EU-Taxonomie ändern, Altgebäude sanieren
Bestandsgebäude sollen energetisch saniert werden. Die EU unterstützt dies mit der Energieeinsparrichtlinie. Mit der Taxonomie-Verordnung lenkt sie Investitionsmittel jedoch in Neubauten und bereits grundlegend sanierte Immobilien. An der Sanierung von Gebäuden unterer Energieeffizienzklassen sind Investoren daher kaum interessiert. Um dieses zu ändern, schlägt der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) vor, die Taxonomie-Verordnung anzupassen.
Die energetische Transformation des Gebäudebestands ist ein zentrales Element, um die Klimaziele der EU zu erreichen. EU-weit umfasst dies etwa 200 Mio. Gebäude, allein im Wohnbereich. Viele dieser Gebäude sind veraltet, energetisch ineffizient und verursachen hohe CO2-Emissionen. In Deutschland wird der Gebäudebestand derzeit mit einer Sanierungsquote von unter 1 % modernisiert. Um die Klimaziele 2030 zu erreichen, wären jedoch mindestens 2 % notwendig – eine Verdopplung der Anstrengungen.
Dieses Problem wirft zentrale Fragen auf: Welche Gebäude sollten priorisiert werden? Wie kann die Finanzierung der Sanierung gesichert werden? Und welche Maßnahmen sind am wirkungsvollsten, um sowohl die Klimabilanz zu verbessern als auch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen zu maximieren?
Das große Ziel …
Mit dem „Green Deal“ von 2019 hat sich die EU verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Bis 2030 sollen CO2-Emissionen als Zwischenschritt um mindestens 55 % im Vergleich zu 1991 gesenkt werden. Der Gebäudesektor spielt dabei eine Schlüsselrolle: Er ist in der EU für etwa 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der CO2-Emissionen verantwortlich.
Einen großen Anteil daran haben die mehr als 8,5 Mio. Wohngebäude allein in Deutschland, welche sich in den unteren Effizienzklassen F, G und H befinden.
… und hohe Kosten
Die notwendigen Investitionen einer energetischen Sanierung des gesamten Wohngebäudebestands auf das durchschnittliche Niveau eines „KfW Effizienzhauses 115“ hat die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, ein Wohnungsbauinstitut des Landes Schleswig-Holstein für die Soziale Wohnraumförderung, abgeschätzt. Bei einer Sanierungsrate von 1,8 % müssten bis 2045 etwa 2,6 bis 3,6 Bio. € – und damit 110 bis 150 Mrd. € jährlich – aufgebracht werden. Bei einer Sanierungstiefe auf das durchschnittliche Niveau eines „KfW Effizienzhaus 55“ würden bis 2045 sogar 4,0 bis 5,1 Bio. € anfallen, also 165 bis 210 Mrd. € jährlich.
Sinnvoll Altgebäude sanieren
Für tragfähige Investitionsbedingungen bei der Sanierung von Bestandsimmobilien sind zwei Punkte entscheidend:
- Je schlechter die Energieeffizienzklasse, desto besser das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Sanierungsmaßnahmen.
- Eine schlechte Energieeffizienzklasse bietet großes Potenzial zur Reduktion von CO2-Emissionen.
Ein Rechenbeispiel: Eine durchaus realistische Absenkung des Primärenergiebedarfs von 250 auf 100 kWh/m² jährlich bringt dreimal mehr für den Klimaschutz als den Primärenergiebedarf von etwa 100 auf 50 kWh/m² jährlich zu verringern. Die Veränderung von 250 auf 100 kWh/m² jährlich entspricht dabei dem Sprung von der Energieeffizienzklasse G auf C, die Einsparung von 100 auf 50 einem Sprung von der Effizienzklasse C auf A.
Keine Frage: Aus Klimaschutzgründen sollte möglichst der Bestand saniert werden. Aus Sicht privater Investoren setzt die EU hier aber sich widersprechende Anreize: Nach der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD), die 2024 überarbeitet wurde, sollten zwar die energetisch Schlechtesten zuerst saniert werden. Doch nach der Taxanomie-Verordnung von 2020 schauen Investoren wie Immobiliengesellschaften vor allem auf die energetisch besten Gebäude.
Die EU-Taxonomie: „only the best“
Die Taxonomie-Verordnung der EU soll privates Kapital in nachhaltige Investitionen lenken. Um Taxonomie-Konformität zu erreichen, muss eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem von sechs ökologischen Nachhaltigkeitszielen erbringen und kein der anderen Nachhaltigkeitsziele beeinträchtigen.
Im Immobiliensektor trifft diese Verordnung vor allem private Investoren wie Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die selber Gebäude bewirtschaften. Da diese zunehmend Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen, versuchen sie all das, was ihr Portfolio „vergiften“ würde, abzustoßen. Indirekt betrifft es auch etwa Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen, weil immer mehr Banken den Grad der Nachhaltigkeit einer Investition in ihre Risikobewertung einfließen lassen.
Dann kann für eine Wohnungsgesellschaft das Darlehen für eine Sanierung eines Gebäudes der Energieeffizienzklasse G nach C teurer sein als das für einen Neubau der Effizienzklasse A. Die fehlende Anerkennung einer solchen Sanierung als nachhaltig führt also dazu, dass die Sanierung älterer Gebäude unnötig verteuert wird, was sich in höheren Mieten niederschlägt. So wird die soziale Frage rund um das Thema „bezahlbares Wohnen“ zusätzlich verschärft.
Im Immobiliensektor wird Taxonomie-Konformität meist durch einen Beitrag zum Klimaschutz erreicht. Damit der Kauf eines Bestandsgebäude taxonomiekonform ablaufen kann, muss es einen Gebäudeenergieausweis der Klasse A besitzen oder im Hinblick auf seinen Primärenergiebedarf zu den besten 15 % des regionalen oder nationalen Gebäudebestands gehören.
Dies ist im Anhang I der Durchführungsverordnung 2021/2139 zur Taxonomie-Verordnung unter dem Punkt 7.7 „Erwerb von und Eigentum an Gebäuden“ nachzulesen. Dort hat die EU technische Bewertungskriterien festgelegt, anhand derer bestimmt werden kann, ob eine Wirtschaftstätigkeit etwa einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Diese Vorgabe lenkt jedoch Investitionen in Gebäude der Energieeffizienzklasse A. Dies führt wiederum in der Praxis dazu, dass privates Anlagekapital überwiegend in Neubauten oder bereits sanierte Immobilien investiert wird. Denn für ältere Bestandsgebäude ist das Erreichen der Effizienzklasse A meist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, da die baulichen Gegebenheiten sowie wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen.
Die Folge: Gelder privater Investoren fließen nicht in das Sanieren des Bestands, sondern in Neubauten, die zwar einen vorbildlichen Standard haben, aber nicht die dringend notwendige Reduktion von CO2-Emissionen im Bestand bewirken. Durch die Taxonomie-Verordnung werden also Investitionen in Gebäude gelenkt, die ohnehin schon sehr gute energetische Eigenschaften aufweisen.
Investoren bevorzugen daher Neubauprojekte, da diese leichter den Anforderungen der Taxonomie entsprechen, obwohl eine tiefgreifende Sanierung älterer Bestandsgebäude die ökologisch bessere und gesellschaftlich sinnvollere Variante gegenüber Abriss und Neubau wäre.
Abriss und Neubau statt Sanierung
Die EU berücksichtigt in der Taxonomie-Verordnung zwar auch Renovierungen, doch die Anforderungen sind nicht vernünftig auf den Gebäudebestand zugeschnitten. So gilt eine Investition in eine Gebäudesanierung nur dann als „taxonomiekonform“, wenn der Primärenergiebedarf dadurch um mindestens 30 % sinkt. So steht es im Anhang I der oben genannten Durchführungsverordnung unter Punkt 7.2. „Renovierung bestehender Gebäude“.
Das Gebäude selbst erlangt dadurch jedoch in den allermeisten Fällen keine Taxonomiekonformität, solange es nicht die Energieeffizienzkategorie A erreicht. Für Bestandshalter wie Fondsgesellschaften, die eine dezidierte „Manage-to-Green“-Strategie verfolgen, sind solche Sanierungen uninteressant, weil zwar sanierte, aber nicht taxonomiekonforme Immobilien das nachhaltige Portfolio abwerten und belasten würden. Eine Sanierung bleibt somit aus, Verkauf oder Abriss sind die Folge.
Einfache Lösung mit großer Wirkung
Um die Transformation des Gebäudebestands voranzutreiben, sollte die Taxonomie-Verordnung den Gegebenheiten daher angepasst werden. Eine dynamische Komponente könnte die Attraktivität von Sanierungsprojekten erheblich steigern.
Die Idee: Um Investoren die notwendige Planungssicherheit zu bieten, sollte für einen angemessenen Amortisationszeitraum die Immobilie als taxonomiekonform anerkannt, das heißt ein Bestandsschutz von beispielsweise 20 Jahren eingeführt werden, wenn der Primärenergiebedarf um mehr als 50 % sinkt.
Dann würden energetische Verbesserungen wie im obigen Rechenbeispiel von der Effizienzklasse G auf C als taxonomiekonform anerkannt werden, weil sie einen erheblichen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen leisten. Die Sanierung von Gebäuden sollte also auch dann als nachhaltig gelten können, wenn das Endergebnis nicht die höchste Energieeffizienzklasse erreicht.
„Worst First“ – die EPBD
Ein solcher Ansatz greift den „Worst First“-Gedanken der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) auf. Denn werden die ineffizientesten Gebäude bei der Sanierung priorisiert, maximiert dies nicht nur die positive Klimawirkung, sondern berücksichtigt auch soziale Aspekte, indem die Sanierung ineffizienter Gebäude mit niedrigeren Energiekosten für die Mieter einhergeht.
Die hier vorgeschlagene Anpassung der Taxonomie bietet zahlreiche Vorteile:
- Stichwort Klimaschutz: Ineffiziente Gebäude verursachen die höchsten CO2-Emissionen. Deren Sanierung bietet daher das größte Potenzial für Einsparungen.
- Stichwort Wirtschaftlichkeit: Ein Bestandsschutz von 20 Jahren schafft Planungssicherheit und motiviert Investoren, langfristig in den Gebäudebestand zu investieren.
- Stichwort Flexibilität: Ein dynamischer Ansatz berücksichtigt die Vielfalt des Gebäudebestands in der EU und ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen.
- Stichwort soziale Gerechtigkeit: Die Sanierung ineffizienter Gebäude senkt Heizkosten und schützt Haushalte vor steigenden Energiekosten.
Ein Weg zur Klimaneutralität bis 2050
Um die EU-Klimaziele zu erreichen, ist eine umfassende energetische Sanierung des Gebäudebestands unverzichtbar. Die vorgeschlagenen Anpassungen an die EU-Taxonomie schaffen Anreize für Investitionen und fördern eine effektive Dekarbonisierung des Gebäudesektors.
Die Kombination aus langfristigem Bestandsschutz und gezielten Anreizen für private Investoren stellt sicher, dass die Transformation nicht nur wirtschaftlich effektiv, sondern auch sozial ausgewogen gestaltet wird. Eine reformierte Taxonomie kann so der Schlüssel zu einem klimaneutralen Gebäudesektor und einem nachhaltigeren Europa sein.
Das kann schnell gehen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Ende November 2024 angekündigt, bestehenden, einander teilweise widersprechende EU-Gesetze im Rahmen eines sogenannten Omnibusgesetzes besser miteinander zu verbinden. Konkret nannte sie dabei die Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) und die Taxonomie-Verordnung zur Bewertung der Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten an. Dieses Gesetzgebungsverfahren bietet die einmalige Chance, kurzfristig auch den Widerspruch zwischen der EPBD und der Taxonomie zu bereinigen, und sollte unbedingt genutzt werden.
Zusammengefasst: Die vorgeschlagenen Änderungen könnten durch eine Überarbeitung der EU-Taxonomie-Verordnung umgesetzt werden. Insbesondere die Regelung zum Punkt 7.7. „Erwerb von und Eigentum an Gebäuden“ im Anhang I der genannten Durchführungsverordnung sollte angepasst werden. Die Einführung eines Bestandsschutzes für sanierte Gebäude schafft Anreize für Investitionen und erhöht die Transformationsgeschwindigkeit.
Die EU-Klimaziele sind nur durch eine umfassende energetische Sanierung des Gebäudebestands erreichbar. Die vorgeschlagenen Änderungen der Taxonomie-Verordnung adressieren die Schwächen des aktuellen Systems und setzen klare Anreize für Investitionen in die Transformation ineffizienter Gebäude. Die vorgeschlagene dynamische Komponente, die den „Worst First“-Ansatz berücksichtigt, würde dafür sorgen, dass die Sanierung auch alter Gebäude honoriert wird. Das ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Dekarbonisierung des Gebäudesektors.
https://zia-deutschland.de/project/positionspapier-zur-eu-taxonomie
Dr. Joachim Lohse ist Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschuss. Foto: ZIA