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Umweltbelastungen verringern 16.09.2024, 07:00 Uhr

Innovative Technologie zur Bekämpfung hartnäckiger Chemikalien

ETH-Forschende haben eine neue Methode gegen gefährliche PFAS-Chemikalien entwickelt. Mithilfe von Nanopartikeln und Ultraschall gelingt es, die schwer abbaubaren Stoffe zu zerstören. Die neue Piezokatalyse-Technik könnte bisherige Verfahren in den Schatten stellen und einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Mensch in Schutzanzug hält Reagenzglas in der einen Hand und ein Behältnis mit verschiedenen Reagnezgläsern in der anderen Hand

Forschende der ETH Zürich wollen mit einer neuen Methode gefährliche Chemikalien wirkungsvoller bekämpfen.

Foto: panthermedia.net/HayDmitriy

Ein Forscherteam der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) präsentiert eine neue Methode, mit der sich bestimmte gefährliche Chemikalien eliminieren lassen. Konkret geht es um eine gefährliche Untergruppe von per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, den sogenannten Perfluoroctansulfonaten, kurz PFOS. Der Ansatz der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kombiniert Nanopartikel mit Ultraschall und nutzt die sogenannte Piezokatalyse, um die persistenten Schadstoffe effektiv zu zersetzen. Diese Entwicklung könnte sich als vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Verfahren erweisen.

Winzige Partikel aus Autoreifen bedrohen Gewässer

Bei den PFAS handelt es sich um eine Gruppe künstlich hergestellter Chemikalien. Sie finden sich in zahlreichen Alltagsprodukten wie Feuerlöschschäumen, Antihaftbeschichtungen und wasserabweisenden Textilien. Diese Substanzen zeichnen sich durch ihre extreme Beständigkeit aus und akkumulieren sich in Böden, Gewässern sowie in Organismen. Die gesundheitlichen Risiken dieser „ewigen Chemikalien“ sind alarmierend: Sie können Leberschäden verursachen, das Hormonsystem stören und Krebserkrankungen begünstigen.

Fortschritte bei der Bekämpfung von Chemikalien in der Umwelt

Die Forschungsgruppe um Salvador Pané i Vidal, Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme, hat sich auf die Zersetzung von PFOS konzentriert. Diese Untergruppe der PFAS gilt als besonders toxisch und unterliegt strengen Regulierungen oder Verboten. Die Herausforderung liegt in der außergewöhnlichen Stabilität der Kohlenstoff-Fluor-Bindungen. Um sie aufzuspalten sind enorme Energiemengen notwendig. Die Forschenden wollen das Problem mit dem Verfahren der Piezokatalyse lösen. Diese Methode nutzt piezoelektrische Nanomaterialien, die unter Ultraschalleinwirkung elektrische Ladungen erzeugen. Diese Ladungen fungieren als Katalysatoren und initiieren eine Kaskade von Reaktionen, die die PFOS-Moleküle schrittweise zerlegen.

Die Effektivität dieser innovativen Technik wurde durch präzise Messungen belegt. In Zusammenarbeit mit Samy Boulos, einem Experten für Analytik, konnte das Team nachweisen, dass 90,5 Prozent der PFOS-Moleküle abgebaut wurden. Allerdings erfolgte dieser Nachweis bei einer relativ hohen Konzentration von vier Milligramm pro Liter. In natürlichen Gewässern liegen die PFOS-Werte typischerweise unter einem Mikrogramm pro Liter, was den Abbauvorgang verlangsamt. Für praktische Anwendungen, etwa in der Abwasserbehandlung der chemischen Industrie, wäre eine vorherige Aufkonzentrierung der Schadstoffe erforderlich. Dies würde den Prozess effizienter gestalten und die Abbauzeit verkürzen.

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Analyseverfahren eröffnet neue Möglichkeiten

Im Vergleich zu etablierten Verfahren bietet die Piezokatalyse signifikante Vorteile. Herkömmliche Methoden wie die thermische Zersetzung bei Temperaturen über 1000 Grad Celsius sind äußerst energieintensiv. Die Photokatalyse, die Licht zur Aktivierung des Katalysators nutzt, stößt bei der Behandlung von trübem Abwasser an ihre Grenzen.

Adsorptionsverfahren verlagern das Problem lediglich, da die schadstoffbeladenen Absorptionsmaterialien anschließend entsorgt werden müssen. Die Piezokatalyse überwindet diese Einschränkungen und kann diverse mechanische Energiequellen nutzen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Integration in bestehende Kläranlagen, wo vorhandene Turbulenzen zur PFAS-Elimination genutzt werden könnten.

Gemeinsamer Kampf gegen schädliche Chemikalien in unserer Umwelt

Die Skalierung der Labormethode auf industrielle Maßstäbe stellt eine bedeutende Herausforderung dar. Derzeit ist es noch nicht möglich, die erfolgreichen Ergebnisse aus dem Labor ain die Praxis zu übertragen. „Es ist uns aber gelungen zu zeigen, dass die Piezokatalyse als Methode zum Abbau von PFOS funktioniert und Vorteile gegenüber bisherigen Methoden hat“, sagt Salvador Pané i Vidal. Er ist der Auffassung, dass diese Methode durchaus auch für alle PFAS und weitere Mikroschadstoffe geeignet ist.

Die Forscherin Andrea Veciana unterstreicht die globale Dimension der PFAS-Problematik. Sie fordert politische Initiativen und erhöhte Transparenz in der Industrie. Gleichzeitig betont sie die Notwendigkeit kontinuierlicher Forschung und Innovation zur Reduzierung und Sanierung bestehender PFAS-Belastungen. Nur durch das Zusammenspiel von Regulierung, Transparenz und technologischem Fortschritt kann diese komplexe Umweltherausforderung bewältigt werden.

Von Nina Draese