Fünf Ideen für eine nachhaltige Textilindustrie
Kleidung lässt sich umwelt- und klimafreundlicher als bisher herstellen. Daran arbeiten viele größere und kleinere Unternehmen aus aller Welt. Fünf Start-ups konnten ihre Ideen im Rahmen einer „Innovation Challenge“ für nachhaltige Textilherstellung auf einer Messe in Frankfurt am Main vorstellen.
Keine Frage: Wir brauchen Kleidung. Um Hemden und Hosen, Strümpfe und Unterwäsche, Jacken und so weiter herzustellen, braucht es Rohstoffe und Energie. Das hat nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) Konsequenzen für Umwelt und Klima. So ist das Herstellen von Textilien für 2 bis 8 % aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, jährlich werden dafür 215 Bill. l Wasser verbraucht, die zum Teil als Abwässer mit Chemikalien belastet die Umwelt verschmutzen.
Doch Kleidung lässt sich nachhaltiger herstellen. „Nachhaltige Chemie ist entscheidend dafür, die Textilindustrie so zu transformieren, dass sie die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen einhält“, sagt Alexis Bazzanella. Er leitet das ISC3-Innovation-Hub des „Kompetenzzentrums für Nachhaltige Chemie“ in Frankfurt am Main. ISC3 steht für „International Sustainable Chemistry Collaborative Centre“, dessen Hauptsitz in Bonn ist.
Wie sich Textilien nachhaltiger herstellen lassen, haben fünf Start-ups auf dem Impact Festival, einer Start-up-Messe in Frankfurt am Main, Ende Oktober vorgestellt. Die jungen Firmen kamen aus Indien, Mexiko, Schweden, der Schweiz und der Türkei.
Ein Jahr zuvor hatte das ISC3 Start-ups im Textilbereich weltweit dazu aufzurufen, ihre neue Ideen für eine nachhaltigere Chemie im Bereich Textilien in einer Innovation Challenge zu präsentieren. Mit Erfolg: Rund 50 Start-ups haben sich beworben. Das ISC3 und eine internationale Jury aus Expertinnen und Experten haben fünf von ihnen ins Finale im Rahmen des Impact Festivals berufen. Im Anschluss an die Pitches der Finalisten vergab das ISC3 einen Hauptpreis und zwei „Special Impact“-Preise.
Hauptpreis: PFAS-freie Outdoor-Kleidung
Die Dimpora AG, ein Schweizer Start-up aus Zürich, gewann den mit 25 000 € dotierten Hauptpreis. Die 2019 gegründete Firma entwickelt Textilmembranen, die Stoffe wasserdicht und atmungsaktiv machen. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Outdoor-Bekleidung nachhaltiger zu gestalten, indem wir Performance-Bekleidung neu definieren“, erklärte Mario Stucki in Frankfurt. Er hat die Firma gemeinsam mit Anna Beltzung gegründet.
Sie stellen Membranen mit der sogenannten „CoreLayer“-Technik aus jedem Polymer her. Das Besondere: Weder per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, noch Lösemittel werden dabei benötigt. Im Ergebnis bietet Dimpora fluorfreie und atmungsaktive Alternativen für die Outdoor-Textilindustrie an.
Im Herstellungsverfahren lässt sich eine breite Palette von synthetischen wie biobasierten Materialien verwenden. Die „dimpora Bio“-Membran beispielsweise besteht zu mehr als 60 % aus biobasiertem Material. Textilhersteller nutzen die Membranen, um überwiegend Outdoor-Kleidung herzustellen. Dimpora-Membranen erfüllen die Bedürfnisse an Monomaterialität, biologischer Abbaubarkeit und biobasierten Eigenschaften, mit denen das Leistungsniveau der Kleidung bezüglich Wasserdichtigkeit und Atmungsaktivität auf die Wünsche der Endverbraucherinnen und -verbraucher zugeschnitten werden kann.
Special Impact: Lederersatz aus Obst
Einen der beiden mit 5 000 € dotierten Spezialpreise erhielt das Start-up Polybion aus Iraputo, etwa 100 km nordwestlich von Mexiko City. Es stellt aus Obstabfällen tierfreie Alternativen zu Leder her. Dieses Material, „Celium“ genannt, besteht aus Zellulose. „Wir verwenden vor Ort produzierte landwirtschaftliche und industrielle Fruchtabfälle als Rohmaterial für die Herstellung dieser nachhaltigeren Lederalternative“, erklärt Axel Gómez-Ortigoza, Mitbegründer von Polybion. Das Start-up füttert mit diesen Abfällen Bakterien, die daraus Zellulose herstellen. Um Celium in ausreichenden Mengen verfügbar zu machen, hat das Start-up eine erste industrielle Anlage gebaut.
Polybion nutzt also die natürlichen Fähigkeiten von Bakterien, agroindustrielle Abfälle wie Fruchtabfälle in bakterielle Zellulose umzuwandeln. Die abgesonderte Zellulose bildet als Grundbaustein von Celium eine komplexe Struktur. Weitere Pluspunkte im Sinne der Nachhaltigkeit sind ein um bis zu 50 % kleinerer CO2-Fußabdruck im Vergleich zur Herstellung von Leder und Kunstleder, die Erzeugung der benötigten Energie über eine Photovoltaik-Anlage und die Kompostierbarkeit der Produkte am Ende ihres Lebenszyklus.
Special Impact: Textilien aus Textilabfall
Den zweiten Special-Impact-Preis und ebenfalls 5 000 € erhielt das Start-up Renasens aus Stockholm,Schweden, für ein Verfahren, Textilabfälle etwa aus Polyester- oder Zellulosefasern vollständig für die Herstellung neuer Kleidungsstücke wieder nutzbar zu machen. Das Problem: Werden Fasern recycelt, beeinträchtigt dies ihre Qualität, sodass bis zu 50 % neue Fasern zugemischt werden müssen.
Doch es geht auch anders: Dr. Jade Bouledijouidja, Mitbegründerin des Start-ups, hat 2017 über überkritische Fluide bei Polymermaterialien promoviert und damit die Basis für das heutige Verfahren für ein effektiveres Textilrecycling geschaffen. Mit dem Verfahren lassen sich Fasern ohne Wasser aus gemischten Textilabfällen extrahieren, ohne dass sie dabei depolymerisieren, also kürzer werden.
Wichtig für das Start-up ist dabei, Farbstoffe und Zusatzstoffe aus reinen und gemischten Textilien zu entfernen und Mischfasern wie Polybaumwolle und Baumwoll-Acryl abzutrennen. „Mit unserem Verfahren können wir 80 bis 90 % an recycelten Fasern in neuen Kleidungsstücken verwenden und so der Kreislaufwirtschaft in der Modebranche Schwung verleihen“, so Bouledijouidja. Das Start-up möchte einmal eine neue Textil-Wertschöpfungskette in Europa aufbauen und das Verfahren auch international lizenzieren, damit Arbeitende weltweit ohne giftige Chemikalien Textilabfälle recyceln können.
Bio-Textilchemikalien
Start-up Nummer vier im finalen Pitch in Frankfurt am Main war das indische Start-up Schutzen aus Mumbai. Es hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich beispielsweise Polyole aus Pflanzen und landwirtschaftlichen Abfällen isolieren lassen. Diese biobasierten Polyole haben die gleichen Eigenschaften wie die bisher im Herstellungsprozess der Textilindustrie eingesetzten synthetisch hergestellten Chemikalien.
Schutzens Neuerung basiert auf einem Verfahren, solche Substanzen ohne den Einsatz giftiger Substanzen zu isolieren. Das Start-up betont, die gesamte Palette fossiler Chemikalien in der Wertschöpfungskette – seien es Ausgangsmaterialien, Verdünnungsmittel, Komponenten, Inhaltsstoffe, Füllstoffe und Wirkstoffe – durch biobasierte und biologisch abbaubare Stoffe ersetzen zu können.
Mit diesem Verfahren lässt sich bei der Herstellung von Textilien, so das Start-up, der Einsatz von Chemikalien aus fossilen Kohlenstoffen als auch von Schadstoffen vermeiden und damit auch deren Freisetzung ins Abwasser. Auch der Wasserverbrauch kann sinken. Ein Beispiel: Wird 1 kg Stoff gefärbt, werden normalerweise 55 l Waschwasser benötigt. Mit von Schutzen hergestelltem biologischen Seifenmittel lässt sich die Anzahl der Waschvorgänge von zehn auf drei verringern und damit der Wasserverbrauch um mindestens 21 l/kg gefärbtem Stoff senken.
DNA-Fingerabdruck für die Transparenz
Last but not least, das Start-up DNACotton aus der türkischen Hauptstadt Ankara hat in Frankfurt am Main ein Blockchain-basiertes Rückverfolgbarkeitssystem für Fasern vorgestellt. Es verwendet hierfür Nanopartikel aus Nukleinsäuren. Eine einmalige Sequenz aus Nukleinsäuren – also eine Art Kurz-DNA – wird auf Garne und Stoffe aus Baumwolle oder synthetischen Fasern aufgebracht.
Darüber hinaus hat das Start-up eine Software mit einem robusten Cloud-System entwickelt, das diesen genetischen DNA-Fingerabdruck mit einen QR-Code verknüpft. Mit diesem QR-Code, aufgebracht auf der Rohware, lässt sich diese überall nachverfolgen.
Wird ein solcher QR-Code gescannt, werden diese Informationen gleichzeitig an das Cloud-System des Sicherheitszentrums übertragen. In Fällen, in denen keine Internetverbindung verfügbar ist, speichert das System DNA/QR-Code-Übereinstimmungen lokal und aktualisiert das Cloud-System mit neuen Informationen, sobald das Gerät wieder online ist.
Eine Fallstudie, die das Start-up mit einem Textilunternehmen in der Stadt Kahramanmaras in der südlichen Türkei durchgeführt hat, zeigt die Wirksamkeit dieses Blockchain-basierten Rückverfolgbarkeitssystems in einer Jeans-Recyclingkette.
Ausblick 2025
Die diesjährige Innovation Challenge des ISC3 ist kein einmaliges Ereignis. Das Internationale Kompetenzzentrum für Nachhaltige Chemie schreibt seit 2019 regelmäßig einen derartigen Wettbewerb für Start-ups weltweit aus. Das Thema der Innovation Challenge 2025 ist „Nachhaltige Chemie und Klimawandel“. Weitere Informationen sowie die Bewerbungsunterlagen sind unter Innovation Challenge 2025 abrufbar.