Den Wirkungsgrad von Solarzellen optimieren – ganz ohne Laborexperimente
Weltweit versuchen Ingenieure, effektivere Solarzellen zu entwickeln. Doch ihre Experimente kosten Zeit und Geld. Das muss nicht sein: MIT-Forscher zeigen, welche Vorteile Computersimulationen bringen.
In vielen Regionen Europas und Nordamerikas ist die Fläche für Solarzellen begrenzt. Außerdem schwankt die Sonneneinstrahlung je nach Jahreszeit stark. Deshalb versuchen Ingenieurinnen und Ingenieure weltweit, den Wirkungsgrad von Solarzellen weiter zu optimieren.
Beim ständigen Wettlauf um die Entwicklung immer besserer Materialien und Konfigurationen gibt es viele Variablen, die angepasst werden können, darunter der Materialtyp, die Dicke und die geometrische Anordnung. Modifikationen sind ein langwieriger Prozess. Forschende nehmen meist nur kleine Änderungen an einem dieser Parameter vor und messen danach die Effekte. Weitere Änderungen folgen. Mithilfe von Computersimulatoren ist es zwar möglich, solche Modifikationen zu simulieren, ohne dass jede neue Variante für die Tests tatsächlich gebaut werden muss, aber der Prozess ist nach wie vor langsam: eine unbefriedigende Situation.
Jetzt haben Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und von Google Brain ein System entwickelt, mit dem nicht nur ein vorgeschlagenes Design bewertet werden kann, sondern das auch Informationen darüber liefert, welche Änderungen die gewünschten Verbesserungen bringen. Ihre Entdeckung könnte die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Konfigurationen erheblich beschleunigen.
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Software zeigt Effekte unterschiedlicher Parameter bei Solarzellen
Herkömmliche Tools zur Simulation des Wirkungsgrads von Solarzellen arbeiten im Wesentlichen mit einer zufälligen Suche nach möglichen Variationen der bestehenden Konfiguration. Als Ergebnis prognostizieren solche Programme dann einen Wirkungsgrad. „Dieser neue Simulator sagt jedoch nicht nur den Wirkungsgrad voraus, sondern zeigt auch, wie stark dieser Wert von den einzelnen Eingangsparametern beeinflusst wird“, erklärt Giuseppe Romano vom MIT Institute for Soldier Nanotechnologies. „Wir sehen direkt, was mit dem Wirkungsgrad passiert, wenn wir eine bestimmte Schicht etwas dicker machen, oder was mit dem Wirkungsgrad geschieht, wenn wir zum Beispiel die Materialeigenschaften ändern.“
Da neue, innovative Solarzellen oft aus mehreren Schichten bestehen, die mit leitenden Materialien verbunden werden, um die elektrische Ladung von einer zur anderen zu transportieren, zeigt dieses Berechnungsinstrument, wie sich die Veränderung der relativen Dicke einzelner Komponenten auf die Leistung des Geräts auswirkt. „Dies ist sehr wichtig, weil die Dicke entscheidend ist. Es gibt eine starke Wechselwirkung zwischen der Lichtausbreitung und der Dicke der einzelnen Schichten sowie der Absorption der einzelnen Schichten“, ergänzt Sean Mann vom MIT Institute for Soldier Nanotechnologies.
Zu den anderen Variablen, die bewertet werden, gehören die Dotierung, sprich das gezielte Einbringen von Fremdatomen in Halbleiter sowie elektrische Eigenschaften der Materialien. Entscheidend ist die sogenannte Bandlücke, also der energetische Abstand zwischen Elektronen im höchsten besetzten und im niedrigsten leeren Energieband. Auch die Lichtabsorption von Materialien kann berücksichtigt werden. Mit diesem System verringere sich die Anzahl der Simulationsläufe, um einen schnelleren Zugang zu optimierten Strukturen zu erhalten, so Mann weiter.
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Neue Software weltweit allen Ingenieuren zugänglich machen
Romanos Team stellt die Software jetzt als Open-Source-Tool allen Interessierten weltweit zur Verfügung. Sie kann nicht nur von akademischen Einrichtungen, sondern auch von der Industrie verwendet werden. Forschende haben zudem die Möglichkeit, ihre Berechnungen mit einem Optimierungsalgorithmus oder sogar einem maschinellen Lernsystem koppeln, um schnell eine Vielzahl möglicher Änderungen zu bewerten und die vielversprechendsten Alternativen herauszufiltern. Erst danach folgen Experimente im Labormaßstab, später im Industriemaßstab. Das spart Zeit und Geld.
Zum jetzigen Zeitpunkt basiert der Simulator nur auf einer vereinfachten, eindimensionalen Version der Solarzelle. Aber selbst diese Version könne die meisten Zellen abdecken, die derzeit produziert würden, sagt Romano. Sein Team arbeitet an den nächsten Schritten. Ziel ist, die Software auf zwei- und dreidimensionale Konfigurationen zu erweitern. Bestimmte Varianten, etwa Tandemzellen, die verschiedene Materialien enthalten, können mit dem aktuellen Tool auch noch nicht direkt simuliert werden. Der Trick ist, komplexe System wie einzelne Zellen zu berechnen. Mit weiteren Verbesserungen rechnen Romano und Mann aber in Kürze. Aufgrund des quelloffenen Codes können sich Ingenieurinnen und Ingenieure weltweit am Projekt beteiligen – und bessere Solarzellen entwickeln.
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