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Kreislaufwirtschaft 06.04.2020, 15:54 Uhr

Kochsalz im Kreislauf

Ressourcen schonen und Kreisläufe herstellen – dies wird auch in der Chemieindustrie immer wichtiger. Der Leverkusener Werkstoffhersteller Covestro beispielsweise will Kochsalz im Industrieabwasser wieder verwenden. Damit hat das Unternehmen auch das sechste Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen – kurz SDG 6 – mit dem Titel „Sauberes Wasser“ im Auge.

Diese Hochdruckumkehrosmose-Versuchsanlage nutzt Covestro, um die Kochsalz-Konzentration zu erhöhen.

Diese Hochdruckumkehrosmose-Versuchsanlage nutzt Covestro, um die Kochsalz-Konzentration zu erhöhen. Der Projektpartner EnviroChemie hat sie zur Verfügung gestellt.

Foto: Covestro

Schon vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren wusste der griechische Philosoph Thales von Milet: „Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser.“ Was er damals aber kaum vorhersehen konnte: Wie knapp Wasser einmal werden würde. Der globale Bedarf dürfte angesichts der wachsenden Weltbevölkerung bis 2050 nach Schätzungen der Vereinten Nationen gegenüber dem Anfang des Jahrtausends um mehr als die Hälfte steigen. Dies zeigt: Wassernutzung muss unbedingt nachhaltiger gestaltet werden. Schon jetzt kann die Menschheit ja nicht ausreichend mit sauberem und trinkbarem Wasser versorgt werden.

Nachhaltige Wassernutzung – wie gelangt man dahin? Eine Möglichkeit besteht darin, Abwasser zu verringern und wiederzuverwenden. Wie sinnvoll das ist, wird schnell deutlich: Denn derzeit fließen weltweit mehr als 80 Prozent des Abwassers unbehandelt und ungenutzt in Flüsse, Seen und Meere und verschmutzen diese oft für lange Zeit. Teilweise wurden ganze Ökosysteme für immer verändert. Ein weites Handlungsfeld, besonders für die gesamte Industrie, auf die rund ein Viertel des weltweiten Wasserverbrauchs entfällt.

Auch der Werkstoffhersteller Covestro aus Leverkusen nutzt Wasser in seiner Produktion. Dabei fällt Prozessabwasser an, unter anderem bei der Herstellung des Hochleistungskunststoffs Polycarbonat. Das gereinigte Abwasser enthält Salz und zwar mit mehr als sechs Prozent etwa doppelt so viel wie Meerwasser. Es handelt sich dabei um Natriumchlorid (NaCl), also Kochsalz.

Bislang: Salz ab ins Wasser

Bislang wird das Salz üblicherweise in nahe gelegene Gewässer wie etwa am Standort Krefeld-Uerdingen in den Rhein eingeleitet. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz ändert sich und Covestro will der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit nachkommen.

Covestro hat darum mit Partnern ein Verfahren entwickelt, um das Prozesswasser erneut zu verwenden. Und zwar bei der Produktion von Chlor – einer wichtigen Grundchemikalie, die man wiederum braucht, um Polycarbonat herzustellen. Gewonnen wird Chlor in Elektrolyse­verfahren, bei denen große Mengen an Salz benötigt werden. Und eben dies will Covestro recyceln.

Covestro Container Uerdingen (Re Salt)

Thomas Mainka, Doktorand von der TU Wien, nimmt eine Probe nach der Abwasserreinigung durch salzliebende Bakterien. Diese Organismen können Prozesswasser reinigen.

Foto: Covestro

Daran knüpft das Unternehmen deshalb große Hoffnungen: „Die neue Technologie hat Modellcharakter“, sagt Jürgen Meyn, Produktionsleiter von Covestro in Krefeld-Uerdingen, einem der großen Produktionsstandorte für Polycarbonat. „Wir wollen das Salz in Zukunft weitestgehend im Kreis fahren.“ Langfristiges Ziel ist, auf diese Weise global mehrere Zehntausend Tonnen Kochsalz und mehrere Hunderttausend Tonnen vollständig entsalztes Wasser jährlich einzusparen.

Beim Salzwasserkreislauf kann Covestro bereits Erfolge vorweisen. Am Standort Krefeld-Uerdingen steht eine Pilotanlage, in der das Verfahren erprobt und ein kleiner Teil des Abwassers recycelt wird. Dafür wird ein Teil des Prozesswassers abgezweigt, gereinigt und wieder als Ausgangsstoff in die Elektrolyse gegeben. Erfreulich ist, dass die ersten Erfahrungen mit der bestehenden Anlage grundsätzlich positiv sind. Sie läuft stabil und bisher ohne Probleme bei der Elektrolyse.

Auf diese Weise kann das Unternehmen bereits mehr als 200.000 Tonnen vollständig entsalztes Wasser und etwa 19.000 Tonnen Salz pro Jahr einsparen. Eine ähnliche Anlage läuft am chinesischen Standort Caojing und wird gemeinsam von Covestro mit Partnern betrieben.

Covestro Container Uerdingen (Re Salt)

Der Re-Salt-Forschungscontainer im Chempark in Krefeld-Uerdingen. Dort läuft derzeit das Pilot­projekt zur Aufbereitung von Prozesswasser, um es wieder in den Prozess der Chlorgewinnung einzuführen.

Foto: Covestro

Zu viel Wasser im Abwasser

Zwei große Herausforderungen gibt es aber noch: Zum einen ist der Salzgehalt des aufbereiteten Prozesswassers mit rund sechs Prozent recht niedrig. Es gäbe zwar deutlich mehr Salz in der gesamten Menge Prozesswasser bei Covestro, doch das kann so noch nicht eingesetzt werden. Denn für die Elektrolyse ist die Wassermenge einfach zu hoch. Daher kann noch nicht 100 Prozent des Prozesswassers zurück in die Elektrolyse geführt werden und es muss mit zugekauftem Natriumchlorid angereichert werden.

An einer Lösung wird gearbeitet und wie diese aussehen könnte, weiß Covestro-Forscherin Yuliya Schiesser. „Wir wollen den Salzgehalt der Sole erhöhen, indem wir ihr Wasser entziehen. Das muss so umweltverträglich und wirtschaftlich wie möglich geschehen.“ Einfach erhitzen und das Wasser verdampfen, ist also nicht zielführend. Innovative Methoden dafür werden in dem Forschungsprojekt Re-Salt entwickelt, das auf dem bisherigen Verfahren aufsetzt. Unter Führung von Covestro und mit Förderung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) sind daran noch andere Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt. Dabei müssen viele Aspekte beachtet werden, erläutert Schiesser, die das Projekt vom Firmensitz in Leverkusen aus koordiniert.

Empfindliche Membranen

Die andere große Herausforderung ist die Reinigung des Prozesswassers, für die noch keine allgemeine Lösung gefunden wurde. Vielmehr gibt es verfahrensbedingt Unterschiede zwischen allen Prozesswässern. Das ist wichtig, da es besondere Anforderungen an die verwendeten Rohstoffe – darunter nun auch das verwendete Prozesswasser – gibt. Denn die Membranen der Chlor-Elektrolyseanlagen, in die das recycelte Abwasser wieder eingespeist wird, reagieren sehr empfindlich auf Verunreinigungen. „Ablagerungen können die Membranen schädigen und zudem ihren Widerstand erhöhen“, so Schiesser. Das würde den Stromverbrauch ansteigen lassen oder noch schlimmer: den Prozess ungeplant unterbrechen.

Darum hat Covestro mit Partnern mehrere Verfahren getestet, um das salzhaltige Prozesswasser zu reinigen und für das Recycling nutzbar zu machen. Verschiedene Verfahren wurden dafür untersucht, sogar die Nutzung äußerst widerstandsfähiger Bakterien. Dazu gab es ein Kooperationsprojekt mit der Technischen Universität Wien. Für einzelne Anlagen sind aus den verschiedenen Ansätzen schon zufriedenstellende Ergebnisse hervorgegangen, für eine allgemeine Lösung muss die Forschung jedoch noch voranschreiten.

Sobald das Prozesswasser auf diese Weise von organischen Spuren gereinigt ist, beginnt die Aufkonzentrierung bis hin zum Salz in kristalliner Form. Die Reinigung und Anreicherung des Abwassers ist aktuell noch relativ aufwendig und kostspielig. Aber die Partner sind guter Dinge, diese und andere Hürden zu überwinden.

Ausgezeichnet

Das sehen auch unabhängige Experten so: Mit dem Salzwasserrecycling belegte der Kunststoffhersteller den zweiten Platz im Wettbewerb „Wir haben gute Ideen für Kreislaufwirtschaft“, einer Initiative im Rahmen des Responsible Care-Programms vom Landesverband Nordrhein-Westfalen im Verband der Chemischen Industrie (VCI NRW). Auch das Bundesumweltministerium lobt die Entwicklung der Technologie als hervorragendes Beispiel für die Umsetzung des Kreislaufgedankens in der Industrie und stellte Fördermittel bereit.

Die Auszeichnungen machen den beteiligten Partnern Mut für ihre großen Ziele: „Wir hoffen, dass am Ende nicht nur die Kunststoffbranche von unseren Forschungsergebnissen profitiert“, sagt Schiesser. Vielmehr sollen auch andere Industriezweige daraus Nutzen ziehen.

Covestros Kreis-Strategie

Covestro setzt nicht nur auf Salzwasser-Recycling. Das Unternehmen will sich mit einem langfristigen Programm umfassend auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten und dabei eine gestaltende Kraft für die gesamte Kunststoffindustrie sein. Insbesondere strebt Covestro in der Produktion so weit wie möglich den Einsatz von Rohstoffen aus nachhaltigen Quellen wie Abfall, Pflanzen sowie CO2 an. So soll die größtmögliche Abkehr von fossilen Ressourcen wie Erdöl erreicht werden. Vor allem gilt es, gebrauchten Kunststoff systematisch und weitestgehend wiederzuverwerten. Dazu will Covestro neue Technologien entwickeln. Insgesamt will das Unternehmen die Umstellung von der Einweg- zur Kreislaufwirtschaft mit möglichst vielen Partnern gestalten und erwartet davon auch neue geschäftliche Chancen. Die auf einmalige Nutzung ausgerichteten linearen Muster in Konsum und Produktion haben ausgedient – wir müssen vielmehr den Kreislaufgedanken stärken und unser Handeln konsequent darauf ausrichten“, betont der Vorstandsvorsitzende Markus Steilemann.

Covestro Container Uerdingen (Re Salt)

Das Projektteam von Covestro Leverkusen und der TU Wien vor ihrem aktuellen „Baby“: dem Biocontainer mit den Forschungsanlagen.

Foto: Covestro

 

Von Stefan Paul Mechnig

Stefan Paul Mechnig Pressesprecher, Covestro Deutschland AG stefanpaul.mechnig@ covestro.comBild: Covestro