstum der Produktionsmengen, wie sie sich aus dem Szenario „Technologie“ ergeben, sind hohe Ertragssteigerungen beispielsweise durch Präzisionslandwirtschaft, dem „precision farming“, oder durch Züchtungserfolge notwendig. Aber auch die Verwendung von Nebenernteprodukten und Reststoffen sowie eine verstärkte Kaskadennutzung, also die möglichst mehrmalige stoffliche Verwendung von Biomasse, führen zu höheren Biomasseangeboten in diesem Szenario.
Nebenernteprodukte nutzen
In projektbegleitenden Workshops wurde die stoffliche Nutzung von Nebenernteprodukten wie Getreidestroh und Reststoffen aus der Ernährungswirtschaft wie Rapspresskuchen als potenziell nachhaltig bewertet, die jedoch auch wirtschaftliche Herausforderungen bergen: Die Logistik sowie zusätzliche Verarbeitungsschritte könnten diese Rohstoffe ökonomisch weniger attraktiv machen. Zudem werden etwa Stroh und Rapspresskuchen bereits heute häufig landwirtschaftsnah zur Bodenverbesserung oder als Futtermittel verwendet, sodass eine stoffliche Nutzung hier zu Verdrängungseffekten führen könnte.

Auf Äckern verbleibendes Stroh trägt zur Bodenfruchtbarkeit bei.
Foto: PantherMedia/KCreeper (YAYMicro)
Ausblick
Auf Basis dieser Ergebnisse und Erkenntnisse hat das Projektteam ein Bewertungsschema konzipiert, mit dem Förderanträge für Bioökonomieprojekte auf Nachhaltigkeit geprüft werden können. Damit haben Politik und Verwaltung ein konkretes Instrument, Fördermittel für das Rheinische Revier bestmöglich einzusetzen. Zudem können die Ergebnisse für die Erarbeitung der Bioökonomiestrategie NRW genutzt werden.
Der Fachbericht zum Projekt „Biomassepotenziale Rheinisches Revier“ ist unter folgenden Link abrufbar: https://www.lanuv.nrw.de/publikationen/publikation/biomassepotenziale-rheinisches-revier.

Carmen Haase hat für das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) NRW das Projekt „Biomassepotenziale Rheinisches Revier“ geleitet.
Biomasse_RR@lanuv.nrw.de
Foto: Lanuv / R. Oberhäuser